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# taz.de -- 20.000 demonstrieren in Berlin: Welle der Corona-Leugnung
> So diffus die Proteste gegen die Beschränkungen auch sein mögen: Sie
> einfach als durchgeknallt abzutun ist falsch und gefährlich.
Bild: Schon verstörend: Corona-Leugner berufen sich auf das Grundgesetz
Es ist verlockend, den [1][Aufmarsch von rund 20.000 CoronaleugnerInnen] in
Berlin ins Lächerliche zu ziehen. Ihr Festhalten [2][an einer fantastischen
TeilnehmerInnenzahl von 1,3 Millionen]; der Appell eines Redners an die
Polizei, den Dienst zu verweigern; Plakate mit Schriftzügen wie „Wir sind
die zweite Welle“; der überall zu hörende schwäbische Akzent und die
geduldete Teilnahme von klar erkennbaren Neonazis – all das reicht, um, wie
die SPD-Vorsitzende [3][Saskia Esken twitterte], von „tausenden
#Covidioten“ zu sprechen. Die Proteste derart abzutun wäre indes so falsch
wie gefährlich.
Viele Linke und Berliner Initiativen gegen rechts zeigten sich überrascht
von der leider immer noch ziemlich großen Demonstration. Dabei war die
umfassende Mobilisierung besonders aus Süddeutschland bekannt gewesen; auch
die Polizei hatte mit dieser Größenordnung gerechnet.
Dass sich Tausende einen Tag lang in einen Bus setzen, um zu einem Protest
fahren, zeigt: Wir müssen ihn ernst nehmen, auch wenn das logisch denkenden
und argumentierenden Menschen schwerfallen mag. Irgendwie weiß man zwar,
[4][wogegen die Leute demonstrierten] – aber was ist ihr eigentliches Ziel:
die Rücknahme der Corona-Auflagen? Die Übernahme der Macht in Deutschland?
Einfach Spaß haben und mal auf ’ner Demo mundschutzfrei mit Freunden
tanzen? Das bleibt unklar. Dass zu einem Thema mobilisiert wird, aber
weitgehend ohne konkrete Idee oder Ideologie, dürfte der Grund sind, warum
es letztlich so viele Demonstrierende wurden.
Wahrscheinlich ist es gar nicht so schwer, auch als aufgeklärter und der
Wissenschaft wohlgesonnener Mensch in diese Gruppe abzurutschen.
[5][Genervt sein über den Mund-Nasen-Schutz]; dazu ein gesundes Misstrauen
gegenüber dem Staat oder Frust über eine Steuernachzahlung, und dann
vielleicht eine gute Freundin, die ein bisschen esoterisch drauf ist und
die mensch dann auf eine solche Demo begleitet. Jedenfalls ist es unmöglich
geworden, den Protest – wie weite Teile der Debatte zum Umgang mit Corona –
auf einem Rechts-Links-Schema einzuordnen.
Dem bisweilen durchaus wahnhaft wirkenden Anliegen der Demonstrierenden
muss nun ernst und konsequent begegnet werden. Bei möglichen weiteren
Protesten dieser Art darf es auch nicht wieder vorkommen, dass die freudig
zelebrierte Missachtung der Corona-Auflagen so lange von der Polizei
toleriert wird.
Einiges erinnert an frühe Zeiten der AfD. Auch damals haben viele Linke den
Zulauf zu der anfangs als rechtspopulistisch verharmlosten Partei nicht
verstanden, nicht kapiert, woher das plötzlich artikulierte Unbehagen über
die deutsche Politik rührt, die doch den Wohlstand vieler sichert. Ein
Fehler, den wir jetzt nicht wiederholen sollten.
2 Aug 2020
## LINKS
[1] /Grossprotest-gegen-Corona-Auflagen/!5705170
[2] /Streit-um-Teilnehmerzahlen/!5705203
[3] https://twitter.com/EskenSaskia/status/1289518034621612032
[4] /Entgrenzung-in-der-Coronakrise/!5699678
[5] /Forscher-ueber-Schulstart-in-Coronazeiten/!5699855
## AUTOREN
Bert Schulz
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