| # taz.de -- taz-Sommerserie: „Sommer vorm Balkon“: Ein botanisches Labor | |
| > Der Botanische Volkspark in Pankow war einst ein Schulgarten. Jetzt soll | |
| > er wieder ein Ort für Umweltbildung werden. | |
| Bild: Die Tropenhäuser im Volkspark sollen einmal ein Lehrgarten für tropisch… | |
| Berlin taz | Am Nordrand der Stadt, kurz vor dem Tegeler Fließ und der | |
| Stadtrandsiedlung Blankenfelde, liegt ein grünes Kleinod, das vielen | |
| BerlinerInnen nicht mal dem Namen nach bekannt dürfte: der Botanische | |
| Volkspark. | |
| An einem sonnigen Vormittag steht die Parkleiterin Isabel Keil vor einem | |
| Übersichtsschild beim Haupteingang und erklärt die orthogonale Struktur des | |
| 34 Hektar großen Parks: Mit der rechten Hand fährt sie die gezeichnete | |
| Hauptachse entlang, von der im rechten Winkel Wege abgehen. „Im 19. | |
| Jahrhundert waren das Rieselfelder. Aber weil wir hier auf einer riesigen | |
| Tonlinse sitzen, floss das Wasser nicht gut ab“, beginnt die studierte | |
| Architektin und leidenschaftliche Landschaftsgärtnerin. Nach zehn Jahren | |
| habe man das Projekt daher beendet. | |
| Anfang des 20. Jahrhunderts, fährt Keil fort, entwarf Berlins | |
| Gartendirektor Albert Brodersen dann diesen Park – für die Schulgärten aus | |
| Wedding. „Die mussten weg, weil dort die AEG-Hallen gebaut wurden. Alles | |
| wurde umgesiedelt: die alten Gewächshäuser und die Geologische Wand, die | |
| heute das älteste Element in diesem Park ist, ein Riesenschatz, von dem nur | |
| wenige wissen.“ | |
| Dann geht es los auf dem mit Staudenrabatten gesäumten Hauptweg in Richtung | |
| Gewächshäuser, und Keil erzählt weiter. „Damals wurde auch ein Parkwald | |
| angelegt, ein künstlicher Wald mit den Pflanzengesellschaften der Mark | |
| Brandenburg, also vielen Buchen und Eichen. Sie haben sogar die | |
| Krautschichten aus der Mark hierher gebracht. Alles wegen der | |
| Bildungsidee!“ Denn dies, so Keil, war von Beginn an der Zweck des | |
| Schulgartens: die Stadtkinder in Sachen Natur und Landwirtschaft zu bilden. | |
| „Sie hatten hier alles: tropische Pflanzen in den Gewächshäusern, sie haben | |
| Gemüse und Blumen pikiert, Kartoffeln gepflanzt, über Landwirtschaft | |
| gelernt.“ Zu diesem Ursprung möchte Keil zurückkehren: Der Park soll ein | |
| zentraler Bildungsstandort für Kinder werden. | |
| ## Hier gibt es Schätze zu bergen | |
| Aber woher der Name? Die Humboldt-Uni, die den Park Mitte der 70er Jahren | |
| übernahm, erzählt Keil, wollte – wie ihr Pendant in Westberlin – einen | |
| eigenen Botanischen Garten haben. Die Botaniker legten ein Arboretum an, | |
| eine Sammlung von Gehölzen, „der kleine Bruder vom Späth’schen Arboretum�… | |
| am Baumschulenweg, so Keil. „Auch so ein Schatz, den wir noch richtig | |
| aufwerten möchten.“ Und sie begannen in den alten Gewächshäusern Forschung | |
| zu betreiben. Nach der Wende wurde diese allerdings eingestellt | |
| beziehungsweise nach Dahlem zum großen Westbruder umgezogen. „Zum Glück | |
| wurde all das hier unter Denkmalschutz gestellt, die Struktur ist ja noch | |
| so vorhanden wie früher. Seitdem ist es eine öffentliche Grünanlage.“ | |
| Die Gewächshäuser wurden 2010 komplett saniert und sehen wie neu aus. | |
| Allerdings gibt es nicht allzu viele Pflanzen darin. Im Mittelhaus der | |
| Schaugewächshäuser hat seit zehn Jahren ein Café Platz gefunden, das an den | |
| Wochenenden geöffnet hat. „Es ist schön hier“, findet Keil, „allerdings | |
| fehlen hier noch mehr interessante Pflanzen.“ | |
| Für ihren neuen Bildungsstandort möchte sie in den Gewächshäusern eine | |
| Sammlung von tropischen Nutzpflanzen anlegen. Ein paar gibt es schon: eine | |
| Bananenstaude, einen Kakaobaum, Tamarinde, Mandel, Papaya. Andere sucht | |
| Keil noch. „Ich möchte gern eine Ölpalme haben, aber die sind schwierig zu | |
