# taz.de -- Rückkehr der Zuschauer in der Bundesliga: Singen, Hüpfen, Tralala | |
> Der Präsident von Union Berlin träumt von einem vollen Stadion. Was | |
> verletzliche Menschen davon halten, braucht den Populisten nicht zu | |
> stören. | |
Bild: Ab zum Test! Für den Präsidenten von Union müssen Tribünen bald schon… | |
Union Berlin wird häufig unterstellt, ein „etwas anderer“ Fußballverein zu | |
sein. Kultig irgendwie, anachronistisch, traditionell, Fan-nah: ein Stück | |
heile Welt in einer durchkommerzialisierten Bundesliga. [1][Ein Bullerbü, | |
durch das Gesänge hallen]. | |
Union selbst wehrt sich gegen diesen Ruf (oder versucht, sich nicht von ihm | |
definieren zu lassen). Ein solches Label ist ja auch ein | |
Wettbewerbsnachteil: Es ist schwieriger, fragwürdige Sponsorendeals zu | |
rechtfertigen zum Beispiel, also so zu handeln wie die Konkurrenz am Markt. | |
Andererseits hat Union diesen Ruf, und das gibt manchen Forderungen mehr | |
Gewicht. | |
Wenn jetzt Unions Präsident Dirk Zingler die Ansicht vertritt, dass zeitnah | |
wieder in vollen Stadien gespielt werden müsse, kann er sich auch darauf | |
berufen, dass es ihm nicht nur um die Bilanz geht. Sondern um einen | |
Fußballverein, der sich eben auch über seine Fans definiert. | |
Dirk Zinglers Konzept ist im Grunde nur ein Wunschtraum: Man könne ja die | |
Leute testen – auf Kosten des Vereins –, und wer ein negatives Testergebnis | |
habe, könne dann ins Stadion, in dem dann für die Dauer des Spiels | |
Normalität gespielt wird: ohne Abstandhalten, mit Singen und Hüpfen und | |
Tralala. | |
Dirk Zinglers Verteidiger'innen verweisen gern zurück auf das, was sie | |
für die Sachebene halten: Machbarkeit und Finanzierbarkeit. Es sei | |
schließlich erst mal nur eine Idee, und irgendwie müsse es ja doch | |
weitergehen. Hundertprozentige Sicherheit gebe es ohnehin nicht (als hätte | |
das je wer behauptet). | |
## Zurück zur Normalität | |
Am Ende testet man die Unioner'innen alle zwei Wochen durch, obwohl nach | |
aktuellem Stand vor allem Social Distancing hilft. Aber der Wunsch nach | |
Rückkehr zu einer Normalität ist allgegenwärtig. Covid-19 ist von Anfang an | |
als Krise gelabelt worden, die es zu überwinden gilt. Viele scharren mit | |
den Hufen, und jetzt ist eben die Frage, wer lauter scharrt. Wer wie | |
schnell zur Normalität zurückdarf, ist auch eine Frage der | |
Verhandlungsposition. | |
Unioner'innen werden jetzt sagen, dass es ihr gutes Recht ist, zuallererst | |
auf die Belange des eigenen Klubs zu gucken. Die anderen machen das ja | |
auch. Viele scheinen ganz zufrieden damit, sich nach und nach „ihr Leben“ | |
zurückzuholen, während sich Risikogruppen isolieren und immer weniger am | |
wieder aufkeimenden gesellschaftlichen Leben teilnehmen. | |
Symptomatisch ist, dass der Vorschlag von einer Vor-Corona-Normalität aus | |
gedacht ist. Damit holt er auch alle Corona-Leugner'innen und | |
-Relativierer'innen ab. Das ist der populistische Anteil an diesem | |
Vorschlag, verbunden mit Dirk Zinglers pathetischer Selbstbeweihräucherung: | |
„Der einfache Weg war für Union noch nie eine Option.“ Gut hat es, wer sich | |
solche Sätze glaubt. | |
Währenddessen werden die Risiken weiter privatisiert. Es ist jetzt kaum | |
noch möglich, die Geschichte einer Corona-Erkrankung zu erzählen, ohne dass | |
das Gegenüber innerhalb von drei Sätzen nach Alter und Vorerkrankungen | |
fragt. Wer stirbt und Risikogruppe war, ist im Zweifel „schon auch ein | |
Stück weit“ selbst schuld, weil halt alt oder krank oder beides. Wie auch | |
immer die Realität für die anderen aussieht, darauf hat man sich schon mal | |
geeinigt. Der Rest darf hüpfen und singen. | |
15 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Frédéric Valin | |
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