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# taz.de -- Schwitzen gegen Corona-Overload: Das verhasste Wort
> Zum Thema Corona ist längst alles gesagt. Können wir endlich wieder von
> etwas anderem reden? Über Fitnessvideos zum Beispiel?
Bild: Strategie gegen Corona-Overkill und Bewegungsmangel: Fitness zuhause
Seit einigen Tagen sehe ich vermehrt Leute, die Corona-Bier trinken oder
Corona-Sixpacks aus dem Supermarkt nach Hause schleppen. Ich weiß nicht, ob
das gerade ein Ding ist oder immer schon so war und an mir liegt, die
hyperfixiert auf und hypergenervt von dem Wort „Corona“ ist.
Nachdem ich einige Zeit über das Thema dieser Kolumne nachgedacht habe, bin
ich zu dem Schluss gekommen, dass in meinen Augen zum Thema Corona
eigentlich schon vor längerer Zeit absolut alles gesagt wurde. Von
Berichten über Fakten, zum tausendsten Corona-Tagebuch und Autoren, die
durch verlassene Städte wandeln und ihre Eindrücke beschreiben, bis hin zu
Bill Gates [1][und den verworrensten Verschwörungstheorien]. Wenn ich das
Wort „Corona“ höre oder gefragt werde, wie ich denn mit dem Lockdown
zurechtgekommen sei und was ich in der Zeit gemacht hätte, überfällt mich
oft eine bleierne Müdigkeit, und ich stelle mir vor, ich könnte kurz ins
Wasser springen, meine Ohren würden sich mit Unterwasserrauschen füllen und
ich würde heimlich davonschwimmen.
Ich glaube, ich würde lieber für den Rest meines Lebens in Läden,
[2][Bahnen und Bussen einen Mundschutz tragen], wenn ich dafür nie wieder
dieses verhasste Wort (in seiner prätentiösen Variation Covid-19 vielleicht
noch verhasster) hören oder sagen müsste. Bildlich kommt mir die Debatte
über Corona mittlerweile etwa so vor wie das Video, das die Journalistin
Dunja Hayali letzten Samstag von der [3][Demo gegen die
Coronamaßnahmen] aufgenommen hat: Alle schreien durcheinander, jede*r
hat seinen persönliche „Hot Take“, der aus zu viel im Internet verbrachter
Zeit zusammengebastelt wurde und jetzt für die einzig wahre Wahrheit
gehalten wird.
Horrorfilme mit Corona-Content
Ich denke auch manchmal mit Grauen an den Coronapandemie-Content, der in
den nächsten Jahren in Filmen ausbrechen wird: Ein ZDF-Liebesdrama, in dem
eine Endzwanzigerin aus der Stadt in einem Dorf in der Lüneburger Heide bei
ihren entfremdeten Eltern strandet und gezwungen ist, die Pandemie dort
auszusitzen. Erst arbeitet sie gestresst im Homeoffice und ist gemein zu
ihrer Mutter, die ihr Snacks bringen will. Später wird ein
Familiengeheimnis aufgedeckt, es folgt ein Breakdown, die Heldin versucht
trotz Pandemie verzweifelt in die Großstadt zurückzukehren, nur der
ortsansässige Tierarzt, der seine pastellfarbenen Karohemden in Chinohosen
steckt und dazu lederne Slipper trägt, kann sie aufhalten. In der Pandemie
heiraten die beiden.
Oder ein artsy angehauchter Psychofilm, wahlweise mit August Diehl oder
Daniel Brühl: Ein Pärchen ist in einer stylisch heruntergekommenen Berliner
Altbauwohnung zusammengepfercht. Spannungen bauen sich auf, ungeahnte
Schattenseiten treten zutage, am Ende folgt ein spektakulärer Showdown in
den Straßen der ausgestorbenen Stadt. Oder eine Doku, in der Attila
Hildmann reumütig versucht, seine Radikalisierung zu erklären, um sein
veganes Imperium zurückzugewinnen.
Als Strategie gegen Corona-Overload und Bewegungsmangel habe ich während
des strikten Lockdowns angefangen, Pamela-Reif-Fitnessvideos zu folgen: Die
Videos scheinen aus einer futuristischen Girly-Fitnesswelt zu kommen, die
nach zuckerfreiem Wrigley’s-Extra-Bubblemint-Kaugummi riecht, in der
Schweiß nicht existiert und die nichts mit meiner Realität zu tun hat.
Pamela Reif macht die Übungen schnell und scheinbar mühelos vor, und ich
mache sie mühevoll nach und höre irgendwann auf zu denken. Pamela Reif
spricht fast nie, nur manchmal sagt sie Sachen wie „squeeeeeze your
muscles“ oder dass man sich vorstellen soll, man müsse ein Blatt Papier mit
den Pobacken festhalten, wenn man ein Booty-Workout macht.
7 Aug 2020
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## AUTOREN
Annina Bachmeier
## TAGS
Kolumne Berlin viral
Schwerpunkt Coronavirus
Alltag
Fitness
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