# taz.de -- Ex-Fußballprofi Hans Sarpei über Antirassismus: „Sonst ist das … | |
> Hans Sarpei hätte sich nach dem Mord an George Floyd von den Verbänden | |
> antirassistische Zeichen gewünscht. Wer nur zuschaut, fällt eine | |
> Entscheidung, sagt er. | |
Bild: Textile Botschaft: Dortmunds Außenverteidiger Achraf Hakimi fordert Gere… | |
taz: Herr Sarpei, der DFB und die Fifa initiieren regelmäßig | |
Antirassismus-Kampagnen. Die vier Profis aber, die sich am Wochenende | |
solidarisch zeigten mit George Floyd, dem jüngsten Todesopfer von | |
rassistischer Polizeigewalt in den USA, [1][mussten ihr Handeln wegen eines | |
Regelverstoßes vor dem DFB-Kontrollausschuss erklären.] Was sagt uns das? | |
Hans Sarpei: Ich verstehe, wenn der DFB und die Fifa politische | |
Bekenntnisse, wie etwa den türkischen Militärgruß von Fußballprofis nach | |
dem Einmarsch in Syrien, verhindern will. In dem konkreten Fall hätte man | |
das Fass aber gar nicht aufmachen müssen. Mit den Ermittlungen des | |
DFB-Kontrollausschusses hat man gezeigt, dass man wenig verstanden hat. | |
Wie meinen Sie das? | |
Die Frage ist, ob das Antirassismus-Bekenntnis nur ein Slogan ist. Wenn der | |
DFB verstanden hätte, was da gerade passiert, hätten sie vor den Spielern | |
gehandelt. Sie hätten selbst ein Zeichen gesetzt, den Mord an George Floyd | |
verurteilt und die Botschaft vermittelt: Wir sind gegen Rassismus und das, | |
was in den USA und in der ganzen Welt mit den Schwarzen passiert. Da kam | |
bisher noch nichts. | |
Muss die Regel der Fifa, nach der die Ausrüstung der Spieler keine | |
politischen, religiösen oder persönlichen Botschaften enthalten darf, | |
geändert werden? | |
Der DFB sagt selbst, dass er gegen Rassismus ist. Dann kann das doch auch | |
jeder Verein und Spieler tun. Das kann man nicht mit dem türkischen | |
Militärgruß vergleichen. Seitdem ich auf der Welt bin, habe ich Probleme | |
mit Rassismus und kämpfe dagegen an. Das Problem ist mehrere Jahrhunderte | |
alt. Die Verbände müssen hinter ihren Erklärungen stehen, sonst ist doch | |
das, was sie über viele Jahre gemacht haben, Bullshit. | |
Ist es eine politische Botschaft für Sie, sich gegen Rassismus zu stellen? | |
Es ist eine Botschaft der Menschlichkeit. | |
Der DFB betrachtet das offenbar als politische Botschaft und will deshalb | |
eine Debatte über eine Änderung der Verbotsregel initiieren. | |
[2][Wenn Antirassismus ein politisches Statement ist, dann sind die | |
Statuten falsch und müssen geändert werden.] | |
Wäre der DFB ähnlich nachsichtig gewesen, wenn letztes Jahr nach den | |
rassistischen Äußerungen von Schalke-04-Aufsichtsratchef Clemens Tönnies | |
Fußballprofis auf dem Rasen ihren Unwillen bekundet hätten? | |
Das ist spekulativ, wie der DFB reagiert hätte. | |
Hätten Sie sich einen solchen Protest gewünscht? | |
Es müssen alle versuchen, Position zu beziehen, dagegen anzugehen, wenn es | |
rassistische Vorfälle in der Bundesliga gibt. Einige trauen sich, einige | |
nicht. Jetzt sind wir Protestierenden so weit gekommen, dass wir sagen, wir | |
wollen Gerechtigkeit und dass sich generell etwas ändert. Einige werden auf | |
den Zug aufspringen, weil sie nur dabei sein wollen, einige nicht. Der DFB | |
hätte auch die Initiative ergreifen können. Nur zugucken, das ist das | |
Gefährliche. | |
Sie sagen, alle müssen etwas tun. Auffällig war, dass nur potenziell | |
betroffene, also schwarze Fußballprofis vergangenes Wochenende Zeichen | |
gegen Rassismus setzten. Warum? | |
Warum? Das ist eine gute Frage. Kein Ahnung. Vielleicht ist es die Angst | |
davor, wie der eigene Verein reagiert, was sagen die Follower auf Instagram | |
oder Facebook. Aber noch einmal: Man kann sich nicht mehr verstecken und | |
sagen, man sei weder rechts noch links, man wolle nicht dazwischengeraten. | |
Wer nur zuschaut, fällt eine Entscheidung. Dann bist du nicht gegen | |
Rassismus. | |
Welche Strahlkraft hätte es, wenn etwa Ihr ehemaliger Mitspieler Manuel | |
Neuer ein Armband mit der Aufschrift „Gerechtigkeit für George Floyd“ | |
