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# taz.de -- Die Wahrheit: Blutgrätsche in die Logik
> Der Vorwurf selbst wird in den Medien immer häufiger mit Vorwürfen
> überhäuft, er sei sexistisch oder rassistisch. Ein Solidaritätsaufruf.
Bild: Manche Journalisten schreiben sich die Finger wund mit ihrem hanebüchene…
Niemand bekommt sie gern an den Kopf geworfen: Die Rede ist von Vorwürfen.
Das rechtfertigt aber noch lange nicht das Treiben, dem sie sich in diesen
Tagen ausgesetzt sehen. Was müssen sich unschuldige, bisweilen absolut
notwendige und berechtigte Vorwürfe nicht alles anhören. Rassistisch seien
sie, antisemitisch und bisweilen gar sexistisch. Nachfolgend eine kleine
Auswahl zur Verdeutlichung:
„[1][Lisa Eckhart] weist rassistische Vorwürfe zurück“, schreibt das
Abendblatt. Nanu? Nun sind plötzlich die Vorwürfe rassistisch? Was haben
sie getan? Darf man das überhaupt noch fragen? Darf man noch darauf
bestehen, dass es einen Unterschied zwischen rassistischen Vorwürfen und
Rassismusvorwürfen gibt, der – würde man einen Vorwurf selbst zu Wort
kommen lassen – für diese kein geringer ist? Schließlich ging es doch um
Lisa Eckhart.
Ein Einzelfall? Gewiss nicht. „Es gibt sicherlich auch Einzelfälle, in
denen Menschen von ihrem eigenen Fehlverhalten mit Provokationen ablenken
wollen, das betrifft aber nicht nur rassistische Vorwürfe“, erklärt der
Kassler Polizeipräsident Konrad Stelzenbach in einem Interview mit der
[2][Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA)] und brandmarkt die
Vorwürfe als rassistisch, um sie zugleich als singuläres Ereignis zu
verniedlichen.
Ein weiteres Beispiel: „Rassistische und sexistische Vorwürfe erschüttern
den englischen Fußball“ ([3][sueddeutsche.de]). Diese Vorwürfe mal wieder.
Wir bleiben am Ball, denn im Sportteil, so zeigt sich, scheint man
besonders ruppig mit ihnen umzugehen: „Hertha erhebt rassistische Vorwürfe
gegen Schalkes Fans“ ([4][Westfälischer Anzeiger]). Das ist natürlich ein
starkes Stück, tut man damit immerhin nicht nur den Vorwürfen ein weiteres
Mal ein Unrecht an, nein, auch Hertha BSC kommt in diesem Fall schlechter
weg, als es nötig wäre.
## Ein offensichtliches Foul
Die Vorwurfsschluderei ist dabei sprachlich nicht nur ein offensichtliches
Foul, eine glatte Blutgrätsche in das Standbein der Logik, sie dreht den
Spieß in einer naturgemäß doch recht heiklen Sache auch noch ganz einfach
um. Ausbaden darf es wie immer der kleine Vorwurf von der Straße, und der
Beschuldigte kommt semantisch gesehen (möglicherweise zu Unrecht) davon.
Kein Wunder also, dass Vorwürfen ein schlechtes Image anhaftet. Die Folge:
Rückzug. Sämtliche für diesen Text angefragten Vorwürfe wollten sich nicht
weiter zu den ihnen gegenüber erhobenen Vorwürfen äußern. Zu leichtfertig
ginge man in diesen Tagen mit der Attribuierung von Vorwürfen um. Darin
sind sie sich jedenfalls alle einig.
Daher nun auch dieses dringend notwendige Plädoyer an dieser Stelle: Gehen
Sie behutsam mit Vorwürfen gegenüber Vorwürfen um. Andernfalls könnten sie
uns eines Tages selbst unschöne Vorwürfe machen. Und dann würde es wirklich
kompliziert werden.
14 Aug 2020
## LINKS
[1] /Streit-um-Kabarettistin-Lisa-Eckhart/!5702242
[2] https://www.hna.de/kassel/kassel-polizeipraesident-zu-rassismus-extremismus…
[3] https://www.sueddeutsche.de/sport/england-risse-im-bild-1.3919899
[4] https://www.wa.de/sport/schalke-04/rassismus-schalke-torunarigha-hertha-fan…
## AUTOREN
Fabian Lichter
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Journalismus
Sprachkritik
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Lockdown
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Aldi
Landwirtschaft
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