# taz.de -- Ökonom über Hilfe für die Autoindustrie: „Kaufprämien staffel… | |
> Autoexperte Stefan Reindl plädiert für Kaufanreize für Autos, deren Höhe | |
> von Klimasapekten abhängt. So soll die Branche die Krise schnell | |
> überstehen. | |
Bild: VW-Werk in Wolfsburg | |
taz: Herr Reindl, Autohersteller und Politiker wollen [1][zusätzliche | |
staatliche Kaufprämien] für Autos, um VW, Daimler und BMW aus der | |
Coronakrise herauszuhelfen. Was halten Sie davon? | |
Stefan Reindl: Grundsätzlich muss es darum gehen, die Wirtschaft schnell | |
und effektiv wieder in Gang zu bringen. Deshalb brauchen wir auch | |
Instrumente, die die Nachfrage nach wichtigen Produkten von | |
systemrelevanten Branchen unterstützen. Da bietet die Automobilwirtschaft | |
einen guten Ansatzpunkt und einen großen Hebel. Deshalb halte ich | |
Kaufprämien für ein probates Mittel. | |
Was meinen Sie mit „Hebel“? | |
Die Autoindustrie im engeren Sinne hat in Deutschland etwa 800.000 | |
Arbeitsplätze. Rechnet man das Umfeld hinzu, beispielsweise Autohäuser, | |
Werkstätten, Finanzdienstleister und Tankstellen, geht es um 1,8 Millionen | |
Beschäftigte. Kaufprämien helfen, diese oft gut bezahlten Stellen zu | |
sichern, um daraus wiederum Nachfrage in anderen Branchen zu generieren. | |
Außerdem bezieht der hiesige Fahrzeugbau viele Vorprodukte etwa aus Italien | |
und Spanien. Auch Firmen und Beschäftigte dort profitieren also davon. | |
Wie stellen Sie sich die Prämien vor? | |
Die Bundesregierung sollte sie in Abhängigkeit vom Emissionsverhalten – | |
etwa beim Kohlendioxid – staffeln. Wer ein batterieelektrisches Auto kauft, | |
könnte den höchsten Staatszuschuss erhalten. Dann würden Hybridfahrzeuge | |
mit kombiniertem fossilen und E-Antrieb folgen. Aber auch moderne Benziner | |
und Diesel beispielsweise der Euro-Norm 6 sollte man nicht ausschließen. | |
Eine Höhe von insgesamt 10.000 Euro – also 4.000 Euro mehr als die aktuelle | |
Förderung – für einen Strom-Pkw wäre hilfreich. | |
[2][Elektrische Fahrzeuge] zu fördern trägt zum Klimaschutz bei. Aber was | |
bringen Zuschüsse für fossil angetriebene Wagen? | |
Neue Verbrenner verursachen weniger klimaschädliches Kohlendioxid als die | |
Pkws, die sich heute im Verkehr befinden. Und leider haben deutsche | |
Hersteller noch zu wenige elektrifizierte Modelle im Angebot. Die | |
Förderung darauf zu beschränken reduzierte den Effekt. Wir dürfen auch | |
nicht vergessen, dass viele Kund*innen den E-Autos skeptisch | |
gegenüberstehen. | |
VW-Chef Herbert Diess sagt, trotz Corona werde der Konzern dieses Jahr wohl | |
keinen Verlust machen. Warum soll die Politik dann mit Steuergeschenken | |
helfen? | |
Die Coronakrise fällt in eine für die Autoindustrie ohnehin schwierige | |
Zeit. Die Hersteller stemmen gigantische Investitionen in die | |
Elektrifizierung und Digitalisierung ihrer Modellpalette. Finanzielle | |
Hilfen können beitragen, diesen Prozess am Laufen zu halten. Um das zu | |
ermöglichen, sollten die Unternehmen aber vorübergehend darauf verzichten, | |
Dividenden auszuschütten. Auch die Aktionäre müssen in der Krise ihren | |
Beitrag leisten – und den Verzicht ihrerseits signalisieren. | |
Die deutsche Autoindustrie wird sich auch ohne Kaufprämien von der Krise | |
erholen. | |
Das glaube ich auch. Aber augenblicklich gestaltet sich der internationale | |
Wettbewerb im Automobilgeschäft sehr kapitalintensiv. Es geht darum, ob die | |
deutschen Hersteller ihre Marktanteile gegenüber chinesischen und | |
US-amerikanischen Konkurrenten halten und ausbauen können. Deshalb wäre es | |
gut, wenn VW, Daimler und BMW schnell wieder aus der Krise herauskommen. | |
[3][Monika Schnitzer], Ökonomin und Wirtschaftsweise, bezeichnet | |
Kaufprämien auch für Diesel und Benziner als „puren Lobbyismus“. | |
Auf den ersten Blick mag das so aussehen. Wenn man allerdings eine | |
Staffelung der Zuschüsse nach Klimaeffekt einführte, wäre der | |
gesamtgesellschaftliche Nutzen offensichtlich. | |
5 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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