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# taz.de -- Bodo Ramelow über Corona-Skeptiker: „Das ist Provokation“
> Wenn sich Pegida, AfD und bürgerliche Sorgen vermischen, sei das toxisch,
> sagt Thüringens Ministerpräsident. Ihn ängstigen die
> Verschwörungsfantasien.
Bild: Hauptsache die Deutschlandfahne ist dabei...und ein Feindbild
taz: Herr Ramelow, am Wochenende gingen bundesweit [1][tausende Menschen
auf die Straße, um gegen die Corona-Einschränkungen zu protestieren], auch
in Thüringen. Was ist davon zu halten?
Bodo Ramelow: Das ist zuerst mal ein Kuriosum: Die Menschen behaupten, ihr
Recht, sich zu artikulieren, sei eingeschränkt, aber sie tun und dürfen
genau das. Diesen Widerspruch merken die Beteiligten offenbar selbst nicht.
Das ist symptomatisch: Bei diesen Kundgebungen ist derzeit viel Unwahrheit
und Motivation aus ganz anderen politischen Suppen dabei.
Wer geht denn da auf die Straße: Besorgte Bürger, Verschwörungstheoretiker,
Impfgegner, Rechtsextreme?
Man muss da differenzieren. Wir hatten in Thüringen Gastronomen, die Stühle
vor ihre Restaurants gestellt haben, oder Reisebüro-Besitzer, die mit
gepackten Koffern protestierten. Sie haben Sorgen artikuliert, weil sie
wegen der Einschränkungen ökonomisch in die Knie gehen. Das ist etwas
anderes als diese seltsamen Spaziergänge, die behaupten, ihre
Meinungsfreiheit werde ihnen genommen, [2][die von einer Weltverschwörung
von Bill Gates bis zu Frau Merkel fabulieren] oder über einen Impfzwang,
über den niemand diskutiert. Die bewusst auf einen Mund-Nasen-Schutz
verzichten und auf engstem Raum zusammenstehen. Das ist Provokation. Wenn
auch Polizisten oder Journalisten angegriffen werden, ist das alarmierend.
Bei Ihnen in Thüringen demonstrierte in Gera nun auch der FDP-Landeschef
Thomas Kemmerich mit. Wie bewerten Sie das?
Die Bilder, die es davon gibt, zeigen, dass Herr Kemmerich dort ohne
Mund-Nasen-Schutz und ausreichenden Abstand mitgelaufen ist.
Vorbildfunktion? Fehlanzeige. Dazu muss sich Herr Kemmerich fragen, mit wem
er sich da in geistiger Kumpanei bewegt. Wer einfach so mitläuft, wo
Menschen sich über Weltverschwörungen oder antisemitisch äußern, der macht
sich dies zu eigen.
Sie selbst haben als Thüringer Ministerpräsident die Corona-Einschränkungen
beschlossen. Wurden ebendiese zu wenig vermittelt, wenn die Leute jetzt so
auf die Straße gehen?
Der Staat hat sich permanent erklärt. Aber die Entwicklungsdynamik ist
derzeit so hoch wie noch nie. Wenn wir als Staat eine Erklärung zu den
Maßnahmen abgeben, geht auf der einen Seite sofort das Gedonner los, warum
wir das nicht längst beschlossen haben. Auf der anderen Seite kommt die
Gegenbewegung, die alles für überzogen hält. Und dann haben wir in
Thüringen noch die AfD, die einfach böswillig Unwahrheiten behauptet, etwa
dass wir nun Bordelle öffnen, aber Kindergärten nicht – was schlicht nicht
stimmt. Es ist doch klar, warum wir dies alles gerade tun: Wir tun es zum
Schutz für Leib und Leben.
Und dennoch gehen nun Menschen auf die Straße. Wie muss die Politik, wie
müssen Sie jetzt darauf reagieren?
Die Proteste sind das gute, legitime Recht der Menschen. Wir leben nicht in
einem Polizeistaat, der so etwas untersagt. Wir in Thüringen haben als
Erste das Demonstrationsrecht wieder zugelassen, noch vor dem Bund. Weil es
ein wichtiges Grundrecht ist. Aber auf die Proteste reagieren, wie denn?
Noch mehr Dialog und Vermittlung?
Wie soll ich denn auf diese haltlosen Verschwörungen reagieren? Wie soll
ich auf Impfgegner reagieren, wenn es gar keine Debatte über einen
Impfzwang gibt, oder überhaupt erst ein Impfmittel? Das ist das Problem:
Ich kann auf vieles gar nicht reagieren, was da gerade diskutiert wird. Ich
kann nur akzeptieren, dass diese Menschen unterwegs sind. Aber wir müssen
auf der Hut sein, wo sich Pegida und AfD, bürgerliche Sorgen und
Existenzsorgen vermischen, das ist toxisch. Das darf man nicht
unterschätzen. Die eigentliche Sorge, die ich habe, ist aber eine andere.
Und zwar?
Die vor einer zweiten Infektionswelle. Ich sorge mich vor dieser
Verharmlosung und Leichtsinnigkeit, die diese selbsternannten Spaziergänger
da gerade betreiben. Oder dass mir selbst gescheitere Leute dieses
Verschwörungszeug zuschicken. In Sonneberg demonstrieren die Menschen, dass
das Virus nicht vorhanden oder harmlos ist, und gleichzeitig müssen wir
wegen der Krankheitsfälle die Klinik schließen. Diese Gleichzeitigkeit
alarmiert mich, ja, sie macht mir richtig Angst.
10 May 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Konrad Litschko
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