# taz.de -- 1. Mai in Berlin: Die richtigen Kräfte bündeln | |
> Protest geht auch ohne physische Masse – mit dezentralen Aktionen und | |
> online: Warum der 1. Mai in diesem Jahr besonders wichtig ist. | |
Bild: Die Straße als Transparent: Protest in Zeiten von Covid 19 | |
Ja, es nervt. Ja, die physische Masse würde sich um vieles besser anfühlen, | |
besser aussehen. Ja, die große Gruppe hat Rückhalt und Auftrieb gegeben in | |
dieser Verrücktheit, die viele für Normalität hielten. Ja, die | |
Ungerechtigkeit ist himmelschreiend und die Mächtigeren oft zum Kotzen | |
selbstgefällig. Ja, die Grundrechte sind in ungekanntem Maß beschnitten. | |
Und doch: Selten war es so wichtig, genau hinzuschauen, was die da neben | |
dir fordern. Selten war es so wichtig, um die zu werben, die das | |
Klassenbewusstsein, den Selbstwert, den Queerfeminismus nicht geerbt oder | |
im Semesterplan haben. Selten war es so wichtig, ohne Arroganz, die | |
richtigen Kräfte zu bündeln und nicht die falschen. Selten war es so | |
wichtig, nüchtern zu sein, möglichst alle Details zu kennen und genau sagen | |
zu können, was es ist, dass dich protestieren lässt – [1][am 1.] [2][Mai in | |
Berlin]. | |
Ungleichheiten verschärft | |
Ja, die Krise macht die Ungleichheiten in der Stadt, im Land, in Europa und | |
weltweit nur noch deutlicher. Ein Moment der Heimeligkeit, der höchstens | |
nervigen Einschränkungen für die einen, stellt sie für viele eine | |
existenzielle Bedrohung dar oder bedeutet ungeschützte Maloche auf | |
Baustellen, in Amazon-Lagerhallen, in Pflegeheimen und Geschäften. In | |
kaputtgesparten, auf Profitlogik getrimmten Krankenhäusern. Vor allem | |
Frauen* leisten diese schlecht bezahlte Arbeit und vielfach zusätzlich | |
unbezahlte Sorge-Arbeit. | |
Statt sie dezentral in freistehenden Hotels und Wohnungen unterzubringen, | |
werden Geflüchtete in der Krise noch weiter abgeschottet und teils zu | |
Hunderten unter Quarantäne gestellt. Wurden für deutsche Tourist*innen alle | |
Hebel in Bewegung gesetzt, fehlt der politische Wille, im Mittelmeer | |
ertrinkende Menschen zu retten und aus griechischen und lybischen Lagern zu | |
evakuieren. Nahezu ungehindert droht dort die Ausbreitung des Virus. | |
Solidarität zeigen, Widerspruch einlegen | |
Nein, das muss mensch nicht einfach hinnehmen. Nein, das verdammt nicht zur | |
Untätigkeit. Nein, die Verschwörungstheoretiker und Nazis werden nicht den | |
ersten Mai für sich haben. Es gilt echte Solidarität zu zeigen und weiter | |
zu kämpfen. Es gilt Widerspruch einzulegen. In Mitte und in 36, im | |
Grunewald und im Wedding, in Rudow, in Potsdam, in Lichtenberg und Cottbus. | |
Auf Transparenten und Plakaten, mit Sprühdose oder Kreide, mit lauten | |
Parolen, Musik und Wurfzetteln. Bei dezentralen Aktionen, vom Balkon aus, | |
online. Es gilt, Abstand zu halten und einen Gesichtsschutz zu tragen. | |
Nicht, weil Staat und Polizei dazu zwingen, sondern aus Solidarität mit den | |
durch Ungleichheit besonders Gefährdeten. | |
29 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Hunglinger | |
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