| # taz.de -- Berliner Theater im Internet: Der Bildschirm als Bühne | |
| > Die Theater zeigen in Streamings unter anderem Meilensteine der | |
| > Theatergeschichte – und unbeholfene Schauspieler*innen auf ihren | |
| > heimischen Sofas. | |
| Bild: Die „Drei Schwestern“ in Peter Steins Schaubühnen-Inszenierung von 1… | |
| Normalerweise wird von hier aus auf das Treiben der Berliner Bühnen | |
| geblickt. Zur Zeit aber haben die Bühnen der Stadt bekannterweise | |
| geschlossen. Social distancing lautet die Corona-bedingte Devise, was für | |
| ein soziales Medium wie das [1][Theater] natürlich ausgesprochen ungünstig | |
| ist. | |
| Denn nicht nur die Zuschauer*innen müssen jetzt zu Hause bleiben. Auch die | |
| Künstler*innen müssen das. Aus dieser Not aber machen die Theater nun eine | |
| Tugend und wandern dorthin, wo sich ihr Publikum schon lange befindet: | |
| nämlich ins Internet. | |
| Hier bieten sie Streamings von Aufzeichnungen aktueller und historischer | |
| Produktionen an. Die Schaubühne zum Beispiel [2][streamt] nicht nur | |
| Aufzeichnungen von Inszenierungen aus ihrer jüngeren Vergangenheit. Sie hat | |
| auch legendäre Meilensteine der Theatergeschichte im Programm, in die sich | |
| das Haus unter der künstlerischen Leitung von Peter Stein eingeschrieben | |
| hat. | |
| ## Simultan auf zwei Bühnen | |
| Am Sonntag gibt es Steins berühmte Inszenierung [3][„Drei Schwestern“] von | |
| 1986. Am 15. April steht Luc Bondys Botho-Strauß-Uraufführung aus dem Jahr | |
| 1990 [4][„Die Zeit und das Zimmer“] auf dem digitalen Ersatzspielplan. Auch | |
| das BE [5][streamt]. On Demand gibt es dort diese Woche Kay Voges’ simultan | |
| auf zwei Bühnen in zwei verschiedene Städten spielenden Theaterabend | |
| [6][„Die Parallelwelt“]. | |
| Oder die Künstler*innen senden direkt aus ihrem jeweiligen Homeoffice. | |
| Mitglieder des Ensembles des Deutschen Theaters beispielsweise lesen | |
| täglich eine Novelle aus Giovanni Boccaccios [7][„Decamerone“]. | |
| Die Rahmenhandlung passt ganz gut in unser Pandemie-geplagtes heute: sieben | |
| Frauen und drei Männer sind im 14. Jahrhundert vor der Pest aus Florenz in | |
| ein Landhaus geflüchtet und vertreiben sich dort die Quarantäne-Zeit mit | |
| dem Erzählen von Geschichten – jenen Novellen eben, die das Buch Decameron | |
| versammelt. | |
| Allerdings ist (und das gilt jetzt nicht fürs DT sondern generell) das | |
| Problem mit den Künstler*innen im Home-Office, dass es sich augenblicklich | |
| in eine Home-Stage verwandelt, kaum dass die Kamera läuft und die | |
| künstlerische Darbietung beginnt. | |
| ## Künstler*innen zu Normalos | |
| Da sehen wir plötzlich weniger die Kunst als die häuslichen Rahmen, in | |
| denen sonst so dem Alltäglichen entrückten Schauspieler*innen zu Normalos | |
| werden: Schauspieler X sieht müde und unrasiert aus. Hat er heute schon | |
| geduscht?, frage ich mich unwillkürlich. | |
| Schauspielerin Y, die auf der Bühne eine flirrende, irisierende Zauberin | |
| ist, wirkt auf ihrer Home-Stage plötzlich wie eine Figur aus einem | |
| Sozialporno von Gerhart Hauptmann. Auch wenn sie toll vorlesen kann. Werde | |
| ich ihr das Flirrende auf der Bühne jetzt jemals wieder glauben können? | |
| Und so streife ich suchend durch die digitalen Angebote der Theater und | |
| habe dabei längst Berlins Stadtgrenzen überschritten. Morgen, das nehme ich | |
| mir jetzt schon vor, schaue ich mal im [8][Wiener Burgtheater] oder in den | |
| [9][Münchner Kammerspielen] vorbei. Und nächste Woche klicke ich mich mal | |
| durch bis New York. | |
| ## Maximal underdressed | |
| Bis dahin beobachte ich noch ein bisschen die deutschen Bühnen, stoße dabei | |
| gelegentlich gar Schauspieler*innen, die sich maximal underdressed auf dem | |
| heimischen Sofa präsentieren und irgendwelche merkwürdigen Mätzchen machen. | |
| Und ich bin gerührt und geschüttelt, wie unbeholfen die | |
| Theaterkünster*innen aktuell durchs Internet tappen. Da möchte ich dem oder | |
| der einen oder anderen Profidarsteller*in einmal empfehlen, ein paar | |
| Nachhilfestunden auf Tik-Tok zu nehmen, jenem Social Media-Video-Kanal, auf | |
| dem sich schon längst Laien und sogenannte Normalos mit größerer | |
| Professionalität in Szene setzen. | |
| 10 Apr 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /!5677513/ | |
| [2] https://www.schaubuehne.de/de/seiten/online-spielplan.html | |
| [3] https://www.schaubuehne.de/de/produktionen/drei-schwestern-2.html | |
| [4] https://www.schaubuehne.de/de/produktionen/die-zeit-und-das-zimmer-.html | |
| [5] https://www.berliner-ensemble.de/be-on-demand | |
| [6] https://www.berliner-ensemble.de/inszenierung/die-parallelwelt | |
| [7] https://www.deutschestheater.de/programm/aktuelles/liebesgeschichten-in-zei… | |
| [8] https://www.burgtheater.at/ | |
| [9] https://www.muenchner-kammerspiele.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Esther Slevogt | |
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