| # taz.de -- Jüdisches Forum über Corona-Protest: „Nicht zugänglich für Au… | |
| > Viele Inhalte auf der Corona-Demo waren „klar antisemitisch konnotiert“, | |
| > sagt Levi Salomon vom Jüdischen Forum für Demokratie. | |
| Bild: Corona-Bekämpfung mit der Shoa gleichsetzen: „Hygiene“-Demo am Samst… | |
| taz: Herr Salomon, die Größe des Corona-Protests am Samstag in Berlin hat | |
| viele überrascht. Sie auch? | |
| Levi Salomon: Ja. Ich hatte nicht geglaubt, dass es so viele werden. Es | |
| dürften [1][über 15.000 Menschen] gewesen sein. Und das sind zu viele. | |
| Wer war da auf der Straße? | |
| Es sind zum einen die üblichen Verdächtigen, die wir von den vorigen | |
| Corona-Protesten und „Hygiene“-Demos kennen. Hinzu kamen aber wirkliche | |
| Massen von Menschen aus Baden-Württemberg, viele aus einem esoterischen | |
| Spektrum. Diese Gruppe [2][hat das Geschehen am Samstag] dominiert. Mit | |
| ihnen unterwegs war eine größere Zahl von DemonstrantInnen aus den | |
| ostdeutschen Bundesländern, teils aus dem Kameradschafts- und dem | |
| Reichsbürger-Spektrum. Die RednerInnen auf den Bühnen stammten aus | |
| rechtsoffenen Kreisen. Die Menschen auf diesen Corona-Demos skandieren, sie | |
| seien für „Frieden“ und laufen gleichzeitig zusammen mit bekannten | |
| Rechtsextremen. | |
| Welche waren das zum Beispiel? | |
| Anwesend war etwa der so genannte [3][„Volkslehrer“ Nikolai Nerling], ein | |
| kürzlich aus dem Schuldienst entlassener Shoa-Leugner und Video-Blogger. | |
| Oder Rüdiger Hoffmann, ein verurteilter rechtsextremer Gewaltverbrecher, | |
| der das Reichsbürgerprojekt staatenlos.info betreibt. Die rechtsextreme | |
| Gruppe „Patriotic Opposition“ hatte einen eigenen Lautsprecher-Truck, um | |
| nur drei Beispiele zu nennen. | |
| War die Demo durchgängig antisemitisch? | |
| Nein, das kann man nicht sagen. Es würde wohl kaum einer der Teilnehmer von | |
| sich sagen, er denke antisemitisch. Die meisten würden eher das Gegenteil | |
| von sich behaupten. Aber wir haben sehr viele Inhalte gesehen, die klar | |
| antisemitisch konnotiert waren. | |
| Können Sie ein Beispiel geben? | |
| Die Angriffe auf Angela Merkel und Jens Spahn wegen der Corona-Politik | |
| etwa. Da wird nicht einfach die Politik kritisiert, stattdessen wird | |
| unterstellt, bei den verantwortlichen Politikern handele es sich um | |
| Marionetten, hinter denen Strippenzieher stünden. Diese wollten dem Volk | |
| die Freiheit nehmen und dafür benutzten sie die Politiker. Und wer sind | |
| diese Strippenzieher? Die Zionisten. Das ist der Grundgedanke, auch wenn er | |
| bei einem Teil der Demonstranten nur unbewusst vorhanden sein mag. Das | |
| Problem ist, dass sie nicht zugänglich sind für Aufklärung. Man kann mit | |
| denen kaum ins Gespräch kommen und sie auf ihre Irrtümer aufmerksam machen. | |
| Woran genau scheitert das? | |
| Der häufigste Inhalt auf den Plakaten am Samstag war: „Gib Gates keine | |
| Chance“. Dahinter steckt die Vorstellung, der Milliardär Bill Gates habe | |
| Corona entweder selbst in die Welt gesetzt oder nutze es aus, um Menschen | |
| zwangsweise zu impfen und damit zu unterjochen. Viele Menschen haben sich | |
| mit dieser Verschwörungstheorie lange auseinandergesetzt. Es gab | |
| Faktenchecks dazu und viel sachliche Aufklärung. Trotzdem wurden diese | |
| Plakate am Samstag vielfach getragen. Denn es gibt Menschen, die sich | |
| verschlossen haben. Was nicht passieren darf, ist, dass sie neue Anhänger | |
| für ihre Ideen gewinnen. | |
| Wie sollte die Regierung mit dieser Form der Corona-Kritik umgehen? | |
| Sie darf sich nicht irre machen lassen, so wie auch der Rest der | |
| Gesellschaft nicht. Man darf nicht ängstlich sein und sich einreden lassen, | |
| wir hätten alles falsch gemacht. Nein, wir haben vieles richtig gemacht. | |
| In der Corona-Bekämpfung oder bei der Auseinandersetzung mit | |
| Verschwörungstheorien? | |
| Bei beidem. Für letztes braucht es vor allem Aufklärung für die, die dafür | |
| noch erreichbar sind. Und daran arbeiten ja viele. | |
| Warum kommen dann so so viele Menschen zu einer solchen Kundgebung? | |
| Es gibt immer eine gewisse Anzahl an Menschen, die offen für | |
| Verschwörungstheorien und entsprechend mobilisierbar sind. Es ist nicht | |
| schön, man muss dagegen etwas unternehmen, aber es ist ein Teil der | |
| Gesellschaft. Es ist ein bestimmtes Milieu, das angeblich bürgerlich sei. | |
| Es ist aber nicht bürgerlich. Dieses Spektrum ist immer da, es wird bei | |
| diesen Protesten aber klarer sichtbar. Bei Pegida ist es genau dasselbe. | |
| Wie groß ist dieses Spektrum? | |
| Es ist jedenfalls eine Minderheit. Sie selbst überschätzen sich allerdings | |
| maßlos. Auf der Demo selbst kursierte erst die Zahl von 10.000, dann | |
| 100.000, 800.000 und schließlich haben sie behauptet, es seien 1,3 | |
| Millionen Menschen gekommen. | |
| JournalistInnen haben berichtet, auf der Demo bedrängt worden zu sein, | |
| darunter Sie. Was ist genau geschehen? | |
| Als die Polizei mit der dritten Durchsage die Kundgebung am Nachmittag | |
| aufgelöst wurde, stand ich im Pressebereich. Zwei Ordner haben verlangt, | |
| ich solle Pressebereich verlassen. Dazu hatten sie aber kein Recht, ich | |
| habe das abgelehnt. Sie haben mich körperlich bedrängt, das habe ich auch | |
| aufgenommen. Es war klar: Entweder es kommt zur körperlichen | |
| Auseinandersetzung oder ich muss raus. | |
| 2 Aug 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
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