| finden.“ Für die Palme hat sie Kontakte bis nach Miami/Florida geknüpft, | |
| bisher ohne Ergebnis. | |
| Eine Besonderheit aus DDR-Zeiten gibt es noch im Kakteenhaus: die „Königin | |
| der Nacht“, eine kakteenartige Schlingplanze, deren Blüten nur in der Nacht | |
| aufgehen – und jede Blüte nur für eine Nacht. Normalerweise machen Keil und | |
| ihre Leute im Sommer um die Pflanze eine Abend-Nacht-Veranstaltung, damit | |
| die Menschen die Königin bewundern können, die nach Vanille riecht, wie | |
| Keil schwärmt. Dieses Jahr kam Corona dazwischen. | |
| ## Partner wie der „Weltacker“ | |
| Auf dem Weg von den Gewächshäusern zur Geologischen Wand dreht sich das | |
| Gespräch weiter um die Bildungsidee. Keil erzählt: „Wir haben heute | |
| natürlich andere Probleme als vor hundert Jahren. Damals war es wichtig, | |
| die Kinder an die Natur heranzuführen. Das müssen wir heute zwar auch, | |
| viele Kinder und Erwachsene haben kaum noch Naturkontakt. Aber wir müssen | |
| auch über Dinge wie Bodenschutz und Ernährung reden. Oder über Klimaschutz: | |
| Was wird aus unseren Kulturpflanzen? Wie werden wir Tiere halten? All diese | |
| Themen wollen wir hier künftig abbilden.“ | |
| Keil bleibt stehen, zeigt den Weg hinunter, wo der Wald beginnt. „Von hier | |
| aus, der alten Hauptachse des Parks, konnte man früher genau auf den | |
| Kirchturm von Rosenthal schauen. Heute wird er von den Bäumen verdeckt.“ | |
| Auf dem ersten Stück des Hauptwegs, erklärt sie, wurde der Park eher | |
| repräsentativ gestaltet – mit Rabatten, breiten Wegen, den Gewächshäusern | |
| –, „weiter hinten wird es immer natürlicher mit Wiesen, Teichen, | |
| Obstalleen.“ | |
| All dies zu pflegen und weiterzuentwickeln ist nicht einfach für Keil, die | |
| seit zehn Jahren im Park arbeitet und ihn seit 2016 leitet. Betreiberin des | |
| Parks ist die Grün Berlin GmbH, eine landeseigene Gesellschaft, die | |
| verschiedene Parks managt, etwa das Tempelhofer Feld und den | |
| Gleisdreieckpark. Für die Grundpflege beschäftigt Keil zehn | |
| MitarbeiterInnen einer Behindertenwerkstatt, die spezielle Pflege der | |
| tropischen Pflanzen und Rabatten macht eine private Gärtnerei, mit der die | |
| Chefin sehr zufrieden ist: „Die beiden Gärtner sind in England ausgebildet | |
| und Spezialisten für Stauden und Tropenpflanzen. Das ist Goldstandard, was | |
| sie hier machen.“ Darum hat Keil schon jetzt ein bisschen Angst, sie zu | |
| verlieren, denn alle vier Jahre endet der Vertrag und wird neu | |
| ausgeschrieben – natürlich mit ungewissem Ausgang. | |
| Für alles andere, was Keil mit dem Park vorhat, auch ihr Bildungsprojekt, | |
| muss sie externe Partner finden. „Ohne die würde hier nicht viel laufen.“ | |
| Die Partner müssen nur eine Voraussetzung erfüllen: ökologische | |
| Bewirtschaftung. | |
| ## Drei-Felder-Wirtschaft zum Angucken | |
| Ein privater Imker zum Beispiel betreibt im Park „wesensgemäße | |
| Bienenhaltung“ und gibt dazu Kurse für Interessierte. Im „Bauerngarten“ | |
| bietet der gelernte Biobauer Max von Grafenstein Samen, Jungpflanzen und | |
| Hilfe an für BerlinerInnen, die von ihm ein Tortenstück pachten und ihr | |
| Gemüse selbst ernten. Es gibt den [1][„Weltacker“, ein Bildungsprojekt der | |
| Zukunftsstiftung Landwirtschaft,] das 2017 bei der IGA in Marzahn begann | |
| und exemplarisch zeigt, was man auf 2.000 Quadratmetern anbauen kann – | |
| diese Fläche steht rechnerisch jedem Menschen auf der Welt zur Verfügung. | |
| „Sie machen sehr viel Bildungsarbeit, die wir gar nicht bezahlen könnten“, | |
| sagt Keil. Das ist der Deal: Keil gibt das Land, die Partner geben den | |
| Inhalt. | |
| So läuft es auch bei der „richtigen“ Dreifelderwirtschaft im Park, die | |
| ebenfalls der „Bauerngärtner“ Grafenstein übernommen hat. „Damit möcht… | |
| wir zeigen, wie Landwirtschaft geht, ohne dass der Boden leidet. Auf jedem | |
