# taz.de -- Zum Tod des Autors Mario Vargas Llosa: Literatur als Waffe | |
> Der peruanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa ist | |
> gestorben. Nachruf auf einen großen Romancier und streitbaren Autor. | |
Bild: Der Schriftsteller Mario Vargas Llosa, hier auf einem Bild von 2010 | |
Mario Vargas Llosa war bis zuletzt ein streitbarer Autor und | |
Intellektueller. Bei seinem letzten Besuch in Berlin, im September 2020, | |
als er mitten in der Coronapandemie [1][das Internationale | |
Literaturfestival (ilb) eröffnete,] erschien der Literaturnobelpreisträger | |
ohne Maske, schüttelte Hände, als gälten bestimmte Regeln nicht für ihn. | |
„Ich muss über Literatur reden“, leitete er seine Rede ein vor den | |
pandemiebedingt gelichteten Reihen des Kammermusiksaals der Philharmonie. | |
„In den freien Ländern hat man manchmal den Eindruck, die Literatur sei nur | |
ein Zeitvertreib, ein flüchtiges Vergnügen unter vielen“. Sobald die | |
Freiheit aber eingeschränkt werde, würde die Literatur zu einer Waffe. Die | |
Macht misstraue der Literatur und übe Zensur aus. Doch die Literatur fände | |
immer eine Art und Weise, sich zu manifestieren und sie sei stets gegen | |
unterdrückerische Regime und für die Freiheit. | |
Mit diesen Worten seiner Rede kehrte Vargas Llosa zu den Anliegen seiner | |
frühen Romanen zurück, in denen er den Mächtigen einen Spiegel vorhielt und | |
Unterdrückung und Korruption in Peru anprangerte. Geboren wurde Mario | |
Vargas Llosa 1936 in Arequipa im Süden Perus. Da sich seine Eltern scheiden | |
ließen, als er gerade erst ein Jahr alt war, ging seine Mutter mit seinem | |
Großvater nach Bolivien, wo er aufwuchs. Seinen Vater lernte er erst im | |
Alter von zehn Jahren nach seiner Rückkehr nach Peru kennen. | |
Ihr Verhältnis stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Der strenge | |
Vater schickte ihn mit 14 auf die militärische Oberschule in Callao, einem | |
Hafenvorort von Lima. Noch während seiner Schulzeit begann Vargas Llosa als | |
Journalist zu arbeiten, schrieb für die Zeitung La Crónica Reportagen und | |
führte Interviews. Doch er litt unter der militärischen Disziplin der | |
Schule und verließ sie und zog nach Piura im Norden Perus, wo er für lokale | |
Zeitungen arbeitete. Später kehrte er zum Studium nach Lima zurück, | |
graduierte an der renommierten San Marco Universität als einer der besten | |
im Bereich Literatur. | |
## Erfahrungen aus der Militärschule | |
Mitte der 1950er erschienen seine ersten Erzählungen in Zeitungen. Er ging | |
nach Madrid mit einem Stipendium und dann nach Paris, wo er anfing, | |
professionell zu schreiben. Seinen Ruhm als Schriftsteller erlangte er in | |
den 1960er Jahren mit Romanen wie „Die Stadt und die Hunde“ (1963), „Das | |
grüne Haus“ (1966) und „Gespräch in der Kathedrale“ (1969). Während er… | |
seinem ersten Roman „Die Stadt und die Hunde“ seine Erfahrungen in der | |
Militärschule verarbeitet und die Hauptstadt Lima und insbesondere das | |
Viertel Miraflores porträtiert, spielt „Das grüne Haus“ im Norden Perus, … | |
der Gegend um die Wüstenstadt Pirua und im Amazonastiefland. | |
Darin kreuzen sich im namensgebenden grüngestrichenen Haus, das als Bordell | |
dient, die verschiedenen Erzählstränge der Figuren. Vargas Llosa erzählt | |
von der erzwungenen Christianisierung der indigenen Bevölkerung anhand des | |
