| # taz.de -- Infektionsschutz bei Corona-Protesten: Länder wollen härter durch… | |
| > Bei den Kundgebungen gegen Corona-Maßnahmen wird Infektionsschutz oft | |
| > ignoriert. Nun wollen mehrere Länder und Städte Auflagen strikter | |
| > durchsetzen. | |
| Bild: Bei den Protesten tritt Infektionsschutz oft in den Hintergrund | |
| BERLIN taz | Es waren Szenen, die so nicht hätten stattfinden sollen. Dicht | |
| an dicht standen Corona-SkeptikerInnen am Wochenende auf ihren | |
| Kundgebungen, viele ohne Mundschutz, weit zahlreicher als von den Behörden | |
| erlaubt oder gänzlich unangemeldet. [1][In Nürnberg kam es zu Rangeleien | |
| mit PolizistInnen, in Berlin zu Flaschenwürfen und 86 Gewahrsamnahmen, in | |
| Dortmund zu einem Angriff auf zwei JournalistInnen]. | |
| Nun wollen mehrere Länder und Städte die Wiederholung solcher Szenen | |
| verhindern. Als „absolut inakzeptabel“ bezeichnete Bayerns Innenminister | |
| Joachim Herrmann (CSU) das „auflagenwidrige Verhalten“ bei den | |
| Versammlungen in München und Nürnberg, wo sich statt der genehmigten 50 und | |
| 80 Teilnehmer je bis zu 3.000 Menschen zusammengefunden hatten. Man müsse | |
| „dafür sorgen, dass solche Geschehnisse nicht mehr auftreten“. Auch | |
| Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte, er habe „gar kein | |
| Verständnis für Demonstrationen, die durch fehlende Distanz und | |
| Mund-Nasenschutz jede positive Entwicklung des Infektionsgeschehens | |
| konterkarieren“. | |
| Am Dienstag beschloss die bayrische Landesregierung daher die Erarbeitung | |
| eines neuen Auflagen- und Polizeikonzepts für die Kundgebungen. Damit soll | |
| eine „infektionsschutzkonforme Durchführung von Versammlungen in Zeiten der | |
| Corona-Pandemie bestmöglich gewährleistet“ werden, heißt es im Beschluss. | |
| Schwerpunkt sei ein „polizeiliches Kräftemanagement sowie ein örtlich und | |
| situativ angepasstes, stufenweises Vorgehen bei der Auswahl geeigneter | |
| polizeilicher Maßnahmen“. | |
| Bereits am Montag hatte sich Herrmann mit Reiter, Nürnbergs | |
| Oberbürgermeister Marcus König sowie den zuständigen Polizeipräsidenten | |
| ausgetauscht. Ein Sprecher Reiters sagte, man werde „im Lichte des | |
| vergangenen Samstags“ für künftige Kundgebungen „strenge Kriterien bis hin | |
| zur Ablehnung anwenden“. | |
| Auch anderenorts will man nun mehr Strenge. So zeigte sich | |
| Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) | |
| „hochgradig beunruhigt“ über die Proteste, [2][bei denen sich in Stuttgart | |
| mehr als 10.000 Menschen versammelt hatten]. Die Demonstrationen dürften | |
| nicht zu „Infektions-Hotspots“ werden. Konsequenzen würden geprüft. | |
| ## „Vorgänge nicht nochmal hinnehmen“ | |
| Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) äußerte gar, sie habe | |
| „mit großer Empörung“ die Corona-Demonstration „einer rechtsextremen und | |
| verschwörungstheoretischen Mischpoke in unserer Stadt wahrgenommen“. | |
| Mehrere hundert Menschen hatten sich in Köln unangemeldet versammelt. Laut | |
| Polizei forderten einige DemonstrantInnen Umstehende auf, ihre Schutzmasken | |
| abzunehmen. Reker erklärte: „Nochmal werden die Stadt und Polizei solche | |
| Vorgänge nicht hinnehmen.“ Auch Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob nannte die | |
| Szenen „unbegreiflich“. „Offenbar haben diese Menschen immer noch nicht | |
| verstanden, dass es hier nicht nur um ihre Gesundheit, sondern auch um das | |
| Leben anderer Menschen geht.“ | |
| Auch in Thüringen gibt es Druck. Gesundheitsministerin Heike Werner (Grüne) | |
| erwartet, „dass die Polizei für die nächsten Demonstrationen besser | |
| vorbereitet ist.“ So hatten in Gera mehrere hundert Menschen, darunter | |
