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# taz.de -- „Harte Jahre“ von Mario Vargas Llosa: Durch die Gringos radikal…
> Eine Reise in die kommunistischen 50er. In seinem Alterswerk „Harte
> Jahre“ kommt der große Erzähler Vargas Llosa auf den Putsch in Guatemala
> zurück.
Bild: 1953: Arbeiter verladen Bananen in Guatemala
„Krake“ wurde sie genannt oder auch „La Frutera“: die US-amerikanische
United Fruit Company (heute Chiquita). Der Einfluss des Bananen-Multis war
Mitte des 20. Jahrhunderts gerade in Mittelamerika so groß, dass ganze
Länder der Region zu sprichwörtlichen „Bananenrepubliken“ wurden. In sein…
neuen Roman „Harte Jahre“ nimmt sich der [1][peruanische] Nobelpreisträger
[2][Mario Vargas Llosa] den skandalösen Fall Guatemalas vor, um eine
Geschichte über Intrigen, Macht und Geld zu spinnen.
Dort war Präsident Jacobo Árbenz Guzmán 1954 unter dem Vorwand, einer
sowjetischen Invasion vorzubeugen, in einer CIA-Geheimdienstoperation
(„Operation Sucess“) aus dem Amt geputscht worden. Anlass war, dass der
demokratisch gewählte Árbenz in Guatemala eine moderate Bodenreform
durchführen und die United Fruit dazu verpflichten wollte, endlich Steuern
zu zahlen.
In einer Art Prolog führt Vargas Lllosa in die politischen Hintergründe
ein, indem er den Pakt zweier ungleicher Herren beschreibt: zwischen
United-Fruit-Gründer Sam Zemurray, einem russischstämmigen Selfmademan, und
dem eitlen Werbeguru Edward L. Bernays. Inmitten des Kalten Krieges
starten sie mit Unterstützung renommierter Zeitungen eine
Desinformationskampagne, die die guatemaltekische Regierung in die Nähe des
Kommunismus rückt.
Allerdings tauchen die beiden danach nie wieder in dem Buch auf.
Stattdessen entwirft Vargas Llosa ein Kaleidoskop von Figuren – die meisten
waren reale Akteure –, darunter der gestürzte Präsident Árbenz, sein
Nachfolger Oberst Castillo Armas (der am Sturz Árbenz’ entscheidend
beteiligt war), dessen zwei Killer sowie die schöne „Palastkonkubine“ und
Antikommunistin „Miss Guatemala“. Es dauert bis zur Hälfte des Buches, bis
man die Zusammenhänge begreift.
## Meisterhafte Sittengemälde
Vargas Llosa ist einer der großen Erzähler Lateinamerikas. Seine frühen
Romane „Das grüne Haus“ (1966) und „Gespräch in der Kathedrale“ (1969…
meisterhafte Sittengemälde der peruanischen Gesellschaft. Trotz eines
barocken Stils sind seine Bücher oft spannend, haben aber auch eine
humoristische Seite.
Man denke an die wahnwitzigen Episoden des Hörspielmachers Pedro Camacho in
„Tante Julia und der Kunstschreiber“ (1977). Camacho lässt seine Figuren
sterben – und wiederauferstehen –, bis er selber den Überblick verliert und
einen Nervenzusammenbruch erleidet.
Zum Œuvre Vargas Llosas gehören auch zwei historische Lateinamerika-Romane
– einmal „Der Krieg am Ende der Welt“ (1981), ein episches Werk über den
brutalen Kampf der brasilianischen Militärs gegen einen religiösen Führer
und seine Anhänger im trockenen „Sertão“ im Nordosten des Landes; zum
anderen „Das Fest des Ziegenbocks“ (2000), ein Porträt des dominikanischen
Diktators Trujillo, der auch in „Harte Jahre“ wieder in seiner Rolle als
Widerling auftaucht.
Dabei will der bekennende Liberale Vargas Llosa mit dem Stoff, dem er sich
in seinem neuen Roman zuwendet, offensichtlich eine Botschaft verkünden:
Das besonders Perfide am Vorgehen der USA war nicht nur, dass sie einen
wahrhaften Demokraten abservierten, sondern dass Árbenz dazu auch noch ein
Anhänger des US-amerikanischen Kapitalismus war.
## Radikalisierung Che Guevaras
Durch das Vorgehen der Gringos radikalisierte sich auch der damals vor Ort
weilende Che Guevara. Womöglich, schreibt Vargas Llosa, wäre die Geschichte
des ganzen Kontinents anders verlaufen, „hätten die USA die Modernisierung
und Demokratisierung Guatemalas akzeptiert“.
Vargas Llosa gelingt es jedoch nicht, das historische Geschehen so elegant
aufzubereiten wie gewohnt. Er verliert sich in Details. Am Ende fragt man
sich, ob das nicht auch mit seinem Alter von 84 Jahren zu tun haben könnte.
Jedenfalls sorgen auch seine politischen Kommentare und sein Festhalten an
einem überkommenen Begriff von Liberalismus inzwischen regelmäßig für
Widerspruch.
Hatte Vargas Llosa nach 1970 noch gute Gründe, mit dem zunehmend
repressiven System Kubas zu brechen (und damit auch mit seinem Freund und
späteren [3][Nobelpreiskollegen Gabriel García Márquez]), musste man sich
über seine Unterstützung marktliberaler Politiker in seiner Heimat in den
1990ern schon deutlich wundern.
Und in jüngsten Jahren nahm die Irritation über Ton und Inhalt seiner
Zeitungsglossen noch zu. Für die [4][Massenproteste gegen soziale
Ungleichheit in Chile] im November 2019 hatte Vargas Llosa nichts als
Unverständnis übrig. Dennoch: Wer unterhaltsam etwas über die politische
Geschichte Guatemalas erfahren möchte, sollte „Harte Jahre“ lesen,
23 Jun 2020
## LINKS
[1] /Gedenkmuseum-in-Peru/!5026784
[2] /Mario-Vargas-Llosas-neuer-Roman/!5112373
[3] /Nachruf-Gabriel-Garcia-Marquez/!5043939
[4] /GaleristInnen-ueber-Protest-in-Chile/!5683801
## AUTOREN
Ole Schulz
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