tragen würde? | |
Ich will nicht Einzelpersonen herausnehmen, es geht nicht um Manuel Neuer. | |
Auf Instagram schwärzen gerade viele symbolisch ihr Profil. Das ist zwar | |
schön, ein Anfang, bewegt aber nicht viel. Da muss noch viel mehr passieren | |
und entstehen. Am Ende des Tages geht es nicht um einen Post von Manuel | |
Neuer, sondern dass er für sich entscheidet: Ich will Gerechtigkeit, ich | |
will, dass sich grundsätzlich etwas verändert. Das Ding ist, viele denken, | |
dass hat nur mit George Floyd zu tun. Das ist mein Leben, das ist immer so, | |
tagtäglich. | |
Wie viel Solidarität haben Sie selbst als Fußballer erlebt, wenn es | |
rassistische Anfeindungen gab? | |
Ich habe in einer anderen Zeit gespielt, damals gab es keine Solidarität. | |
Es hieß nur, du muss da drüberstehen. Damals war man ganz allein. | |
Ihnen fällt keine positives Erlebnis ein? | |
Nein. Ich glaube, da kann man viele Spieler fragen, jeder hat sich allein | |
gefühlt. Da hat keiner einen vom Verein unterstützt, die Trainer und die | |
Mitspieler nicht, nur deine Freunde. | |
Was ist heute anders? | |
Heute wird in der Kabine schon über Rassismus gesprochen. Da gibt es eine | |
größere Solidarität untereinander. Es sind nur auch die Vorgaben vom Verein | |
dazugekommen: Ihr müsst aufpassen, was ihr macht und sagt. Deswegen ist der | |
eine oder andere vorsichtig. | |
Der DFB-Integrationsbeauftragte Cacau hat vor Kurzem gesagt, Rassismus sei | |
im Fußball ein größeres Problem als früher. | |
Jetzt ist die Sensibilität größer. Die Vereine, der Verband und die Medien | |
machen mehr. Das Problem ist aber genauso groß wie vor 20 Jahren. | |
Mittlerweile sitzt mit der AfD eine Partei im Bundestag, die Ressentiments | |
gegen Ausländer schürt. Spüren Sie eine Veränderung im Alltag? | |
Persönlich nicht, aber man merkt, die Leute werden wieder offener | |
rassistisch. Früher war das versteckter. Den Rassismus habe ich aber immer | |
gespürt, er war nie weg. Wir können nicht davor weglaufen, ob du einkaufen | |
gehst oder einfach so unterwegs bist. | |
Es gab vor der Coronapause große Aufregung, weil Hoffenheim-Mäzen Dietmar | |
Hopp in den Stadien Schmähungen über sich ergehen lassen musste. [3][Es | |
wurde die Möglichkeit des Spielabbruchs diskutiert], die von der Fifa | |
geschaffen wurde, weil rassistische und homophobe Diskriminierungen in den | |
Stadien sichtbarer wurden. Wie haben Sie die Debatte erlebt? | |
Das, was mit Hopp passiert ist, hat keiner verdient. Ich weiß aber nicht, | |
ob jemals dieser Dreistufenplan der Fifa für den ursprünglichen Zweck, | |
Menschen vor Rassismus oder Homophobie zu schützen, zur Anwendung kam. Ich | |
würde mir wünschen, dass etwa der FC Bayern, der Dietmar Hopp sofort zur | |
Seite sprang, sich bei rassistischen Vorfällen ähnlich engagiert zeigt. | |
Wie sieht es mit Ihren Plänen aus, für den Aufsichtsrat von Schalke 04 zu | |
kandidieren? | |
Durch die Coronapandemie konnten wir uns nicht mehr treffen. Deshalb sind | |
wir in einer Warteschleife. Ich weiß nicht, wie der Verein weiter plant. | |
Und ich frage mich, ob ich als Mitglied des Aufsichtsrats weiter meine | |
Meinung zum Thema Rassismus so frei äußern kann wie bisher. | |
Haben Sie nach der rassistischen Äußerung von Clemens Tönnies Ihre | |
Bewerbung nicht ausdrücklich mit Ihrem Engagement gegen Rassismus | |
verknüpft? | |
Ich habe mich nicht deshalb beworben. In dem Gremium geht es ja nicht nur | |
um Rassismus, sondern um den ganzen Verein mit seinen 150.000 Mitgliedern. | |
Durch meine Kompetenzen und Erfahrungen kann ich dem Verein in vielen | |
Bereichen helfen – auch in dem Bereich Rassismus, Diskriminierung und | |
Homophobie. | |
Haben Sie mit Clemens Tönnies jemals selbst [4][über seine rassistischen | |
Äußerungen] und Ihre Bewerbung gesprochen? | |
Nein, vielleicht ergibt sich das in den nächsten Monaten. | |
6 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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