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# taz.de -- Grüne für Non-Profit-Journalismus: Her mit dem Gemeinnutz
> In den USA ist gemeinnütziger Journalismus längst Realität, in
> Deutschland fehlt eine gesetzliche Grundlage. Ein neuer Vorstoß kommt von
> den Grünen.
Bild: Diskussionsrunde mit „Correctiv“, den Pionieren gemeinnütziger Reche…
Journalismus ist ein paradoxes Geschäft. Einerseits verzeichnen gerade in
den Zeiten der Coronapandemie fast alle Medien ein deutlich gestiegenes
Interesse und eine entsprechend häufigere Nutzung ihrer Inhalte.
Andererseits sind die Werbeeinnahmen eingebrochen und Expert*innen sagen
keine baldige Erholung voraus. Die Zahlungsmoral für Onlineinhalte steigt
zwar. Aber nicht in dem Maße, dass das bei den Zeitungen den Abo-Rückgang
der Printauflagen annähernd ausgleichen könnte. Die im Bereich
Regionalpresse bestens verdrahtete Beratungsfirma Schickler warnt, in den
kommenden fünf Jahren seien 40 Prozent der heute noch erscheinenden
Lokalteile gefährdet.
Dass Journalismus kein Fall für die rote Liste der ums Überleben kämpfenden
Berufe werden darf, spricht sich mittlerweile auch in der Politik rum.
Zahlreiche Bundesländer haben im Rahmen ihrer Coronahilfspakete auch
Förderprogramme für Medien vorgesehen. Der [1][Bund spendiert in den
kommenden Jahren 220 Millionen Euro, um Medienvielfalt] und -verbreitung
sicher zu stellen.
Die Grünen gehen jetzt noch einen Schritt weiter und haben im Bundestag
einen Antrag eingebracht, um Non-Profit-Journalismus in Deutschland endlich
als gemeinnützig anzuerkennen. Die Debatte, ob zukünftig neben e-Sports und
freiem WLAN – von schon lange als gemeinnützig anerkannten systemrelevanten
Dingen wie Modellflug oder Turnierbridge ganz zu schweigen – auch bestimmte
journalistische Spielarten als steuerbegünstigt eingestuft werden sollten,
ist nicht eben neu.
Die Coronakrise sorgt jetzt für neuen Schub. Denn sie hat – so heißt es
jetzt im [2][als Drucksache 19/20790 eingebrachten Antrag] – „die
strukturelle Unterfinanzierung des Journalismus besonders sichtbar
gemacht“. So werde unbestreitbar deutlich, „wie krisenanfällig der
gewinnorientierte Journalismus ist“. Non-Profit-Medien sollen dabei
niemandem Konkurrenz machen, sondern vielmehr „neben den etablierten
öffentlich-rechtlichen und privaten Medien zu einer wichtigen Säule für die
Medienvielfalt und die mediale Grundversorgung werden“. Unabhängig von der
Diskussion um mehr Vielfalt im Bereich der gewinnorientiert arbeitenden
privaten Medien sei es deshalb dringend geboten, den
Non-Profit-Journalismus stärker in den Blick zu nehmen.
## USA als Vorbild
Eile ist geboten, denn die Abgabeordnung, in der das Bundesministerium der
Finanzen und die Finanzministerien der Länder regeln, was gemeinnützig ist
und was nicht, wird gerade neu gefasst. Mit der geplanten Reform des
Gemeinnützigkeitsrechts biete sich nun die seltene Chance, „die wichtige
Funktion des Journalismus für unsere Demokratie steuerrechtlich
anzuerkennen“, so die Grünen.
Dabei hinkt die Entwicklung in Deutschland hinterher. Ausgerechnet in den
USA, dem Land des wohl liberalsten Kapitalismus weltweit, gehören „Not for
Profit“-Medien seit über 100 Jahren dazu. Nachdem die US-Steuerbehörden
ihre Anerkennungspraxis in den letzten Jahren gelockert haben, gibt es eine
förmliche Non-Profit-Welle im Medienbereich. Die Vorteile liegen auf der
Hand: Die Unternehmen sind überwiegend von der Steuerlast befreit. Außerdem
dürfen sie Spenden und Zuwendungen von Stiftungen oder Einzelpersonen
annehmen, die diese dann wiederum steuerlich geltend machen können.
Magazine wie Mother Jones oder lokale Angebote wie The Chicago Reporter
gibt es seit den 1970er Jahren.
In jüngster Zeit sind in vielen Städten, in denen die Medienkrise
klassische Medienhäuser in die Knie zwang, [3][gemeinnützige
Onlinezeitungen wie die Texas Tribune (Austin)], die Voice of San Diego
oder die MinnPost (Minneapolis) entstanden. Auch ProPublica und andere
Recherche- bzw. Investigativjournalismus-Redaktionen und Organisationen wie
das International Consortium of Investigative Journalists haben
gemeinnützigen Status.
Jetzt ist auch in Deutschland vorsichtiges Hoffen angesagt. Denn
hierzulande hat sich eine nicht ganz alltägliche Koalition für den
gemeinnützigen Journalismus gefunden. Die Linke ist nicht abgeneigt. Und
schon vor dem Antrag der Grünen hatte die CDU-FDP-Koalition in NRW das
Thema aufgenommen und 2019 einen entsprechenden Antrag im Bundesrat
eingebracht. Der schmort seither in den Ausschüssen. Höchste Zeit, dass es
auch dort weitergeht. Und die SPD sich mal ’nen Ruck gibt.
14 Jul 2020
## LINKS
[1] /Bundesregierung-will-Presse-foerdern/!5694306
[2] https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/207/1920790.pdf
[3] /Zeitungssterben-in-den-USA/!5547157
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## TAGS
Journalismus
Bündnis 90/Die Grünen
Schwerpunkt Zeitungskrise
Gemeinnützigkeit
Journalismus
Ampel-Koalition
Schwerpunkt Coronavirus
Kolumne Flimmern und Rauschen
Journalismus
Serie "News Deserts"
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