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# taz.de -- Antirassimus-Demo in Hamburg: Wie die Polizei für Ordnung sorgt
> Am Ende der „Black Lives Matter“-Demos in Hamburg werden Dutzende,
> vorwiegend migrantisch aussehender junger Leute festgesetzt –
> stundenlang.
Bild: Einkaufstüte dabei: Inobhutnahmen am Hauptbahnhof
Hamburg taz | Die Hamburger Polizei hat nach dem Ende der [1][beiden
Antirassismus-Demonstrationen] am Sonnabend 35 Jugendliche und
Jungerwachsene in Gewahrsam genommen – viele davon offenbar mit
Migrationshintergrund. Bis zu zweieinhalb Stunden lang mussten sie,
zeitweise mit erhobenen Händen, an einer Wand des Hauptbahnhofs stehen, bis
sie auf mehrere Wachen verfrachtet und schließlich mitten in der Nacht auf
freien Fuß gesetzt wurden.
„Es ist ein Skandal, dass Jugendlichen, die in Hamburg gegen rassistische
Polizeigewalt demonstrieren, genau das angetan wird“, kommentierte Emily
Laquer von der Interventionistischen Linken. Laquer hat Videoaufnahmen von
der Szene am Hauptbahnhof [2][bei Twitter] veröffentlicht.
Die beiden Demonstrationen am Nachmittag – „Nein zu Rassismus! Gemeinsam
sind wir stark!“ und „Solidarität mit den Geflüchteten und [3][Lampedusa …
Hamburg] – Solidarität mit der Protestbewegung und der Black Community in
Minneapolis!“ – waren mit 525 und 300 Teilnehmern angemeldet. Auf der
Straße waren zwischen Rathaus, Jungfernstieg und Hauptbahnhof 14.000 vor
allem jugendliche Demonstranten, davon viele mit Migrationshintergrund.
Viele von ihnen nahmen zum ersten Mal an einer Demonstration teil.
Wegen der zu hohen Teilnehmerzahl zog die Polizei die Genehmigung für beide
Kundgebungen zurück, bevor sie überhaupt begonnen hatten. Die Polizei
teilte das wiederholt über Lautsprecher mit, was aber Zeugen zufolge viele
Demonstranten gar nicht mitbekamen. „Die Versammlungsteilnehmer verhielten
sich friedlich und kooperativ, sodass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit
und des Infektionsschutzes von Seiten der Polizei auf eine Auflösung
verzichtet wurde“, teilte die [4][Polizei mit].
## Kooperative Demonstranten
Das sollte sich im Laufe des Nachmittages bei einem Teil der Demonstranten
ändern. Um 16.45 Uhr seien Beamte aus einer Gruppe von rund 200 Leuten
heraus mit Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen worden, teilte die
Polizei mit. Auch ein Video auf [5][Twitter] zeigt eine solche Szene.
Polizisten rannten auf die Demonstranten zu, sprayten Pfeffer und ließen
Wasserwerfer vorrücken. Solche Szenen spielten sich an dem Nachmittag
mehrfach ab.
Zu einem seltsamen Finale kam es laut Polizei um 20.15 Uhr am Hauptbahnhof.
Bis dahin sei es wiederholt zu Angriffen auf Polizisten gekommen und es
seien Hindernisse wie Baumaterial auf die Straßen gezogen worden. Im Zuge
dessen nahm die Polizei 35 Menschen in Gewahrsam, darunter 13 Jugendliche
und einen 13-Jährigen. „Nachdem diese Gruppe festgesetzt worden war,
herrschte schlagartig Ruhe in der Innenstadt“, schreibt die Polizei.
Wie Passanten berichten und Videos zeigen, mussten sich die 35 in einer
Reihe an der Südseite des Bahnhofs aufstellen. „Die Umstehenden reagierten
sehr aufgebracht“, erinnert sich Carola Ensslen, Bürgerschaftsabgeordnete
der Linken. Auf einer Videoaufnahme der Szene skandieren Umstehende mit
hohen Stimmen „Aussageverweigerung“ und „no justice, no peace“.
Ensslen, die sich anderthalb Stunden am Ort des Geschehens aufgehalten hat,
findet, die Polizei habe sich extrem viel Zeit gelassen mit den
Festgehaltenen. Weil laut Einsatzleitung nichts Konkretes gegen die Leute
vorgelegen habe, hätte es gereicht, deren Personalien festzustellen und sie
laufen zu lassen. „Zum Teil standen die ganz schön bibbernd und verschreckt
da“, erinnert sie sich.
## An die Wand geschubst
[6][Zeit Online] berichtet von zwei jungen Women of Color, die nach eigener
Aussage die ausfransende Demo längst verlassen hatten und auf dem Weg zu
einem Imbiss arglos an den parkenden Polizeiautos vorbei liefen. Sie seien
von Polizisten an die Wand geschubst worden und hätten dort mit vielen
anderen ausharren müssen.
Viele der Festgehaltenen seien nicht von der Demo gekommen, sondern hätten
Einkaufstüten dabei gehabt; eine sei von der Arbeit gekommen. Zu
Telefonieren sei verboten worden. Eine der beiden 20-jährigen Frauen
berichtet, sie sei ins Polizeipräsidium gebracht worden. Dort habe sie sich
bis auf die Unterwäsche entkleiden müssen und sei in eine Einzelzelle
gesteckt worden. Die andere wurde in einem Bus ins Kommissariat Billstedt
verfrachtet. Beide mussten selbst sehen, wie sie mitten in der Nacht nach
Haus kommen.
Die Augenzeugin Laquer resümiert:„Der Abend wäre ruhig verlaufen, hätte die
Polizei sich zurückgehalten, statt zu eskalieren.“ Es gebe keine
Rechtfertigung dafür Jugendliche durch die Stadt zu jagen und mit erhobenen
Händen an die Wand zu stellen und festzunehmen. „Ich will wissen, wer zur
Hölle für diesen rassistischen Polizeieinsatz verantwortlich ist. Und
warum, verdammt, er noch nicht suspendiert ist.“
Die Vorwürfe hinterließen einen bitteren Nachgeschmack, twitterten die
Hamburger Grünen. „Wir nehmen das sehr ernst und werden sie aufklären.“
Laut Polizei wurden an dem Abend weitere 13 Menschen festgenommen. Ihnen
werde zum Teil schwerer Landfriedensbruch, Verstoß gegen das
Sprengstoffgesetz und tätliche Angriffe auf Polizeibeamte vorgeworfen.
8 Jun 2020
## LINKS
[1] /Black-Lives-Matter-Demonstrationen/!5687715
[2] https://twitter.com/EmilyLaquer
[3] /Polizeieinsatz-am-Hamburger-Hauptbahnhof/!5686601
[4] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/6337/4616305
[5] https://twitter.com/hashtag/hh0606?src=hashtag_click
[6] https://www.zeit.de/hamburg/2020-06/demonstration-hamburg-anti-rassismus-po…
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Antirassismus
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Protest
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