| Feld pflanzen wir in einem Jahr Getreide, im nächsten Feldfrüchte oder | |
| Ölfrüchte, im dritten lassen wir es brachliegen beziehungsweise machen eine | |
| Gründüngung“, erklärt Keil. Was bitte ist Gründüngung? „Das sind spezi… | |
| Pflanzen, die dem Boden neue Nährstoffe geben. Wir pflanzen hier eine | |
| Mischung namens Landsberger Gemenge, die zugleich als Winterfutter den | |
| Schafe dient.“ | |
| Die Schafe sind natürlich auch ein Partnerprojekt, der Schäfer kommt aus | |
| dem nahen Blankenfelde. Keil: „Die Schafe sind ihm regelmäßig abgehauen und | |
| haben die Blankenfelder Chaussee blockiert. Deswegen haben wir gedacht, | |
| hier ist es sicherer, wir haben Zäune. Außerdem fanden wir es gut, unsere | |
| Wiesenpflege zu erweitern, gemäht werden muss ja auch. So haben wir dem | |
| Schäfer unsere Wiesen angeboten.“ | |
| Auf den Feldern haben sie dieses Jahr Kürbis und Sonnenblumen gepflanzt, | |
| wenn Erntezeit ist, kann jeder kommen und etwas mitnehmen. Kartoffeln gibt | |
| es – anders als sonst – nicht, weil die GärtnerInnen zu lange in Quarantä… | |
| waren und so die Pflanzen nicht häufeln konnten. | |
| ## An der Wand fehlt die Lausitz | |
| Angekommen an der 30 Meter langen Geologischen Wand gibt sich Keil | |
| bescheiden. Sie könne zu deren Bedeutung nur „nachplappern“, was ihr „un… | |
| Partner“ erzählt habe – in diesem Fall die Bundesanstalt für Geologie und | |
| Rohstoffe. „Die Wand ist eine Gesteinssammlung, an der man die geologische | |
| Entwicklung verschiedener Regionen Mitteleuropas seit dem Holozän ablesen | |
| kann.“ Sie zeigt auf eine Kaltschicht, wo man mit Fantasie ein paar | |
| Ammoniten sehen kann. „Jede Schicht spricht für eine Zeit“, erklärt sie u… | |
| weist auf Muschelkalk, eisenhaltiges rotes Gestein und eine Stelle, wo das | |
| Gestein eine „Falte“ darstellt, wie sie durch vulkanische Verwerfungen | |
| entstehen. | |
| „Beim Umzug von Wedding hierher ist übrigens die Lausitz verloren | |
| gegangen“, lacht Keil. Ersetzt wurde es durch Sandstein aus dem | |
| Elbsandsteingebirge. „Aber eigentlich fehlt uns die Lausitz“, sagt sie, nun | |
| wieder ernst. „Wir versuchen jemanden zu finden, der uns eine neue | |
| finanzieren könnte.“ Aber auch so ist die Geologische Wand sichtlich eine | |
| Besonderheit – und seit 2018 als solche anerkannt: Da wurde sie in die | |
| Liste der Nationalen Geotope, der bedeutendsten Geotope Deutschlands, | |
| aufgenommen. | |
| Weiter geht es Richtung Norden, vorbei an Wiesen, einem Karpfenteich, auf | |
| einen kleinen Wald zu. Dem Weg quer durch einen Bach können wir nicht | |
| folgen, weil sich in der Nähe eine Wasserhühnerfamilie an Entengrütze labt, | |
| sodass wir rücksichtsvoll einen Umweg machen. Der Bach, erklärt Keil, „ist | |
| ein stilles Gewässer, Teil eines Grabensystems aus der Berieselungszeit“ – | |
| ebenso wie der Karpfenteich – und verbindet zwei Teiche. Weil er kaum | |
| Fließgeschwindigkeit hat, bildet sich die Entengrütze. Auf dem Weg Richtung | |
| Dammwildgehege Obstalleen, zurück reden wir über die Zukunft. | |
| Für die Entwicklung der Gewächshäuser, erklärt Keil, brauchen sie noch ein | |
| „richtiges Konzept“. Letztes Jahr haben sie von Landschaftsarchitekten | |
| einen Entwurf erstellen lassen, wie der Standort für Umweltbildung | |
| entwickelt werden könnte. Der Bezirk Pankow hat schon zugestimmt, sagt | |
| Keil, jetzt braucht es noch Gutachten zu Verkehrsverbindungen, | |
| Denkmalschutz. „Ich hoffe, dass wir in einem Jahr weiter sind.“ Ob ihr | |
| Traum eines Tages wahr wird, wagt sie noch nicht zu prophezeien. „Dieser | |
| Park ist meine Lebensaufgabe.“ | |
| 13 Jul 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Internationale-Gartenausstellung/!5434072&s=Weltacker+Berlin/ | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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