# taz.de -- Probleme des DFB im Umgang mit Rassismus: Vier Protestler und die I… | |
> Der Deutsche Fußball-Bund billigt zwar Antirassismusproteste, vor | |
> strukturellem Rassismus – auch im Fußball – verschließt man aber die | |
> Augen. | |
Bild: Botschaft gegen Rasssismus: Jadon Sancho gedenkt an George Floyd, einem O… | |
Vor zwei Wochen beschloss der DFB, keine Ermittlungen gegen jene | |
Bundesligaprofis einzuleiten, die nach Toren George Floyds gedachten und | |
ein Zeichen gegen Rassismus gesetzt hatten. Diese vier Spieler waren Achraf | |
Hakimi, Weston McKennie, Jadon Sancho und Marcus Thuram. [1][DFB-Präsident | |
Fritz Keller fand direkt salbungsvolle Worte]: „Der DFB tritt entschieden | |
gegen jede Form von Rassismus, Diskriminierung und Gewalt ein und steht für | |
Toleranz, Offenheit und Vielfalt – also Werte, die auch in der DFB-Satzung | |
verankert sind. Deshalb haben die Aktionen der Spieler unseren Respekt und | |
unser Verständnis.“ | |
Salbungsvoll sind diese Worte, weil sie opportunistisch sind. Was der DFB | |
nämlich nicht tat: Die Statuten so anzupassen, dass Antirassismus nicht | |
mehr als politisches Statement gilt. Und gleichzeitig darauf hinzuwirken, | |
dass die Fifa-Regeln in diesem Punkt verändert werden. Antirassismus ist | |
kein politisches Statement. | |
In Deutschland, das ist ein weit verbreitetes Vorurteil, mangelt es immer | |
schon an einer selbstbewussten Zivilgesellschaft. Der Deutsche fühlt sich | |
privat am wohlsten. Die Welt jenseits des Gartenzauns ist eine, wo das Zeug | |
herstammt, das abends auf den Grill kommt; die Probleme der anderen sind | |
glücklicherweise nie die eigenen; die eigenen aber sind immer die Probleme | |
der ganzen Welt. Der eigentliche Wappenspruch unter dem hässlichen Adler | |
lautet „Heul leise“. | |
So ist auch das Bonmot von Kurt Tucholsky zu verstehen: „Vor einem Schalter | |
stehen: das ist das deutsche Schicksal. Hinter dem Schalter sitzen: das ist | |
das deutsche Ideal.“ Denn was ist so ein Schalter anderes als ein | |
institutioneller Gartenzaun. Diese Einschätzung wird natürlich wieder böse | |
Kommentare nach sich ziehen, weil der Deutsche immer nur gelobt werden | |
will; wenn er Dinge liest, die von seiner Selbstwahrnehmung abweichen, | |
fühlt er die Erschütterung in der selbstmitleidigen Seele. | |
## Auch mal gegen Rassismus | |
Auch deswegen kann man sich hierzulande manchen Entwicklungen einfach nicht | |
verschließen, man möchte ja doch irgendwie gemocht werden; wenn in der | |
ganzen Welt Menschen auf die Straße gehen, um gegen Rassismus und | |
Polizeigewalt zu demonstrieren, dann ist man halt auch mal gegen Rassismus. | |
Und also lassen Borussia Dortmund und Bayern München ihre Spieler in | |
#blacklivesmatter-T-Shirts zum Fototermin antanzen, wo sie sich alle für | |
ein paar Bilder niederknien. | |
Mit dabei sind dann so Leute wie Thomas Müller oder Manuel Neuer. Thomas | |
Müller hat noch vor zwei Jahren [2][angesichts des Umgangs mit Mesut Özil] | |
lauthals verkündet: „Von Rassismus im Sport und in der Nationalmannschaft | |
kann keine Rede sein.“ Das sei alles eine „heuchlerische Diskussion. Damals | |
sagte er, der DFB habe nichts anderes gewollt, als dass Ruhe einkehrt; | |
blöderweise sei bei dem Thema immer wieder nachgebohrt worden. Außerdem | |
solle man sich nicht mit „Randerscheinungen“ aufhalten, sondern sich rein | |
aufs Sportliche konzentrieren. Und Manuel Neuer meinte, man brauche jetzt | |
wieder Spieler, die stolz seien, für ihr Land aufzulaufen, und dass sich | |
Mesut Özil seine Gründe halt selbst gesucht habe. | |
Das ist ein kollektives Wegsehen, das ist genau der strukturelle Rassismus, | |
den man in allen Bereichen beobachten kann. Diese Kultur des Wegsehens ist | |
im Fußball besonders verbreitet und hat sowohl Clemens Tönnies im Amt | |
gehalten hat als auch Roman Weidenfeller davonkommen lassen. Zu dieser | |
Kultur gehört auch, was Fritz Keller performt hat: warme Worte ohne | |
Konsequenzen. Und der Witz ist, dass ihn der Sportjournalismus mit | |
dergleichen davonkommen lassen wird, wie immer. | |
Es ist [3][auch auf diesen Seiten zu lesen] gewesen, dass der DFB mit | |
seiner Entscheidung, nicht zu ermitteln, einen Schritt in die richtige | |
Richtung gemacht haben. Dabei war das nur ein Ausfallschritt, der einem | |
Tunnel vorausgeht. Es gibt einen Willen, gut auszusehen; es gibt keinen | |
Willen, ein Problem zu adressieren; oder sogar zu lösen. | |
18 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.dfb.de/news/detail/politische-botschaften-im-stadion-keller-ini… | |
[2] /Der-Fall-Mesut-Oezil/!5526301 | |
[3] /Straffreiheit-fuer-muendige-Fussballer/!5690510 | |
## AUTOREN | |
Frédéric Valin | |
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