| # taz.de -- Schwedische Politikerin Johansson: Europa wartet gespannt | |
| > Sie sei eine Macherin, sagt Ylva Johansson. Bisher hat die | |
| > EU-Innenkommissarin sich allerdings nicht durch besondere Tatkraft | |
| > hervorgetan. | |
| Bild: Auch für Migrationsfragen zuständig: EU-Innenkommissarin Ylva Johansson | |
| Stockholm taz | Der Ruf nach deutlichen Ansagen und klarer Kante hat Ylva | |
| Johansson in mehr als zwei Jahrzehnten schwedischer Politik begleitet. Denn | |
| bei der EU-Innenkommissarin mit [1][Verantwortung für Migrationsfragen] | |
| vermisst man solche Eigenschaften bislang. In Brüssel hat sich die | |
| 56-jährige Schwedin vor allem mit ausweichendem Agieren und nebulösen | |
| Antworten hervorgetan. „Eine Idee“ habe sie, wie das mit der | |
| Flüchtlingspolitik der Union weitergehen könnte, „einen Plan“, dessen | |
| „Details ich aber erst für mich behalten will“, erklärte sie beispielswei… | |
| nach dem Innenministertreffen am Dienstag. | |
| Dabei war ihre Linie des „Darauf-werde-ich-zurückkommen“ schon bei ihrer | |
| Anhörung im EU-Parlament nicht gut angekommen. Nach der ersten | |
| Anhörungsrunde hatten die ParlamentarierInnnen ihr die Zustimmung zunächst | |
| verweigert. Erst nach Beantwortung eines Katalogs zusätzlicher Fragen gab | |
| es grünes Licht. | |
| Johansson kommt aus Botkyrka, einem der Stockholmer Trabantenvororte, die | |
| in den 1960er und -70er Jahren eilig aus dem Boden gestampft wurden. Mit | |
| beiden Eltern in der Sozialarbeit sei sie „aufgewachsen in einem | |
| Menschenmix aus Schweden, Finnen, Chilenen und Türken“, so die Politikerin. | |
| Sie habe fünf verschiedene Schulen besucht. „Fragen wie Armut und | |
| Gerechtigkeit sind für mich ganz früh ganz wichtig gewesen.“ | |
| Nach ihrem Engagement beim „Roten Kreuz“ folgte Parteipolitik in der | |
| „Linkspartei-Kommunisten“. Für diese zog die Mathematik- und Physiklehrerin | |
| mit 24 Jahren in den Reichstag. Weil sie im Gegensatz zu ihrer Partei für | |
| einen EU-Beitritt Schwedens war, wechselte Johansson zu den | |
| [2][Sozialdemokraten]. | |
| Radikaler Kurswechsel in der Migrationspolitik | |
| Mit 30 Jahren wurde sie Schulministerin, musste dieses Amt jedoch nach vier | |
| Jahren wieder aufgeben. Der Liebe wegen. Als sie und Finanzminister Erik | |
| Åsbrink 1998 ihre Beziehung öffentlich machten, entschied Ministerpräsident | |
| Göran Persson, ein Paar im Kabinett gehe gar nicht, einer müsse die | |
| Regierung verlassen. Es traf die Frau. 2004 kehrte sie als | |
| Gesundheitsministerin zurück. Von 2014 bis zur Nominierung für die | |
| EU-Kommission letztes Jahr war sie Arbeitsmarktministerin in der rot-grünen | |
| Regierung von Stefan Löfven. | |
| Von ihm, als dessen mögliche Nachfolgerin sie bereits gehandelt wird, | |
| erhielt die fussballbegeisterte Mutter von drei Kindern 2016 die | |
| zusätzliche Aufgabe der Integrationskoordinatorin. Fast 200.000 Flüchtlinge | |
| waren da [3][seit Sommer 2015 nach Schweden] gekommen, vergleichsweise mehr | |
| als in jedes andere EU-Land. „Das schaffen wir“, versicherte sie in | |
| Merkel-Manier. Allerdings mit dem Zusatz: „Es wird verdammt schwer werden. | |
| Eine Riesenherausforderung.“ | |
| Um die zu lösen, schlugen Löfven und Johansson einen radikalen Kurswechsel | |
| ein und machten Schweden für weitere Flüchtlinge erst einmal ganz dicht. Da | |
| sei ihr die Notwendigkeit einer gemeinsamen EU-Flüchtlingspolitik endgültig | |
| klar geworden, sagt Johansson heute. „Ich bin ein Macher“ betonte sie vor | |
| drei Jahren in einem Interview: „Wenn ich sehe, dass etwas verändert werden | |
| muss, pack ich das an.“ Europa wartet gespannt. | |
| 12 Jul 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
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