# taz.de -- Deutschlandweit Demos nach Mord an George Floyd: Hier kommt die Ant… | |
> Menschen in ganz Deutschland protestieren gegen Rassismus. Die | |
> Solidarität reicht von München bis nach Hamburg. | |
Bild: Solidarität: 25.000 in München | |
BERLIN/MÜNCHEN/DÜSSELDORF/MÜNSTER/FRANKFURT A.M./HAMBURG taz/epd/dpa | | |
Jireh Emanuel blickt von der Bühne vor den klassizistischen Propyläen auf | |
den Münchner Königsplatz, auf die Menschenmasse so fern das Auge sieht. Der | |
junge Mann, ein Schwarzer Deutscher aus München, erinnert in seiner | |
Moderation daran, dass an diesem historischen Platz vor 80 Jahren die Nazis | |
regelmäßig aufmarschiert sind. „Wir haben es satt“, sagt er und ruft ins | |
Mikrofon und in die Menge: „Jetzt bin ich stolz, ein Münchner zu sein.“ | |
Rhythmisch klatschen die Menschen und rufen, was auf ungezählten Schildern | |
steht: „Black lives matter.“ | |
Wie überall in Deutschland demonstrieren auch in der Bayern-Metropole | |
Menschen anlässlich der [1][Ermordung von George Floyd in Minneapolis am | |
25. Mai] gegen Rassismus in all seinen Schattierungen. Es ist die größte | |
Kundgebung in der Republik – um 17.30 Uhr spricht die Polizei München | |
gegenüber der taz offiziell von 25.000 antirassistische Demonstrant*innen. | |
Weit über den Königsplatz hinweg verteilen sie sich in den verschiedenen | |
Zulaufstraßen. Auch der 100 Meter entfernte Karolinenplatz wird für die | |
Demo freigegeben. | |
Um 15.13 Uhr gehen die Menschen zu Boden in die Position auf ein Knie – | |
weltweite Symbol des Protestes gegen die tödliche Gewaltattacke auf George | |
Floyd. Genau 8 Minuten und 46 Sekunden verharren sie, solange wie der | |
Polizist Floyd auf den Boden gedrückt hatte, bis dieser tot war. Ein | |
Stromgenerator surrt leise, Kinder sprechen, in der Ferne hört man eine | |
Krankenwagen-Sirene. Ansonsten ist es still auf dem Königsplatz. Nach den | |
qualvollen Minuten ruft Jireh Emanuel ins Mikrofon: „I can't breathe.“ Und | |
die Demonstrant*innen folgen im Chor: „I can't breathe.“ Es waren die | |
letzten Worte von George Floyd, Tausende Fäuste recken sich in den | |
wolkenverhangenen Münchner Himmel. | |
Größere Teile der Veranstaltung werden immer wieder für Aufrufe verwendet, | |
die Corona-Regeln einzuhalten. “Bitte achtet auf die Abstände“, tönt es a… | |
den Lautsprechern, „eine Armlänge mindestens. Und tragt Masken.“ Maskiert | |
sind tatsächlich so gut wie alle Demonstrant*innen. | |
Mit den Abständen geht das nicht so einfach, nein, auf dem Platz teilweise | |
gar nicht: Das Gedränge ist zu groß. Ebenso auf den Stufen der | |
Antikensammlung, wo die zumeist in schwarz gekleideten Demonstrant*innen | |
dicht an dicht sitzen. Ein Polizeisprecher bestätigt: „Die Abstände werden | |
nicht eingehalten.“ Dafür werden, wie bei früherer Gelegenheit der Wein | |
oder manchmal der Joint, immer wieder die Fläschchen mit | |
Desinfektionsmittel in der Runde gereicht. | |
## „Hanau liegt in Deutschland“ | |
1.500 Teilnehmer*innen waren für die Demonstration auf dem Berliner | |
Alexanderplatz angemeldet. Doch es kamen viel, viel, viel mehr: mit | |
Kindern, Fahrrädern, Pappschildern, Mützen und meist auch mit Mundschutz. | |
Tausende saßen oder standen überwiegend schwarz gekleidet auf dem Platz und | |
den Zufahrtsstraßen. Eine halbe Stunde nach Beginn der Kundgebung um 14:00 | |
Uhr machte die Berliner Polizei die erste Durchsage: „Der Alexanderplatz | |
ist überfüllt. Gehen Sie nicht weiter nach vorn. Wir wünschen einen schönen | |
Tag.“ | |
Doch immer noch mehr Menschen strömten gen Alex, sodass das Polizeiauto, | |
zuerst noch am Rande der Veranstaltung, plötzlich mitten in einer | |
Menschenmenge parkte. Die Stimmung war friedlich, erinnerte an die | |
Unteilbar Demo im Herbst 2018 in Berlin, wenn auch der Volksfestcharakter | |
fehlte. | |
