# taz.de -- Chilenischer Autor Antonio Skármeta tot: Ein Leben lang gegen die … | |
> Antonio Skármeta war eine der bedeutendsten Stimmen Lateinamerikas. Sein | |
> Schreiben über Exil und die chilenische Diktatur war zutiefst menschlich. | |
Bild: Mit zehn Romanen, mehreren Erzählbänden, Theaterstücken und Kinderbüc… | |
Berlin taz | Ein junger Briefträger fährt auf einem klapprigen Rad die | |
Serpentinen einer Küstenstraße entlang. Er bringt einem seltsamen Mann | |
Briefe und Päckchen, der sich als der Dichter Pablo Neruda herausstellt. | |
Diese unvergessliche Filmeinstellung stammt aus [1][„Il Postino“] (1994, | |
Regie: Michael Radford), der Neuverfilmung eines Drehbuchs von Antonio | |
Skármeta. Am Dienstag ist der chilenische Schriftsteller, Drehbuchautor und | |
Filmemacher verstorben. | |
Ursprünglich hatte Skármeta den Streifen 1983 unter dem Titel „Mit | |
brennender Geduld“ in Schwarzweiß in eigener Regie gedreht. Das Buch zum | |
Film wurde ein Bestseller und begründete seinen Ruf als eine der | |
bedeutendsten Stimmen aus Lateinamerika. Mit zehn Romanen, mehreren | |
Erzählbänden, Theaterstücken und Kinderbüchern hinterlässt er ein großes | |
Werk. | |
In Skármetas Lebensweg überlagern sich das Künstlerische und das Politische | |
auf einzigartige Weise. Als Exilant kam er als Gast des Berliner | |
Künstlerprogramms 1975 nach Deutschland – ohne die leiseste Ahnung der | |
Sprache. Doch es war nicht seine Art, sich in die Kreise anderer | |
südamerikanischer Exilanten in der geteilten Stadt zurückzuziehen. Er | |
suchte regen Kontakt zu seinen deutschen und internationalen Kollegen. | |
Geboren wurde Skármeta 1940 als Sohn kroatischer Einwanderer in | |
Antofagasta, einem rauen Küstenort Nordchiles. Er studierte Philosophie an | |
der Universidad de Chile, 1964 reiste er in die USA, an der New Yorker | |
Columbia-Universität erlangte er einen Master. Mit an seiner Seite war | |
damals seine erste Ehefrau, die chilenische Malerin Cecilia Boisier, mit | |
der er zwei Kinder bekam. | |
Die zwei Jahre in den USA erweiterten seinen Horizont. Er tauchte in die | |
Film- und Musicalszene Manhattans ein und studierte Theater bei Paul | |
Kozelka. Nach der Rückkehr nach Chile arbeitet er als Theaterdirektor und | |
Hochschullehrer für Philosophie und Literatur an der Universität von Chile. | |
Sein erster Erzählband „El entusiasmo“ erschien 1967. | |
Politisch engagierte er sich im marxistischen Movimiento de Acción Popular | |
Unitaria (Mapu), das als Teil des Wahlbündnisses [2][„Unidad Popular“] | |
Salvador Allende zur Präsidentschaft verhilft. Nach dem Staatsstreich durch | |
[3][Augusto Pinochet] flieht er nach Argentinien ins Exil. Schließlich | |
kommt er nach Westdeutschland, wo er seinen ersten Roman schreibt, der 1978 | |
unter dem Titel „Ich träumte, der Schnee brennt“ im Aufbau-Verlag | |
erscheint. Darin schildert er ein Chile zwischen revolutionärem Aufbruch | |
und Putsch aus der Perspektive eines jungen Protagonisten. | |
1989 kehrt Chile zur Demokratie und Skármeta in sein Heimatland zurück, bis | |
ihn Präsident Ricardo Lagos von 2000 bis 2003 als Botschafter wieder zurück | |
nach Deutschland schickte. Sein letzter großer Streich war wieder ein | |
Drehbuch. Diesmal zu dem Spielfilm „No!“ (2012, Regie: Pablo Larrain), das | |
auf Skármetas Theaterstück „El plebiscito“ basiert. Der Film zeigt die | |
Kampagne der Pinochet-Gegner, denen es mit farbenfrohen Werbebotschaften | |
gelingt, ein Referendum über dessen Verbleib im Präsidentenamt 1988 für | |
sich zu entscheiden. | |
Die Themen Diktatur und Exil haben Skármeta sein Leben lang beschäftigt. | |
Seine Erzählungen und Romane waren nie verbitterte Pamphlete, sondern stets | |
humorvoll, beschrieben Figuren mit zutiefst menschlichen Zügen. | |
16 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Il_Postino:_The_Postman | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Unidad_Popular | |
[3] /Der-Pinochet-Effekt/!5957336 | |
## AUTOREN | |
Timo Berger | |
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