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# taz.de -- Ex-Bürgermeister in Italien: Rehabilitierung in Aussicht
> Mimmo Lucano nahm Geflüchtete in seinem Dorf in Italien auf – und wurde
> verfolgt. Jetzt darf Riaces Ex-Bürgermeister auf Erfolg vor Gericht
> hoffen.
Bild: Dem Rechten Salvini war der umtriebige Bürgermeister ein Dorn im Auge: M…
Rom taz | Nein, Mimmo Lucano ist nicht Chef einer kriminellen Vereinigung.
Der frühere Bürgermeister des süditalienischen Dorfs Riace, das für seine
Flüchtlingsintegration berühmt geworden ist, muss nicht zurück in Haft. Das
entschied das Gericht von Reggio Calabria am Dienstag.
Held oder Schurke? Seit 2017 wird der 62-jährige Lucano von der Justiz
verfolgt. Schenkt man den Staatsanwälten Glauben, hat er eine kriminelle
Vereinigung ins Leben gerufen, sich bei der [1][Verwaltung von
Staatsgeldern des schweren Betrugs schuldig gemacht], Unregelmäßigkeiten
bei der Ausschreibung der Müllabfuhr zu verantworten und die illegale
Einwanderung gefördert.
Alles begann im Jahr 1998, als der Chemielehrer am Strand spazieren ging.
Er sah ein Schiff mit kurdischen Geflüchteten – und beschloss zusammen mit
Freunden, sie im Dorf aufzunehmen. Ein Jahr später gründeten die Freunde
einen Verein, der die zahlreichen leerstehenden Häuser ihres Orts als
Unterkünfte für Migrant*innen herrichtet.
Den Bürger*innen des zunehmend entvölkerten und überalterten Dorfs
leuchtete das Konzept ein. Im Jahr 2004 wählten sie Lucano zum
Bürgermeister. Aus dem Amt heraus brachte er das [2][„Modell Riace“] voran:
Er siedelte Geflüchtete an, gründete Handwerksbetriebe und kleine Läden, in
denen Migrant*innen und Menschen aus Riace Seite an Seite arbeiten. Auch
die mit Eseln betriebene Müllabfuhr bestreiten neue und langjährige
Bewohner*innen gemeinsam. Das sterbende Dorf wurde wieder zum Leben
erweckt: Die Schule öffnete wieder, Geschäfte können dank der neuen
Kundschaft überleben.
Innenministerium musste Schlappen einstecken
Im Jahr 2010 drehte Wim Wenders einen Kurzfilm über Riace. Im gleichen Jahr
errang Mimmo Lucano den dritten Platz des World Mayor Award, der die besten
Bürgermeister weltweit auszeichnet, und 2017 bekam er den Dresdner
Friedenspreis.
Im gleichen Jahr allerdings begann auch der Ärger mit der Justiz. Riace
hatte mittlerweile Hunderte Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen
untergebracht, die durch das Innenministerium finanziert wurden. Lucano
soll unkorrekt abgerechnet haben, so der Vorwurf. Im Oktober 2018 musste er
gar in Haft, in Hausarrest – und verlor sein Amt als Bürgermeister. Der
Lega-Chef und damalige Innenminister Matteo Salvini nutzte die
Anschuldigungen, um von einem Tag auf den anderen alle
Flüchtlingseinrichtungen in Riace schließen zu lassen. Das Modell war am
Ende.
Noch ist über Lucano kein Urteil gesprochen, doch die Staatsanwälte und das
Innenministerium haben schon einige schwere Schlappen einstecken müssen.
Der Staatsrat – das oberste Verwaltungsgericht Italiens – erklärte die
Schließung der Flüchtlingseinrichtungen nicht bloß für rechtswidrig,
sondern nannte die von Lucano verfolgte Politik „vorbildlich“. Und jetzt
befand das Gericht in Reggio Calabria, die Vorwürfe der Staatsanwälte seien
weitgehend haltlos. Lucano darf auf Rehabilitierung hoffen.
9 Jul 2020
## LINKS
[1] /Der-Fall-Riace/!5614095
[2] /Fluechtlingshilfe-in-Sueditalien/!5541036
## AUTOREN
Michael Braun
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Italien
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