Um halb vier ging eine Welle durch die Menge, ohne sichtbares Zeichen von | |
außen setzten sich die Teilnehmer*innen auf den Boden. So still wurde es, | |
dass man sogar das Flappen der an Holzstangen befestigten Pappschilder im | |
Wind hören konnte. „Black lives matter“ war auf vielen zu lesen oder auch | |
„Deutschland Du hast ein Rassismusproblem“ und „Hanau liegt in | |
Deutschland“. Ein Verweis auf die hessische Stadt, in der ein Mann im | |
Februar zehn Menschen aus rassistisch motiviertem Hass getötet hat. | |
Es waren längst nicht nur Schwarze Menschen, die Rassismus anprangerten, | |
die Mehrzahl der Demonstrierenden war weiß. Das löste nicht bei allen | |
ungebremste Freude aus. „Dear white people, was bedeutet es, eure | |
Solidarität zu zeigen, wenn sie sich auf eine Demo beschränkt, aber nicht | |
darüber hinaus geht?“, [2][twitterte die Schwarze Fotografin Shaheen | |
Wacker]. | |
## „Wir wollen Gerechtigkeit“ | |
Auch in der Hamburger Innenstadt demonstrierten Tausende Menschen gegen | |
Rassismus und Polizeigewalt. Von der Größe der Kundgebung erinnerte die | |
Demonstration fast an die großen Fridays-for-Future-Proteste in der | |
Hamburger Innenstadt. Die Polizei sprach von insgesamt 14.000 | |
Teilnehmer*innen bei zwei fast zeitgleichen Kundgebungen am Jungfernstieg | |
und am Rathausmarkt – erlaubt waren wegen der Coronamaßnahmen zusammen nur | |
gut 800 Demonstrant*innen. | |
Für die Schülerinnen Lita und Marina war es die erste Demonstration | |
überhaupt. „Wir wollen Gerechtigkeit“, sagt Marina. Susanne Hausmann aus | |
Hamburg findet es toll, dass so viele junge Menschen auf die Straße | |
gegangen sind. Sie ist entsetzt von den Bildern der Polizeigewalt in den | |
USA, findet aber, dass der Rassismus auch Deutschland betreffe. Immer | |
wieder riefen die Demonstranten „Black Lives Matter“. Viele knieten als | |
Geste der Solidarität nieder. | |
Nachdem die Polizei die Kundgebung am Jungfernstieg wegen der großen Menge | |
und den Coronaauflagen für beendet erklärt hatte, zogen viele zum nur | |
wenige Meter entfernten Rathausmarkt weiter. Dort sammelten sich teilweise | |
bis zu 8.000 Menschen. Bereits am Vortag hatten etwa 4.500 Menschen vor dem | |
US-Konsulat am Alsterufer in Hamburg gegen Rassismus und Polizeigewalt | |
demonstriert, angekündigt waren ebenfalls lediglich 250. | |
Die Hamburger Polizei hatte bereits vor den Demonstrationen ihre | |
Solidarität erklärt. „Wir sind an eurer Seite!“, [3][twitterte sie vor | |
Beginn der Kundgebungen]. „Rassismus darf in unserer Gesellschaft keinen | |
Platz haben. Wir arbeiten täglich dafür, dass sich alle Menschen in Hamburg | |
sicher fühlen können.“ | |
Doch aus „an eurer Seite“ wurde nach der Demonstration die Gegenseite. Im | |
Anschluss an die friedlichen Proteste sei Pyrotechnik gezündet worden, so | |
eine Polizeisprecherin. Zwei Polizist*innen seien verletzt worden. Während | |
die Polizei zu Beginn der Veranstaltung noch Friedensnachrichten getwittert | |
hatte, drohte sie nun mit dem Einsatz von Wasserwerfern und räumte so | |
schließlich den Platz. | |
Auch in Berlin kam es nach der friedlich verlaufenen Demonstration laut | |
Polizei zu einem Gewaltausbruch. Aus einer größeren Gruppe heraus wurden | |
Steine und Flaschen auf Polizist*innen und Passant*innen geworfen, wie eine | |
Sprecherin vor Ort sagte. | |
Dabei wurde auch ein Pressefotograf von einer Flasche getroffen. Er erlitt | |
eine Kopfplatzwunde. Es sei kein gezielter Angriff gewesen, sagte eine | |
Polizei-Sprecherin. Es gab auch vereinzelt verletzte Polizisten und | |
Festnahmen, [4][wie die Polizei per Twitter mitteilte]. Zu genauen Zahlen | |
gab es zunächst keine Angaben. | |
## „Gemeinsam sind wir stark“ | |
Zeitgleich versammelten sich auch in anderen Städten Tausende Solidarische. | |
Der Frankfurter Römerplatz sei nicht mal eine Stunde nach Beginn der | |
