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# taz.de -- Ökologische Landwirtschaft: Neue Power auf dem Acker
> Das Netzwerk „Ackercrowd“ will Bauern mit Geld und Beratung beim Umbau
> ihrer Höfe unterstützen.
Bild: Ökofeld in Brandenburg
Zum Beispiel Christian Warnke: Seit 1990 bewirtschaften seine Familie und
25 Mitarbeiter*innen einen Biohof in Cobbel bei Tangermünde – eine
ehemalige LPG mit 2.000 Hektar Land. Sie bauen zwanzig verschiedene
Kulturen an, auch eine Mutterkuhherde und andere Tiere gehören zum Hof. Der
Boden ist sandig, die letzten vier Jahre hat es extrem wenig geregnet.
Auch die früher regelmäßigen Winterhochwasser der Elbe sind ausgeblieben,
die sonst Teile des Lands überschwemmt haben. „Die natürliche Fruchtbarkeit
liegt bei 25 von 100 Bodenpunkten – da muss man sich schon was einfallen
lassen“, sagt der 44-jährige Bauer.
Um die Fruchtbarkeit zu steigern, setzen er und seine Crew auf wechselnde
Fruchtfolgen und Luzerne als Gründüngung. Die tief wurzelnden Pflanzen
bringen neben Stickstoff auch CO2 unter die Erde und erhöhen die Fähigkeit
des Bodens, Wasser zu speichern. Außerdem dienen sie den ständig draußen
lebenden Rindern als Futter. So gelingt es nach und nach, den Humusgehalt
der Erde zu verbessern. Damit der Boden nicht vom Wind weggetragen wird,
will Warnke Hecken anlegen, die Beeren und Nüsse liefern. „Darin leben
außerdem Vögel – und die fressen die Schädlinge,“ beschreibt er ein
weiteres Element seiner Ökolandwirtschaft.
Im Frühjahr wurden auf Warnkes Hof bereits 800 Meter Sträucher und Bäume
als Kompensationsmaßnahme gepflanzt. Nun will er 40 Hektar als Versuchs-
und Demonstrationsfläche der Ackercrowd zur Verfügung stellen. Auf einem
Drittel davon sollen vielfältige Gehölze wachsen, die die Felder
parzellieren. Sie liefern Nahrungsmittel und schützen vor Erosion.
Dazwischen will Warnke Gemüse und Getreide anbauen – und jedes Feld wird
alle paar Jahre auch als Weide genutzt, damit sich der Boden erholen kann.
„Ich finde es gut, dass die Ackercrowd einfach vorangeht, um der Politik zu
zeigen, wie es gehen kann“, sagt der Bauer, der früher mal Physik und
Geschichte studiert hat. Sobald genügend Geld durch die Sammelkampagne bei
Betterplace eingetroffen ist, kann es in Cobbel losgehen.
## Netzwerk im Aufbau
Alle, die umweltschädliche Landwirtschaft satthaben, können jetzt auf diese
Weise aktiv werden. Die Ackercrowd sammelt nicht nur Geld, damit sich
landwirtschaftliche Pionierbetriebe dem Klimawandel anpassen und
Agroforstsysteme – ein Landwirtschaftsprinzip, das Forst und
Agrarwirtschaft wegen Erosionsfragen und Artenvielfalt zusammendenkt –
aufbauen können. Das Netzwerk sucht auch vielfältige Mitstreiter*innen, die
die Organisation weiterentwickeln und auf den Feldern helfen.
Frank Nadler ist Mitinitiator des Projekts und zugleich ein Sprecher des
Berliner Ernährungsrats. „Viele Höfe sind offen für einen Umbau, aber ihnen
fehlt das Geld und oft auch das notwendige Wissen“, fasst er zusammen.
Diese Lücken will die Ackercrowd schließen. Ziel ist es, Bauern die
Umgestaltung ihrer Flächen zu ermöglichen, damit sie anschließend gut von
einer kleinteiligeren, vielfältigen und umweltfreundlichen Produktion leben
können. „Es ist wichtig, jetzt loszulaufen. Wir werden auf dem Weg viel
lernen und auch Rückschläge erleiden“, prognostiziert Nadler.
Nur für die Anschubphase sucht das Netzwerk private Spender*innen.
Langfristig soll die Aufwertung der landwirtschaftlichen Flächen durch zwei
staatliche Instrumente finanziert werden: Kompensationsmaßnahmen und
Zertifikate. Wer für ein Gebäude, eine Straße oder ein Kieswerk Bäume
fällt, eine Wiese zerstört oder das Grundwasser umleitet, muss anderswo
einen gleichwertigen Ausgleich schaffen – und dabei geht es oft um viel
Geld. Häufig aber fehlen geeignete Flächen, auf denen ein hochwertiger
Ausgleich entstehen kann. Genau die können die mit der Ackercrowd
kooperierenden Landwirte zur Verfügung stellen.
## Gut vereinbar
Auch Landwirt Frank Wesemann vom Ökohof Waldgarten in der Ostpriegnitz
gehört zum Netzwerk. Er betreibt eine solidarische Landwirtschaft und hat
schon viel Erfahrung mit der Kombination von fruchttragenden Sträuchern,
Obst- und Nussbäumen, schattenverträglichem Gemüse und essbaren
Bodendeckern.
Nicht nur der Hof Waldgarten, sondern auch wissenschaftliche Studien
zeigen, dass sich Landwirtschaft und Naturschutz gut vereinbaren lassen und
mit einer solchen Produktionsweise ausreichend Lebensmittel zu erzeugen
sind.
Bei der SoLaWi-Hauptversammlung im vergangenen Herbst hat Sophia Jestaedt
von der Ackercrowd gehört – seither gehört auch sie zum Team. Die
27-jährige Sozialpädagogion kümmert sich nicht nur darum, die Idee in den
sozialen Medien zu verbreiten. Jestaedt ist so fasziniert von dem Projekt,
dass sie sich für eine Ausbildung im Gemüseanbau entschieden hat. „Es geht
um Freude und Sinn. Ich möchte für den Naturschutz und eine zukunftsfähige
Landwirtschaft arbeiten und mit dafür sorgen, dass Menschen
Selbstwirksamkeit erfahren.“
Weil die Ackercrowd-Strukturen noch im Aufbau seien, fänden neue Leute viel
Gestaltungsspielraum, wirbt die 27-Jährige voller Begeisterung. Zugleich
verfüge das Netzwerk aber auch schon über gute Ressourcen: „Es gibt viel
Wissen über regenerative Landwirtschaft, wir haben ein Netz von Beratern
und von interessierten Bauern. Was noch fehlt, ist Geld, um stabile
Strukturen aufzubauen.“
29 Jul 2020
## AUTOREN
Annette Jensen
## TAGS
Landwirtschaft
Brandenburg
Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft
Ernährung
Schwerpunkt Klimawandel
Gärtnern
Sommer vorm Balkon
Schwerpunkt Klimawandel
Biofach
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