| # taz.de -- Kulturwirtschaft in Bremen: Prekär, prekärer, Corona | |
| > Eine Studie zeichnet ein fragiles Bild der Bremer Kulturwirtschaft. Seit | |
| > Corona leben viele Künstler*innen und Journalist*innen von Hilfsgeldern. | |
| Bild: Ausgebremste Kultur: Fenster der Bremer Kunsthalle während des Lockdowns… | |
| taz | Bremen | Von etwa 25 Bremer Beschäftigten arbeitet eine*r im Kultur- | |
| und Medienbetrieb. 19.000 Menschen sind das, Schauspieler*innen und | |
| bildende Künstler*innen, aber auch Journalist*innen oder Grafiker*innen. | |
| 2018 erwirtschafteten sie eine Milliarde Euro. | |
| Erheben lassen hat diese Zahlen die Arbeitnehmerkammer Bremen, noch vor | |
| Corona wurde die Studie zu Arbeitsbedingungen in der Branche in Auftrag | |
| gegeben. Am Mittwoch [1][wurden erste Ergebnisse in einer | |
| Online-Veranstaltung vorgestellt], ergänzt um Berichte zur aktuellen Lage. | |
| Prekär, die Studie spricht von „fragil“, waren die Verhältnisse in der | |
| Kulturszene schon immer; nun sind viele Beschäftigte gänzlich auf | |
| Hilfesysteme angewiesen. | |
| „Ab März wurde alles abgesagt“, erzählt die freie darstellende | |
| [2][Künstlerin Uli Baumann] per Videoschalte. „Jegliche Auftritte wurden | |
| storniert, das geht bei mir bis zum Jahresende.“ Sie gehört damit zu den | |
| acht Prozent Künstler*innen, die [3][laut einer Umfrage des | |
| Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft] 2020 Umsatzverluste | |
| zwischen 90 und 100 Prozent erwarten. 85 Prozent gehen von Verlusten | |
| zwischen 25 und 90 Prozent aus. | |
| Was tatsächlich passiert, ist mit gängigen Wirtschaftsstatistiken schwer | |
| abzusehen, Schätzungen gibt es aber. In der Gastronomie gingen die Umsätze | |
| um 75 Prozent zurück. „In der Kultur- und Veranstaltungsbranche ist sie | |
| wohl in ähnlichem Maße eingebrochen“, vermutet einer der beiden | |
| Studienautoren, der Kulturwirtschaftsforscher Michael Söndermann. | |
| ## Landesprogramm hält Künstler*innen über Wasser | |
| Die Aussichten für Künstler*innen, sie wären eher dunkel als düster, wenn | |
| sie sich in dieser Lage allein auf den Bund verlassen müssten; nur 26 | |
| Prozent der Beschäftigten im Bremer Kulturbereich haben vor Corona in | |
| Vollzeit als Angestellte gearbeitet – Kurzarbeitergeld ist damit nur für | |
| etwa ein Viertel der Beschäftigten attraktiv und für viele andere schlicht | |
| nicht ausreichend. | |
| Wer als Selbständige*r, Minijobber*in oder Teilzeitbeschäftigte*r | |
| stattdessen aufs Jobcenter angewiesen wäre, hätte oftmals ein zusätzliches | |
| Problem: „Viele Kulturschaffende haben ihr Geschäftsmodell auf einer | |
| Lebenspartnerschaft aufgebaut“, so Söndermann. Unterstützung vom Jobcenter | |
| bleibt aber aus, wenn Partner*innen genug verdienen. | |
| Die reale Lage in Bremen wird abgefedert; [4][viele Länder haben für ihre | |
| Kulturschaffenden weitergehende Programme] als der Bund aufgelegt, in | |
| Bremen wird die Not über die Künstler-Soforthilfe abgefedert. Seit April | |
| konnten Künstler*innen, verteilt auf zwei Chargen, insgesamt 5.000 Euro für | |
| den Zeitraum bis Ende August beantragen. Ausreichend ist das Geld oft | |
| nicht, Schauspielerin Baumann etwa muss zusätzlich an ihre Reserven: „Vor | |
| Corona habe ich mehr verdient – und die Nebenkosten laufen ja weiter.“ | |
| Unzufrieden ist sie trotzdem nicht: „In anderen Ländern beneidet man uns. | |
| Es hat sich ausgezahlt, dass es in Bremen schon vorher einen engen Dialog | |