Schicksals eines Dienstmädchens, von der Ausbeutung der Arbeiter auf den | |
Kautschukplantagen und den Repressalien der Regierung bei Streiks. | |
Das folgende Buch, „Gespräch in der Kathedrale“, ist ein äußerst | |
vielschichtiger, experimenteller Roman, in dem in langen Unterhaltungen von | |
Gästen der Limaer Bar „Kathedrale“ das unterdrückerische Regime von Gener… | |
Manuel Odría bloßgelegt wird. Dieser regierte von 1948 bis 1956 Peru | |
diktatorisch. Während Vargas Llosa seine ersten Romane selbst als „totale | |
Romane“ bezeichnet, weil er mit ihnen versuchte, ein möglichst | |
vollständiges Abbild der Realität zu erschaffen, änderte sich in den | |
1970ern sein Stil, er wurde einfacher und humorvoller, übernahm Elemente | |
aus Kriminal- und Liebesromanen. | |
[2][Außerdem nahm sich Vargas Llosa historischer Stoffe anderer Länder an,] | |
wie etwa der Bewegung eines charismatischen Wanderpredigers im | |
brasilianischen Bahía des 19. Jahrhunderts in „Krieg am Ende der Welt“ | |
(1981) der Geschichte der Trujillo-Diktator in der Dominikanischen Republik | |
in „Das Fest des Ziegenbocks“ (2000) oder der Biografie des irischen | |
Nationalisten Roger Casements in „Der Traum des Kelten“ (2010). Für sein | |
Schreiben wurde er 2010 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. | |
## Kuba-Begeisterung in den 1960er Jahren | |
Zusammen mit seinen etwas älteren Kollegen [3][Gabriel García Márquez,] | |
Carlos Fuentes und Julio Cortázar zählte er zu den bekanntesten Autoren des | |
sogenannten „Booms“ der lateinamerikanischen Literatur. So wie sie hing | |
auch er zunächst linken Ideen an. 1962 lernte er während der Kuba-Krise das | |
Land als Korrespondent kennen. | |
Damals äußerte er seine Sympathie für die Revolution und nahm 1965 an der | |
Jury des Premio Casa de las Américas teil. Nach der Verhaftung des | |
Schriftstellers Ernesto Padilla 1967 brach er mit der Castro-Regierung und | |
stritt sich später öffentlich mit seinen lateinamerikanischen Kollegen, die | |
wie García Márquez der kubanischen Revolution weiterhin die Treue hielten. | |
Vargas Llosa machte in der Folge eine ideologische 180-Grad-Wende, wurde | |
zum Anhänger neoliberaler Doktrinen und ging schließlich selbst in die | |
Politik. 1990 scheiterte als Kandidat des Mitte-Rechts Lagers gegen [4][den | |
späteren Präsidenten Alberto Fujimori.] In „Der Fisch im Wasser“ (1993) | |
schrieb er über das Jahr seiner Präsidentschaftskandidatur. | |
Wenn ihn ein aktuelles politisches Thema triggerte, griff er zur Feder und | |
teilte in seinen Kolumnen in der spanischen Zeitung El País schonungslos | |
aus, unterstützte dabei mitunter fragwürdige Politiker wie den | |
rechtsextremen chilenischen Präsidentschaftskandidaten José Antonio Kast. | |
Seine letzte Kolumne erschien Ende 2023, danach zog sich Vargas Llosa aus | |
der Öffentlichkeit zurück. | |
So bleibt am Ende eines langen Lebens ein nicht ungetrübtes Bild. Ein | |
fleißiger, wortgewaltiger und vielfach ausgezeichneter Autor, der bis ins | |
hohe Alter Romane, Erzählungen und Essays über Politik und | |
Schriftstellerkollegen wie Flaubert und Juan Carlos Onetti verfasste. Zum | |
anderen ein Mensch, der immer wieder aneckte und für Polemiken sorgte. Am | |
Sonntag ist er im Alter von 89 Jahren in Lima gestorben. | |
14 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Timo Berger | |
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