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# taz.de -- BGH stellt Missbrauch fest: Wahlfreiheit für Facebook-Nutzer
> Der BGH fordert von Facebook, dass Kunden wählen können, wie viel
> Datenauswertung sie zulassen – und stellt einen Missbrauch von Marktmacht
> fest.
Bild: KundInnen sollen entscheiden können, wieviele Daten Facebook auswerten k…
Karlsruhe taz | Facebook muss seine Nutzer bald um Erlaubnis fragen, wenn
es deren Surfverhalten im Internet umfassend auswerten will. Das entschied
der Bundesgerichtshof (BGH) an diesem Dienstag in einem Eilverfahren.
Facebook habe bisher seine marktbeherrschende Stellung missbraucht.
In Deutschland nutzen 32 Millionen Menschen Facebook, davon 23 Millionen
sogar täglich. Wer sich bei Facebook registriert, stimmt damit einer
umfassenden Auswertung seiner Daten zu. Facebook wertet alles aus, was die
Nutzer auf Facebook schreiben und ansehen, aber auch vieles jenseits von
Facebook („off-Facebook“). Konkret geht es etwa um Daten, die bei der
Nutzung der Facebook-Töchter Whatsapp und Instagramm anfallen, aber auch um
Daten, die auf Webseiten entstehen, die zum Beispiel Facebook-Tools wie den
„Gefällt-mir“-Button einsetzen. Facebook will dabei die Interessen der
Nutzer feststellen, um ihnen ein „personalisiertes Erlebnis“ zu bieten,
aber auch, um zielgerichtet Werbung zu schalten.
Das Bundeskartellamt hat im Februar 2019 angeordnet, dass Facebook binnen
eines Jahres seine Nutzungsbedingungen ändern muss. Die automatische
Auswertung aller für Facebook greifbaren Daten gehe zu weit. Hier
missbrauche Facebook seine „marktbeherrschende Stellung“. Künftig soll für
die Nutzung der Off-Facebook-Daten eine gesonderte Einwilligung nötig sein.
Das Kartellamt berief sich dabei auf die Datenschutz-Grundverordnung
(DSGVO).
Gegen diese Anordnung klagte Facebook und erzielte im August 2019 zunächst
einen Erfolg. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf stellte im
Eilverfahren die aufschiebende Wirkung der Klage her, weil die Anordnung
des Kartellamts vermutlich rechtswidrig sei. Nach Ansicht des OLG stimmten
die Nutzer den Facebook-Bedingungen nicht deshalb zu, weil Facebook eine
marktbeherrschende Stellung hat, sondern weil die Nutzer zu „gleichgültig“
seien, um zu widersprechen. Für reine Datenschutzfragen sei das Kartellamt
gar nicht zuständig.
Der BGH folgte nun aber dem Kartellamt und hob die Düsseldorfer
Entscheidung auf. Es komme zwar nicht auf die Verletzung der DSGVO an, aber
Facebook habe aus anderen Gründen seine Marktmacht missbraucht, so Peter
Meier-Beck, der Vorsitzende des BGH-Kartell-Senats.
Facebook habe es unterlassen, so der Richter, seinen Kunden ein Wahlrecht
einzuräumen. Die Nutzer müssten zwischen einem besonders personalisierten
und einem weniger personalisierten Facebook-“Erlebnis“ wählen können. Beim
personalisierten Facebook-Modus dürfe die Plattform auch die
off-Facebook-Daten unbeschränkt auswerten, erläuterte Meier-Beck. Beim
beschränkten Modus dürfe Facebook nur die Daten auswerten, die die Nutzer
direkt auf der Plattform hinterlassen.
Dieses Wahlrecht sichere nicht nur die informationelle Selbstbestimmung der
Nutzer, so der BGH, sondern schütze auch den Wettbewerb, der bei sozialen
Netzwerken heute eh schon stark beschädigt sei. Facebook habe einen
Marktanteil von über 90 Prozent. Wer sich vernetzen will, gehe eben
dorthin, wo auch die anderen sind. Dieser „Lock-in-Effekt“ erschwere den
Wechsel zu kleineren Konkurrenten (wie Diaspora).
Wenn Facebook mehr Daten erhalte, so Richter Meier-Beck in der Verhandlung,
werde es noch besser und ziehe noch mehr Kunden an und erhalte noch mehr
Werbegelder, dies beschädige dann den Wettbewerb noch mehr. Es sei deshalb
zum Schutz des „Rest-Wettbewerbs“ sinnvoll, wenn für die Auswertung der
Off-Facebook-Daten eine gesonderte Einwilligung erforderlich ist und dann
viele nicht zustimmen.
Nach der Eilentscheidung des BGH ist die Anordnung des Bundeskartellamts
wieder vollziehbar. Facebook hat aber vier Monate Zeit, um über die
Umsetzung der Anordnung zu verhandeln. Das Hauptsacheverfahren läuft zwar
noch, hier dürfte der BGH aber ganz ähnlich entscheiden wie jetzt im
Eilverfahren. (Az.: KVR 69/19)
23 Jun 2020
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Datenschutz
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