| mit der Politik gab.“ Der Bremer Bürgermeister etwa ist traditionell auch | |
| Kultursenator. | |
| Für das Bundesland hatte der [5][Kulturförderbericht schon 2018 Schwächen | |
| der öffentlichen Förderstrategien aufgezeigt], im aktuellen Haushalt wurden | |
| deshalb fünf Millionen Euro mehr für den Kulturetat eingeplant. „Dann kam | |
| Corona“, so Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz, „und wir mussten alles neu | |
| bearbeiten.“ | |
| Eine Branche, die dabei nicht vom Hilfsprogramm profitiert, ist der | |
| Medienbereich. Journalist*innen sind explizit von der Künstler-Soforthilfe | |
| ausgenommen. Dabei trifft Corona viele von ihnen, das zeigt auch die | |
| Arbeitnehmerkammer-Studie, in einer ohnehin fragilen Lage. | |
| 3.257 Menschen arbeiten im Bremer Pressemarkt. Auch wenn knapp die Hälfte | |
| davon nur Minijobs haben (46 Prozent – viele von ihnen sind vermutlich | |
| Zeitungsausträger*innen), ist die Bedeutung der Branche groß. Innerhalb der | |
| Kultur- und Kreativwirtschaft bietet sie die zweitmeisten Jobs – die Studie | |
| legt wohl auch deshalb einen Schwerpunkt auf diesen Sektor. | |
| Die Branche steckt tief in der Krise. Die Ursachen sind bekannt: | |
| Anzeigeneinnahmen sinken und Leser*innen zahlen online meist weniger | |
| bereitwillig. In der Folge wird Personal eingespart, der Arbeitsdruck | |
| lastet auf immer weniger Schultern. | |
| In Bremer Zeitungsverlagen ist von 2010 bis 2018 das Personal in allen | |
| Beschäftigungsformen gesunken, Vollzeitstellen haben um 7,9 Prozent | |
| abgenommen (und machen nun 21 Prozent der Beschäftigten dort aus), | |
| Teilzeitstellen sind um 28,9 Prozent gesunken (auf 18 Prozent aller | |
| Beschäftigten). Die Zahl der kurzfristig Beschäftigten, viele von Ihnen | |
| freie Mitarbeiter, ist gar um 76 Prozent gesunken; sie machen nun noch 15 | |
| Prozent der Beschäftigten in Zeitungsverlagen aus. | |
| Besonders diese Freien sind durch Corona existenziell gefährdet: Viele | |
| Auftraggeber fallen ganz weg. Denn Unternehmen, die wie der Weser-Kurier | |
| Kurzarbeit für Ihre Mitarbeiter*innen angemeldet haben, dürfen nicht | |
| nebenher Freie beschäftigen. Von durchschnittlich 2.470 Euro ist das | |
| Einkommen freier Journalist*innen auf 780 Euro gesunken, zeigt eine Umfrage | |
| des Deutschen Journalisten-Verbandes vom Mai 2020. | |
| Die Künstler-Soforthilfen sollen in Bremen in den Herbst hinein verlängert | |
| werden, das sagt Emigholz im Online-Podium zu. Eventuell könnte es dann | |
| auch Hilfe für darbende Journalist*innen geben: „Ich habe kein Problem | |
| damit, Journalisten zu fördern“, so die Kulturstaatsrätin. | |
| Für Baumann wäre noch etwas anderes wichtig: Die [6][Rettung von Clubs] und | |
| anderen Veranstaltungsorten. Deren Zukunft hängt eng mit ihrer eigenen | |
| zusammen. „Der Kunst- und Kulturmarkt ist eine stark verzweigte Kette“, | |
| betont Söndermann. Wo ein Akteur wegbricht, könne ein ganzes Kartenhaus | |
| zusammenfallen. | |
| 14 Aug 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://nextmoderator.net/4F232A1F3A2F1002A121F2M2515T211FA34TTAT5AATMAMTM/… | |
| [2] /Was-anders-ist-Es-betrifft-alle-gleichzeitig/!5668742/ | |
| [3] https://www.kulturrat.de/wp-content/uploads/2020/05/200527_Verba%CC%88ndeum… | |
| [4] /Coronahilfen-fuer-freie-Kuenstler/!5679901/ | |
| [5] /Mehr-Kohle-fuer-die-Kunst/!5557368/ | |
| [6] /Clubs-in-der-Coronakrise/!5701611/ | |
| ## AUTOREN | |
| Lotta Drügemöller | |
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