# taz.de -- Krise im Musikjournalismus: Technomagazin bangt ums Überleben | |
> Nach 35 Jahren droht der „Groove“ das Aus. Eine Kampagne soll die Zukunft | |
> des Magazins sichern. Sie könnte Vorbild für die kriselnde Branche sein. | |
Bild: Auch als kritisches Korrektiv in der Branche wichtig: die Groove | |
Thomas Koch war 19 Jahre alt, als er die Zeitschrift für elektronische | |
Musik gründete. Das Jahr war 1989 und sein Vater hatte kurz davor seinen | |
ersten PC gekauft, mit dem der Sohn seine Vinylsammlung kategorisieren | |
durfte. „Das löste etwas in mir aus“, sagt Koch, besser als DJ T. bekannt, | |
der taz. „Und sofort wusste ich, dass ich ein Musikmagazin machen würde.“ | |
Im Dezember erschien die erste Ausgabe, 20 Mark kostete damals ein | |
Jahresabo. | |
Was folgte, war eine regelrechte Erfolgsgeschichte: Als [1][die | |
Acid-House-Welle] Ende der 1980er eine musikalische Revolution auslöste, | |
füllte die deutschsprachige Groove mit DJ-Charts und Interviews eine neue | |
Marktlücke. Das Rhein-Main-Gebiet, wo Koch aufwuchs, wurde zu einem der | |
Zentren dieser neuen Jugendbewegung – und die „Groove Top 50“ zum | |
Qualitätsmaßstab der Szene. | |
„Für die deutschsprachige Szene war es besonders ab Ende der 1990er, als | |
die Technobewegung ihrer Kinderstube entwachsen war, das wichtigste Medium | |
seiner Art“, sagt Koch rückblickend. Um die Jahrtausendwende hatte die | |
Zeitschrift satte 200 Seiten, zum Höhepunkt betrug die Auflage 100.000 | |
Exemplare. Und über die Jahre zierten nahezu alle Szenegrößen das Cover – | |
von DJ Pierre über Speedy J bis zu Jeff Mills. | |
Ende 2004 wurde das Blatt, inzwischen nach Berlin umgesiedelt, an die | |
Piranha Media GmbH verkauft, zu der andere Titel wie Spex und Juice | |
gehörten. Das folgende Jahrzehnt war von den üblichen Branchenkrisen | |
geprägt: [2][sinkende Abozahlen, weniger Werbeeinnahmen und eine | |
schrumpfende Auflage]. Im Jahr 2018 wurde die Printausgabe nach 175 | |
Heften aus Kostengründen eingestellt, seitdem gibt es [3][die Groove nur | |
noch online]. | |
## Es droht das komplette Aus | |
Doch 35 Jahre nach der Gründung droht dem traditionsreichen Blatt für | |
Clubkultur nun komplett das Aus. Im Juli gab Piranha Media bekannt, dass | |
der Verlag das Magazin aufgeben wird. Auf taz-Anfrage heißt es: Ein | |
„wirtschaftlich sinnvoller Betrieb des journalistischen Angebots“ könne | |
nicht mehr aufrechterhalten werden, das Anzeigengeschäft sei signifikant | |
zurückgegangen. Genaue Angaben zur Höhe der Verluste will Piranha Media | |
nicht machen. „Aber die Groove war leider nicht erst seit diesem oder | |
letztem Jahr defizitär“, so der Verlagsleiter Stefan Baumgartner. | |
In den vergangenen Jahren mussten bereits viele Magazine ihr Erscheinen | |
einstellen, die sich Musik, Pop- und Subkulturen widmen, ob Spex, Juice | |
oder De:Bug. Seit Anfang 2024 sind auch [4][Vice] und Pitchfork | |
Geschichte. | |
## „Letzte Zeitschrift ihrer Art“ | |
„Groove ist die letzte Zeitschrift ihrer Art“, sagt Chefredakteur Alexis | |
Waltz der taz. „Aber das Geschäftsmodell ist nicht mehr so wirklich | |
tragbar“, ergänzt Maximilian Fritz. Die kleine Redaktion besteht heute nur | |
noch aus den beiden. Noch 1.000 Online-Abonnent*innen hat das Medium, die | |
Webseite hat monatlich 60.000 bis 100.000 Besucher*innen. „Wir machen sehr | |
große Verluste und die Einnahmen decken nicht mal annähernd das | |
redaktionelle Budget“, sagt Chefredakteur Waltz. Zwar habe die | |
Online-Zeitschrift keine hohen Druck- und Vertriebskosten mehr. „Aber | |
traditionelle Vermarktungswege mit Abonnements und Anzeigen funktionieren | |
nicht mehr für kleine Medien wie unseres.“ | |
Nun soll eine Kampagne die Groove retten. Die Redaktion hat den Verein für | |
Technojournalismus gegründet, der als Herausgeber übernimmt – getragen von | |
einem Kreis aus rund 60 ehemaligen und aktuellen Autor*innen, | |
Fotograf*innen und anderen freien Mitarbeiter*innen. Der Verein sucht | |
in den kommenden Wochen 500 Mitgliedschaften zu einem Standardpreis von 100 | |
Euro im Jahr, um die Zukunft der Groove zu sichern und die Seite ohne | |
Paywall für alle zugänglich machen. | |
## „Wichtiges Korrektiv“ | |
„Ich finde es wichtig, dass es uns weiterhin gibt als Korrektiv, das über | |
Missstände in dieser Szene berichtet“, sagt Fritz. Das Magazin berichtete | |
etwa über nicht gezahlte Gehälter und veruntreute Gelder beim | |
Her-Damit-Festival auf Rügen, über Sexismus in der Leipziger Technoszene | |
oder über [5][den umstrittenen Besuch Till Lindemanns im Berliner | |
KitKatClub]. | |
„Wir denken aber auch nach wie vor, dass elektronische Musik es wert ist, | |
als Kunstform so genau verfolgt zu werden“, sagt Waltz, „mit Rezensionen, | |
Interviews, Porträts.“ Auch Gründer Thomas Koch alias DJ T. will, dass die | |
Groove überlebt. „Sollte nun auch noch das Online-Format verschwinden, wäre | |
das wohl das endgültige Ende dieser Sorte Journalismus in der Szene.“ | |
6 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Wie-in-einer-Moebius-Schleife/!1113691/ | |
[2] /Linke-Medien-in-der-Krise/!5956344 | |
[3] https://groove.de/ | |
[4] /Nach-18-Jahren/!5992478 | |
[5] /Lindemann-im-KitKat/!5945118 | |
## AUTOREN | |
Nicholas Potter | |
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