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# taz.de -- Subventionen für die Automobilindustrie: Umweltprämie ohne Umwelt
> Mit Milliardenhilfen für neue Autos will die Politik die Wirtschaft
> wieder ankurbeln. Das war schon vor zehn Jahren eine Öko-Katastrophe.
Bild: Bald könnte es wieder deutlich mehr Altmetall geben
Fortschritt bringt häufig Kosten und Schmerzen. Ich erinnere mich noch gut
an die Dramen zu Hause, wenn wieder mal ein Kind die Hand in die
zuschnappende Schublade steckte, ein Finger in der Autotür eingeklemmt
wurde oder jemand ein Stuhlbein auf einen nackten Fuß stellte. Es folgten
Geschrei, Tränen, Trostpflaster. Und die Hoffnung, dass wir uns beim
nächsten Mal nicht mehr ganz so dämlich anstellen würden.
Damals, vor einem Jahrzehnt, hieß die Devise: Unser Nachwuchs muss aus
Schaden so schnell klug werden, damit das nächste, noch größere, Unheil
verhindert wird. Das hat in der Familie ganz gut geklappt. Alle leben noch.
Jeder hat noch zehn Finger.
In Politik und Wirtschaft lief es nicht ganz so gut. Vor elf Jahren
spendierte der Staat 1.932.929 Autobesitzern insgesamt fünf Milliarden
Euro, damit sie ihre Autos verschrotten ließen und neue kauften. Die (haha)
„Umweltprämie“ zur Rettung der Konjunktur in der Finanzkrise brachte dann
aber wenig für die Umwelt, sie half vor allem ausländischen Marken, die
kleinere Modelle anboten und ließ in den Jahren danach die Absätze wieder
sinken, weil alle ihre Käufe vorzogen. Öko-Bedingungen für die Öko-Prämie
gab es nicht.
Die „Umweltprämie“ war ein schönes Beispiel, wie man es nicht machen
sollte. Aber aus diesem Schaden klug zu werden, ist offenbar zu viel
verlangt. Jetzt heißt die Idee von Autolobby und „Autoländern“ (sind auf
diesen Ehrentitel eigentlich die Niedersachsen, Bayern und
Baden-Württemberger immer noch stolz?): zusätzlich 4.000 Euro Staatsknete
für neue E-Mobile und Plug-Ins, 3.000 für neue Diesel und Benziner. Die
Verbrenner würden dann mit dem gleichen Steuergeld gekauft, mit dem auch
die Klimaziele und das Ende des Verbrenungsmotors bezahlt werden sollen.
## „Umweltprämie“ ohne Umwelt: Ein abschreckendes Beispiel
Man kann aus Schaden also auch dumm werden.
Vieles ist anders als 2009: Die Wirtschaft braucht im Corona-Schock
tatsächlich einen Kaltstart. Aber mit den alten Mitteln? Beim bisherigen
Markt würde nur ein Mini-Anteil der Käufer sich für Null-Emissionsfahrzeuge
entscheiden, das meiste würde in die schlechte alte Benziner- und
Dieseltechnik fließen, auch wenn diese inzwischen effizienter und sauberer
ist.
Das vergangene Jahrzehnt war aus ökologischem Blickwinkel für den Verkehr
ein Desaster: Es war die Zeit, in der die CO2-Emissionen aus den
Auspufftöpfen nicht gesunken, sondern gestiegen sind; in dem wir die Folgen
des Klimawandels auf der Haut zu spüren beginnen; in der die Hersteller den
großangelegten Dieselbetrug mit Wissen und stillschweigender Billigung der
Regierung durchgezogen haben; und in dem die Konzerne einen Rekordgewinn
nach dem nächsten gemacht haben.
Mit einer „Innovationsprämie“ den Autobauern Starthilfe zu geben, ist
vielleicht sogar eine gute Idee – wenn es sie nicht an die alten Verbrenner
kettet, sondern schneller zu einer klimafreundlichen Produktpalette bringen
könnte. Ob das überhaupt funktioniert, ist fraglich. Aber man sollte es
zumindest probieren, wenn man dazu mein Steuergeld benutzen will. Nur so
könnten wir aus dem Schaden des letzten Jahrzehnts noch ein bisschen klug
werden.
## Vollfiasko statt Vollkasko
Aber als Autofahrer sind wir es ja gar nicht mehr gewohnt, mit Schäden zu
leben. Dafür gibt es die Versicherung, am besten Vollkasko. Das Versprechen
lautet: jetzt zahlen und sorglos in die Zukunft brausen.
In dieser Logik ist uns aber auch klar: Steigt das Risiko, erhöht die
Versicherung die Prämie. Die einzige Versicherung gegen das Klimachaos ist
aber eine andere, nicht-fossile Mobilität. Dafür steigen gerade die
Prämien, und die sollten wir auch zahlen.
Aber nicht für das sorglose Weiter-so mit dem Verbrenner. Das endet nicht
im Vollkasko. Sondern im Vollfiasko.
8 May 2020
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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