Kundgebung bereits voll gewesen, teilte ein Sprecher der dortigen Polizei | |
mit. Weitere Teilnehmer*innen wichen deshalb auf den nahe gelegenen | |
Paulsplatz aus. „Bisher ist alles friedlich“, sagte der Sprecher am | |
Samstagmittag. Insgesamt versammelten sich in Frankfurt am Main rund 8.000 | |
Personen. Bereits am Freitag hatten sich rund 3.000 Menschen auf einer | |
Kundgebung in Frankfurt mit der Bewegung „Black Lives Matter“ solidarisch | |
gezeigt. | |
In Münster, Leverkusen, Bonn, Köln und Dortmund war das Motto der | |
Demonstrationen – wie auch in München – „Silent Protest“. In Düsseldo… | |
verharrten Tausende Demonstrant*innen zum Auftakt für acht Minuten und 46 | |
Sekunden in Schweigen am DGB-Haus. Danach zogen die Demonstrant*innen in | |
Richtung Landtag, wo am späten Nachmittag eine Kundgebung stattfinden | |
sollte. „Mit unserer Demonstration wollen wir ein starkes Zeichen gegen | |
Rassismus setzen in den USA, aber auch bei uns in Deutschland“, erklärten | |
die Veranstalter. Auf Flyern und Plakaten hieß es unter anderem „Nein zu | |
Rassismus – Gemeinsam sind wir stark“. | |
6 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Nach-Toetung-von-George-Floyd-in-Minneapolis/!5689275 | |
[2] https://twitter.com/yoshaheen/status/1269269134929547265 | |
[3] https://twitter.com/PolizeiHamburg/status/1269233826103988224 | |
[4] https://twitter.com/PolizeiBerlin_E/status/1269298913774796801 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
Patrick Guyton | |
## TAGS | |
Anti-Rassismus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Antirassismus | |
George Floyd | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Demonstrationen | |
#Unteilbar | |
#Unteilbar | |
Antirassismus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
George Floyd | |
Fußball-Bundesliga | |
Kolumne Berlinmusik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Unteilbar-Demonstrationen: Bildet Bänder! | |
Mit Masken und viel Abstand: Zehntausende demonstrierten am Sonntag in zehn | |
Städten gegen Rassismus und soziale Ungleichheit. | |
Neue Protestformen auf Unteilbar-Demos: Stillstehen als solidarischer Akt | |
Die Unteilbar-Demos erproben dank Corona Neues: Die TeilnehmerInnen halten | |
Abstandsbänder und rühren sich nicht vom Fleck. | |
Antirassimus-Demo in Hamburg: Wie die Polizei für Ordnung sorgt | |
Am Ende der „Black Lives Matter“-Demos in Hamburg werden Dutzende, | |
vorwiegend migrantisch aussehender junger Leute festgesetzt – stundenlang. | |
Kampf gegen Rassismus: Schaut mal in den Spiegel | |
Weiße Menschen fragen, was sie gegen Rassismus unternehmen können. Das ist | |
gut. Hier sind ein paar Antworten – jetzt seid ihr dran. | |
Black-Lives-Matter-Proteste in Berlin: Aufstehen in Würde | |
Jugendliche of Color lassen sich nicht mehr gefallen, dass der Staat sie | |
bedroht und nicht beschützt. Allein in Berlin demonstrieren Zehntausende. | |
Demonstrationen gegen Rassismus: Polizei nimmt Dutzende fest | |
Nach friedlichen Protesten in Berlin und Hamburg gab es vereinzelt Randale. | |
Die Polizei griff ein, nachdem Steine und Flaschen geflogen waren. | |
++ Nach dem Mord an George Floyd ++: Würgegriff verboten | |
In den USA werden Polizeireformen beschlossen. Ein Reddit-Verwaltungsrat | |
fordert eine Schwarze Nachfolgerin. Justin Trudeau kniet im Protest gegen | |
Rassismus nieder. | |
Ex-Fußballprofi Hans Sarpei über Antirassismus: „Sonst ist das alles Bullsh… | |
Hans Sarpei hätte sich nach dem Mord an George Floyd von den Verbänden | |
antirassistische Zeichen gewünscht. Wer nur zuschaut, fällt eine | |
Entscheidung, sagt er. | |
Polizeigewalt in den USA: Reformresistenter Apparat | |
Seit Jahren wird gefordert, die Polizei in den USA neu aufzustellen. Doch | |
es ändert sich nichts, wie ein Blick auf Finanzen und Ausbildung zeigt. |