# taz.de -- Methan-Emissionen steigen an: Lasst den Rinderwahnsinn | |
> Der Ausstoß des Treibhausgases Methan wächst dramatisch. Ein Großteil ist | |
> menschengemacht, unter anderem durch die Viehzucht. | |
Bild: Wer hat gepupst? Na, die hier | |
BERLIN taz | Methan ist ein etwas rätselhaftes Treibhausgas. Nach mehr als | |
einem Jahrzehnt der Stagnation steigen seine Emissionen seit 2007 wieder | |
rapide – ohne dass die Wissenschaft ganz präzise sagen könnte, woher das | |
kommt. Das ist ein Problem, obwohl Methan in der Atmosphäre immer noch viel | |
seltener ist als Kohlendioxid und außerdem schneller abgebaut wird. Ein | |
Molekül Methan heizt die Erde nämlich über einen Zeitraum von 100 Jahren | |
28-mal so stark auf wie ein Molekül CO2. | |
Das [1][“Global Carbon Project“] bringt nun ein bisschen mehr Licht ins | |
Dunkel. In zwei Studien hat die Vereinigung von Klimawissenschaftler:innen | |
verschiedener Forschungsstellen weltweit neue Ergebnisse vorgestellt, am | |
heutigen Mittwoch erschienen in den Fachmagazinen Earth System Science Data | |
und Environmental Research Letters. | |
Die schlechte Nachricht vorweg: Die Emissionen liegen auf einem Rekordhoch. | |
„Methan ist für 23 Prozent der globalen Erwärmung durch Treibhausgase | |
verantwortlich“, warnt Pep Canadell von der australischen Forschungsbehörde | |
Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation. | |
2017 gelangten knapp 600 Millionen Tonnen Methan in die Erdatmosphäre. | |
Schätzungen zufolge ist der Trend auch 2018 und 2019 nicht abgerissen. | |
Gegenüber dem jährlichen Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2006 habe sich der | |
jährliche Ausstoß um rund 50 Millionen Tonnen erhöht, heißt es in der | |
Studie. Das entspricht einem Zuwachs von neun Prozent. Die Konzentration | |
von Methan in der Luft sei jetzt rund 2,5-mal so groß wie vor der | |
Industrialisierung. | |
## Genug Methan für vier Grad Erderhitzung | |
Diese Werte sind laut „Global Carbon Project“ nicht im Einklang mit dem, | |
was die Welt sich mit dem Paris-Abkommen vorgenommen hat, nämlich die | |
Erderhitzung möglichst bei 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten zu | |
begrenzen. Stattdessen passen sie zu einem pessimistischeren Szenario des | |
Weltklimarats, das auf eine rund vier Grad wärmere Erde hinausläuft. | |
Jenseits der 1,5 Grad wird es immer wahrscheinlicher, dass Kippelemente im | |
Erdsystem aktiviert werden, die die Klimakrise weiter befeuern – unter | |
anderem durch das Freisetzen von noch mehr Methan, das momentan im | |
Permafrost gebunden ist. Taut dieser bislang dauerhaft gefrorene Boden auf, | |
kann das hochwirksame Treibhausgas in die Atmosphäre steigen. | |
Dass der aktuelle Methan-Zuwachs schon auf diesen Prozess zurückzuführen | |
ist – immerhin hat sich die Erde bereits um mehr als ein Grad erwärmt –, | |
konnten die Wissenschaftler:innen nicht feststellen. Trotzdem stammten der | |
Studie zufolge mehr als 60 Prozent der Methan-Emissionen von 2017 aus der | |
menschlichen Wirtschaft, nicht einfach aus der Natur. | |
Dass es so schwer ist, die Herkunft von Methan in der Atmosphäre | |
festzustellen, liegt an dessen diffusen Quellen. Anders als Kohlendioxid | |
kommt es nicht größtenteils aus leicht bestimmbaren Quellen wie | |
Schornsteinen und Auspuffen. Es entweicht zum Beispiel aus Sümpfen, | |
Vulkanen, Rindermägen, Reisfeldern, Gasfeldern, Deponien und | |
Pipeline-Lecks. | |
Den Studienautor:innen haben mehrere Berechnungsmethoden kombiniert. Ihnen | |
zufolge ist der massive Anstieg der Methan-Emissionen in den vergangenen | |
Jahren vor allem auf die fossile Energiegewinnung, die Viehzucht und | |
Deponien zurückzuführen. | |
## Vorbild Europa | |
Drei Weltregionen verzeichneten einen besonders starken Anstieg beim | |
Methan-Ausstoß: Afrika sowie der Nahe Osten, China sowie Südasien und | |
Ozeanien. Haupttreiber sind dort vor allem die Nutzung fossiler Brennstoffe | |
und die Viehzucht. | |
Auch die USA tragen zu der Emissionssteigerung bei. Quell des Übels ist | |
dort vor allem die Förderung und der Transport von Erdgas. | |
Europa scheint laut der Studie die einzige Region zu sein, in der die | |
Methanemissionen zurückgegangen sind. „Politische Richtlinien und ein | |
besseres Management haben die Emissionen aus Deponien, Gülle und anderen | |
Methan-Quellen hier in Europa reduziert“, meint Marielle Saunois von der | |
französischen Université de Versailles Saint-Quentin. „Außerdem essen die | |
Menschen weniger Rindfleisch und mehr Geflügel und Fisch.“ | |
Die Haltung von Rindern und anderen Wiederkäuern verursacht fast so viel | |
Methan wie die fossile Industrie, zeigt die Studie. Rob Jackson von der | |
US-amerikanischen Stanford University warnt davor, diese Methan-Quelle zu | |
unterschätzen. „Die Leute witzeln über rülpsende Kühe, ohne zu merken, wie | |
große die Quelle eigentlich ist“, sagt er. | |
Bei den Kohlendioxid-Emissionen gab es infolge des Corona-Lockdowns | |
zwischenzeitlich Emissionseinsparungen. Das Global Carbon Project hatte | |
sich [2][im Frühjahr auch diese angeguckt]. Anfang April lag der | |
CO2-Ausstoß demnach im weltweiten Schnitt um 17 Prozent unter dem 2019er | |
Niveau – schon zwei Monate später war er der Effekt allerdings fast wieder | |
verpufft. | |
Dass es für Methan auch nur eine kleine Delle geben wird, hält Jackson für | |
unwahrscheinlich, weil die fraglichen Wirtschaftszweige kaum betroffen | |
seien. „Immerhin heizen wir noch unsere Häuser und Gebäude und die | |
Landwirtschaft wächst weiter.“ | |
15 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.globalcarbonproject.org/ | |
[2] /Pandemie-und-Emissionen/!5676268 | |
## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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