# taz.de -- Fußballidol Pavel Kuka: Der Igel im Sturm | |
> Der Stürmer des 1. FC Kaiserslautern tat nichts und war damit vollkommen | |
> erfolgreich. Einen wie Pavel Kuka muss man einfach anhimmeln. | |
Bild: Stehen und schauen: Pavel Kuka in seinem Element | |
Ich wuchs auf in einem kleinen Dorf [1][am Fuße der Alpen]. Es war ein | |
beschauliches, gemütliches Nest, man kannte sich, nichts blieb der | |
Nachbarschaft verborgen. Zwei Wirtshäuser gab es dort, einen Bäcker, einen | |
Metzger, zwei Zigarettenautomaten, ungefähr 3.000 Kühe – macht drei Kühe | |
pro Einwohner. Und zwei Vereine: Bayern oder VfB. Irgendwann später kam | |
noch der SC Freiburg dazu, aber das war nach meiner Zeit. Alle waren Bayern | |
oder VfBler, außer Knete, der wurde aus unerfindlichen Gründen 60er, obwohl | |
sein Vater es mit Werder Bremen hielt. Später wurde er Alkoholiker, das | |
kann aber auch eine Korrelation sein. | |
Ich aber, ich war nichts. Fußball interessierte mich nur gespielt. Ich war | |
in einem Alter, da ich noch lieber selbst draußen kickte, als breitbeinig | |
auf einem Sofa zu fläzen und altklug Passalternativen und verfehlte | |
Laufwege zu analysieren. Aber immer wieder, immer wieder kam diese Frage: | |
Was bist du für einer? Puh, keine Ahnung. Ich wollte nicht Bayer werden | |
oder VfBler. Meine Mutter war in der Pfalz aufgewachsen, und mein Onkel | |
lebte noch da, und in seinem orangenen Käfer hing ein Wimpel, auf dem | |
stand: FCK. Okay, dachte ich. Werd ich halt [2][Lauterer]. | |
Ich wurde Fan zu einer glücklichen Zeit, Lautern befand sich im | |
Höhenrausch: Pokalsieger 1990, Meisterschaft 1991. Nur eine Sache machte | |
mir Sorgen: Mir wollte partout keine Spielernummer einfallen, die ich hätte | |
auf meinen Rücken flocken lassen können. Stefan Kuntz? Den mochte jeder, | |
sogar die Bayern. Martin Wagner, der Mann mit Eisenfuß und Bumskopf? Andi | |
Brehme, bei dem erkennbar noch nie ein Groschen gefallen war? Vielleicht | |
Ciriaco Sforza, die Edelfeder? Hmm. | |
## „Ich bin schon da!“ | |
Und dann kam Pavel Kuka, 1993 war das. Pavel Kuka sah nicht nur aus wie ein | |
Igel, er spielte auch wie einer. Während die anderen durchs Feld jagten wie | |
die Hasen, rollte er sich vorne gemütlich ein und wartete, hob die Hand und | |
schrie: „Ich bin schon da!“ Und wenn dann schlechterdings jeder, Mit- und | |
Gegenspieler, inmitten des Ackers zu Boden stürzte, Martin Wagner nur noch | |
vom eigenen 16er-Eck flankte, dann spazierte Kuka vergnügt übers Feld und | |
erstolperte sich ein Tor. Oder zwei. | |
Der Mann entsprach meinen Idealen: Er tat nichts und war damit vollkommen | |
erfolgreich. Und er konnte sehr zurückhaltend verzweifelt dreinschauen, | |
wenn ihm mal wieder der Ball vom Fuß sprang. Immer griff er sich dann in | |
die Haare, was seine Frisur erklärt, und machte stumm den Mund auf. | |
Schmachtend saß ich vor dem Fernseher und betete diesen Gott an, der selbst | |
im Versagen derart gleichgültig blieb, dass er sich jedes Pathos verwehrte; | |
dass er noch nicht einmal aufschrie, sondern nur stumm seine Goldkronen | |
zeigte. | |
Es waren dann die dutzendfach ausgelassenen Chancen, nicht nur gegen | |
Leverkusen, durch die Pavel Kuka drei Jahre später den Abstieg in die | |
Zweite Liga besiegelte. Ich blieb ihm ergeben. Danach fügte sich Pavel Kuka | |
ein ins zweite Glied: Denn für einen Meister der Lakonie, wie er es war, | |
hatte Otto Rehhagel keinen Platz in seiner Elf, die er wie ein angespitzter | |
Pfahl durch die Spielordnungen der Gegner jagte. Er spielte wenig, schoss | |
noch weniger Tore, sein Anteil am Titelgewinn nach dem Wiederaufstieg: | |
überschaubar. | |
Er ging nach Nürnberg, wir verloren uns aus den Augen. Ich bin weggezogen | |
aus dem Dorf. Der FCK und ich, wir haben uns ein wenig entfremdet, weil mir | |
die Bindung gefehlt hat, ich bin ja Lauterer aus Trotz geworden. Ich spiele | |
nicht mehr, das Knie, sondern sitze auf Sofas und analysiere altklug | |
Zweikampfverhalten und Spielsystem. Ich verschenke mein Herz nicht mehr an | |
fremde Männer, die ich ausschließlich aus dem Fernsehen kenne. Und doch | |
denke ich noch oft an Pavel Kuka; immer dann, wenn mir etwas partout nicht | |
gelingen will. Dann mache ich kurz den Mund auf und greife mir in die | |
Frisur. Und dann geht’s wieder. | |
17 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Frédéric Valin | |
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