| # taz.de -- Milliardenhilfen für Europa nach Corona: Noch ist nichts gewonnen | |
| > Mit Hunderten Milliarden Euro soll die EU nach der Coronakrise wieder auf | |
| > die Beine kommen. Gefordert ist dabei vor allem Kanzlerin Angela Merkel. | |
| Bild: Merkels Herkulesaufgabe: Deutschland übernimmt die Ratspräsidentschaft … | |
| Brüssel hat einen Plan. Er heißt [1][„Next Generation EU“], kostet schlap… | |
| 750 Milliarden Euro auf Pump – und soll den Wiederaufbau der europäischen | |
| Wirtschaft nach der Coronakrise sichern. | |
| Nach wochenlangem planlosem Gezerre ist das eine gute Nachricht. Zu Beginn | |
| der Krise ließen sich die 27 EU-Staaten von Egoismus und Nationalismus | |
| leiten. Nun wird wieder über Solidarität geredet. | |
| Doch wird diese Solidarität auch gelebt? Das ist die Frage, die die | |
| nächsten Wochen in Brüssel beherrschen wird und die über das Schicksal der | |
| EU entscheidet. Denn wenn die Union diesen Solidaritätstest nicht besteht, | |
| dann wird sie untergehen. Jetzt hat die „Stunde der Wahrheit“ geschlagen, | |
| die Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron seit Wochen beschwört. Vor allem | |
| Kanzlerin Angela Merkel muss Widerstände überwinden und Mehrheiten | |
| organisieren. | |
| ## Atemberaubende Kehrtwende | |
| Warum kommt es auf die Kanzlerin an? Nun, weil sich Macron seiner | |
| Verbündeten sicher sein kann. Er war es, der schon im März ein Bündnis von | |
| neun Staaten organisiert hat, die für mehr Solidarität stritten – damals | |
| hieß der Schlachtruf noch „Coronabonds“. | |
| Macron war es auch, der Merkel zu ihrer atemberaubenden [2][Kehrtwende in | |
| der Finanzpolitik] bewegt hat. Die Kanzlerin dagegen steht noch ganz am | |
| Anfang. Sie hat keine Bündnisse auf europäischer Ebene geschmiedet, die | |
| eine schnelle Einigung sichern könnten. Sie kann sich nur auf | |
| Kommissionschefin Ursula von der Leyen stützen. Der Rest ist Schweigen – | |
| oder offene Ablehnung. Das Problem sind nicht nur [3][die viel zitierten | |
| „Frugal Four“] – also die geizigen Vier um den österreichischen Kanzler | |
| Sebastian Kurz. Sie denken und reden immer noch wie Merkel vor der | |
| Coronakrise; die Kanzlerin hat sie nicht mitgenommen. | |
| Das Problem sind auch die Visegrád-Staaten, die bisher von vollen EU-Töpfen | |
| profitiert haben und nun plötzlich teilen sollen. Polen und Ungarn müssen | |
| sogar mit Kürzungen rechnen, wenn die Finanzhilfen künftig an | |
| Rechtsstaatlichkeit gebunden werden. | |
| Mit beiden Gruppen hat sich Merkel bisher gut verstanden, es gab auch | |
| manche Kungelei. Nun muss sie sie zum Umdenken bewegen. Das dürfte nicht | |
| einfach werden. Allerdings zeichnen sich auch schon mögliche Kompromisse | |
| ab. So könnte der Wiederaufbaufonds von den geplanten 750 Milliarden Euro | |
| auf 500 Milliarden zusammengestrichen werden. Wir wären dann wieder bei der | |
| Summe, die Merkel und Macron vorgeschlagen hatten. | |
| ## Merkel muss liefern | |
| Außerdem können die Staats- und Regierungschefs bei den nun anstehenden | |
| Verhandlungen den „Mix“ zwischen Transfers und Krediten verändern. Am Ende | |
| könnte ein „50:50“ stehen – die eine Hälfte wird als rückzahlbare Kred… | |
| vergeben, die andere Hälfte als Zuwendungen. | |
| Merkel kann auch noch an den EU-Beiträgen drehen – und durchsetzen, dass | |
| die umstrittenen Beitragsrabatte bleiben. Dies würde Kurz und dem | |
| niederländischen Premier Mark Rutte entgegenkommen. Sie könnten sich doch | |
| noch als Sieger präsentieren. | |
| Allerdings würden derlei Kompromisse den Zusammenhalt der EU schwächen und | |
| die Solidarität untergraben. Wenn Merkel als künftige EU-Ratspräsidentin an | |
| zu vielen Schrauben dreht, dann steht nicht nur weniger für den | |
| Wiederaufbau zu Verfügung. Dann könnte auch das Geld in der | |
| Gemeinschaftskasse knapp werden. | |
| Schon jetzt ist das EU-Budget auf Kante genäht. Der EU-Beitrag von rund 1 | |
| Prozent der Wirtschaftsleistung reicht hinten und vorne nicht. Er muss | |
| spürbar erhöht werden, wenn die EU die Krise wirklich meistern will. | |
| Wichtig wäre es auch, der EU neue Eigenmittel – also Steuern und Abgaben – | |
| zu sichern, um sie von den Staaten unabhängiger zu machen und die | |
| Rückzahlung der Schulden zu sichern. Bisher war Bundeskanzlerin Merkel | |
| dagegen. Auch sie wird sich noch bewegen müssen. | |
| 30 May 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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