| FDP-Landeschef Thomas Kemmerich, demonstriert, teils eng an eng. Für | |
| Innenminister Georg Maier (SPD) wäre es schon deshalb möglich gewesen, die | |
| Versammlung aufzulösen. | |
| In Berlin kündigte die Polizei bereits ein neues Einsatzkonzept für die | |
| nächsten Kundgebungen an. Innensenator Andreas Geisel (SPD) erklärte: „Es | |
| ist doch ganz einfach: Je mehr Menschen auf engstem Raum zusammenkommen, | |
| umso höher ist das Infektionsrisiko. Das muss unsere Richtschnur für die | |
| Bewertung der Lage sein.“ | |
| Für die Polizei könnte die eingeforderte Strenge jedoch zum Problem werden. | |
| Denn die Auflösung von Versammlungen unterliegt hohen Hürden und bräuchte | |
| viele BeamtInnen, um sie durchzusetzen. Zudem drohten Tumulte und auch auf | |
| diese Weise Infektionsrisiken. In München hatte die Polizei ihre | |
| Zurückhaltung genau damit begründet: „Um eine Eskalation zu vermeiden, | |
| wurde aus Gründen der Verhältnismäßigkeit entschieden, die grundsätzlich | |
| friedliche Versammlung weiterlaufen zu lassen.“ | |
| ## Zentrale Plätze | |
| Bayerns Innenminister Herrmann schlägt nun vor, die Kundgebungen von | |
| zentralen Plätzen zu verbannen – weil sie dort zusätzlich auf tausende | |
| Passanten träfen. In München stelle sich zudem die Frage, ob man die | |
| Versammlungsleiterin „ein weiteres Mal in dieser Funktion akzeptieren | |
| kann“, nachdem diese zum zweiten Mal die Kundgebung nicht habe „lenken“ | |
| können. Auch müssten TeilnehmerInnen, die sich nicht an die Auflagen | |
| hielten, künftig mit Identitätsfeststellungen durch die Polizei rechnen. | |
| In Cottbus gingen Versammlungsbehörde und Polizei noch einen Schritt | |
| weiter: Sie untersagten eine für Dienstag geplante Corona-Kundgebung, | |
| organisiert vom islamfeindlichen Verein „Zukunft Heimat“. Die Begründung: | |
| Die DemonstrantInnen hätten in der Vorwoche Abstände nicht eingehalten, | |
| keine Schutzmasken getragen und sich in größerer Zahl als erlaubt | |
| versammelt. Ein AfD-Abgeordneter rief daraufhin zu einer Demonstration an | |
| einem anderen Ort auf – die ebenso untersagt wurde. Das Verwaltungsgericht | |
| Cottbus gab am späten Nachmittag indes einem Eilantrag gegen das Verbot | |
| statt: Die Versammlung durfte mit maximal 50 Teilnehmern und | |
| Abstandsauflagen am Abend doch stattfinden. | |
| ## Sicherheitsbehörden blicken auf Proteste | |
| Inzwischen haben auch Sicherheitsbehörden die Corona-Proteste im Blick. Von | |
| einer „sehr dynamischen Lage“ spricht BKA-Präsident Holger Münch. Das The… | |
| Corona werde von Verschwörungstheoretikern „dankend aufgenommen“, auch | |
| Rechtsextreme versuchten den Protest „zu kapern“. Die Wahrscheinlichkeit, | |
| dass dies ein größeres Problem werde, steige mit einer sinkenden Akzeptanz | |
| der Corona-Maßnahmen oder einer wirtschaftlichen Krise. Der Brandenburger | |
| Verfassungsschutzchef Jörg Müller spricht bereits [3][von einer | |
| „gefährlichen Mischung“ aus Verschwörungstheoretikern, Extremisten und | |
| Normalbürgern], die sich auf den Kundgebungen versammelten. | |
| Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hält sich mit einer Einordnung | |
| bisher zurück. Die Protestierenden agierten „nicht als zusammenhängende | |
| Gruppierung“, sagte sein Sprecher der taz. „Einigkeit besteht lediglich in | |
| der vorgebrachten Regierungskritik bezüglich der Corona-Maßnahmen.“ Eine | |
| links-rechts-Einordnung sei daher nicht möglich, auch ein „spezifisches | |
| Gefahrenpotential bislang nicht erkennbar“. Bei den Verstößen handele es | |
| sich bisher um „Einzelfälle“. | |
| 12 May 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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