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# taz.de -- Hamburgs Polizei eskalierte Einsatz: Keine Werbung für den Rechtss…
> Lange hatte Hamburgs Polizei bei den Demos gegen rassistische
> Polizeigewalt Augenmaß walten lassen. Am Schluss fiel sie in autoritäre
> Muster zurück.
Bild: Umstehende waren aufgebracht: Ingewahrsamnahme am Hauptbahnhof
Es hätte eine Sternstunde der Hamburger Polizei werden können. Stundenlang
haben die eingesetzten Kräfte rund um die [1][antirassistischen
Demonstrationen in der Hamburger Innenstadt] ein bisher ungekanntes
Augenmaß walten lassen.
Ja, die Demonstrationen waren zu groß, um die für den Infektionsschutz
nötigen Abstände einzuhalten. Ja, die Polizei hat sie daraufhin
korrekterweise für beendet erklärt. Und ja, aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit hat sie die Versammlungen völlig zu Recht nicht
gewaltsam aufgelöst.
Im Gegenteil: Immer wieder bedrängten Jugendliche Polizist*innen, ertönte
aus dem rückwärts rollenden Polizei-Lautsprecherwagen die fast schon
flehentliche Bitte, doch wenigstens zu den Beamten Abstand zu wahren.
Später dann der eindringliche Hinweis, das Werfen von Flaschen und Steinen
seien „schwerste Straftaten – man nennt so was Landfriedensbruch!“
Sogar eine entwendete Polizeimütze wusste der pädagogisch begabte Sprecher
mit Worten zurückzubeschaffen, ohne dass auch nur Personalien hätten
aufgenommen werden müssen. Es schien, als hätte die Einsatzleitung
verstanden, dass sie es im Wesentlichen mit Demo-unerfahrenen Teenagern zu
tun hat, die ein legitimes Anliegen zusammengebracht hat – [2][der Protest
gegen rassistische Polizeigewalt].
Und am Ende steht doch wieder ein entgleister Polizeieinsatz, der einen
fassungslos zurücklässt. Ein Einsatz, der wirkt, als wäre das Wort
Verhältnismäßigkeit in der Polizeiausbildung nicht vorgekommen. Und der die
Frage aufwirft, ob der militarisierte Teil der Hamburger Polizei
reformierbar ist.
Drei Dutzend junge Menschen an der Außenwand des Hauptbahnhofs mit
erhobenen Händen aufgereiht wie Schwerverbrecher – und auch 48 Stunden
später erhebt die Polizei gegen keinen von ihnen einen strafrechtlich
relevanten Vorwurf. Das sind Szenen wie aus Pinochets Chile – oder eben wie
aus Hamburg. Es erinnert an den [3][Hamburger Kessel] von 1986, wenn
Minderjährige ihre Eltern stundenlang nicht anrufen dürfen und mitten in
der Nacht im Nirgendwo ausgesetzt werden.
Klar, Polizisten sind auch nur Menschen, und es ist ihnen kaum zu verübeln,
wenn sie am Ende eines aufreibenden Tages die Nerven verlieren und
zurückschlagen. Aber diese Massenfestnahme war keine spontane Überreaktion,
sondern eine polizeitaktische Maßnahme. Es ist der Obrigkeitsstaat, der den
vor allem migrantischen Jugendlichen zum Zweck der Einschüchterung so
gegenübertritt.
Dahinter müssen keine rassistischen Motive stecken, wie manche nun
vermuten. Aber den latenten Eindruck, in dieser Gesellschaft deklassiert zu
sein, kann so eine Behandlung auch unbeabsichtigt verstärken. Der
Werbeblock für den Rechtsstaat war jedenfalls nach 18 Uhr beendet.
9 Jun 2020
## LINKS
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[3] /Jahrestag-des-Hamburger-Kessels/!5307515
## AUTOREN
Jan Kahlcke
## TAGS
Polizei Hamburg
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