| # taz.de -- Antisemitismus in der Coronakrise: Alte Feindbilder neu | |
| > In der Coronapandemie finden antisemitische Vorurteile besonders großen | |
| > Anklang. Die Anhänger solcher Weltbilder sind nicht mehr zu retten. | |
| Bild: Tragen des Davidsterns: eine Überzeichnung der heutigen Situation und Ve… | |
| Judensterne mit der Aufschrift „Ungeimpft“, Schmähungen des jüdischen | |
| Geschäftsmanns George Soros, Berichte, wonach „zionistische Geheimlabore“ | |
| das Virus hergestellt hätten: Die Coronakrise scheint ein [1][idealer | |
| Nährboden für antisemitische Vorurteile] zu sein. | |
| Latent vorhandener Antisemitismus „erhält neue Nahrung“, sagt dazu der | |
| Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein. Der Psychologe | |
| Ahmad Mansour geht davon aus, dass alte Feindbilder an die aktuelle | |
| Situation angepasst werden. Kaum ein Feindbild eignet sich dafür besser als | |
| [2][die Mär von der „jüdischen Weltverschwörung“], die eine „Weltregie… | |
| plane und dazu das Virus als Vorwand für die Knechtung der Bevölkerung | |
| erfunden habe. | |
| Wenn es um die Frage geht, wie sich solcher gefährlicher Unsinn bekämpfen | |
| lässt, lohnt ein Blick in die Vergangenheit. Es hat seit Ende des 19. | |
| Jahrhunderts nicht an Versuchen gefehlt, den Antisemitismus zu bekämpfen. | |
| Doch das Ergebnis dieser Versuche fällt deprimierend aus. Der Verein zur | |
| Abwehr des Antisemitismus wurde 1890 im Deutschen Kaiserreich gegründet. | |
| Sein Ziel: den Judenhass mit rationalen Argumenten bekämpfen. | |
| Bis 1933 erschienen in Deutschland Tausende Flugblätter und Druckschriften | |
| gegen den Judenhass, angefangen bei den „Abwehrblättern“ bis hin zum | |
| „Anti-Anti“ des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. | |
| Diese Loseblattsammlung zerlegt antisemitisch geprägte Behauptungen von A | |
| wie „Auslandsbanken“ bis Z wie „Zersetzender Geist“ mit bemerkenswerter | |
| Gründlichkeit und erschien in sieben Auflagen. „Wir müssen endlich einmal | |
| endgültig dieser unwürdigen Judenhetze im deutschen Volke ein Ende machen, | |
| aus Wahrheitsliebe und Gerechtigkeit gegenüber unseren jüdischen | |
| Mitbürgern, aus Liebe zum deutschen Volke, zur deutschen Kultur“, heißt es | |
| im Vorwort. | |
| So inkohärent der Antisemitismus in seinen Argumentationsmustern ist, die | |
| „den Juden“ gleichzeitig für die Schrecken von Kommunismus und Kapitalismus | |
| verantwortlich machen, so wenig sind deren Anhänger rationalen Argumenten | |
| zugänglich. Und schon damals galt, was heute im Zeitalter der sogenannten | |
| sozialen Medien erst recht manifest ist: Antisemiten sind mit dieser Art | |
| Publikationen gar nicht zu erreichen. Sie nehmen sie schlicht nicht zur | |
| Kenntnis, sondern entnehmen ihre „Argumente“ ihrer eigenen gefilterten | |
| Blase. | |
| ## Bekehrung scheint aussichtslos | |
| Diese Erkenntnis ist angekommen: Versuche, eingefleischte Antisemiten vom | |
| Unsinn ihres Glaubens zu überzeugen, werden kaum mehr unternommen. | |
| Stattdessen bemühen sich Pädagogen und Gedenkstätten darum, judenfeindliche | |
| Vorurteile zu bekämpfen, schon bevor sich diese in den Köpfen festsetzen. | |
| Wenn dagegen Antisemiten Gesetze verletzen, ist die Staatsanwaltschaft | |
| gefragt. | |
| Antisemitische Vorurteile erleben im Rahmen der [3][irrationalen Suche nach | |
| Schuldigen] für die Coronakrise eine Aufwertung, darin sind sich Experten | |
| einig. Ihre Vorstellungswelt ist ähnlich irrational wie vor 1945, auch wenn | |
| sich die Bezugspunkte verändert haben: Da werden einerseits Vergleiche | |
| zwischen 2020 und dem Ermächtigungsgesetz 1933 gezogen, um die | |
| Bedrohlichkeit der heutigen Situation zu überzeichnen (und die Nazizeit zu | |
| verharmlosen), andererseits wird Juden eine abgrundtiefe Bösartigkeit | |
| angedichtet, obwohl es doch genau diese waren, die ab 1933 unter dem | |
| NS-Regime am meisten zu leiden hatten. | |
| Mit dem Wissen um die Geschichte erscheint es einigermaßen aussichtslos, | |
| antisemitische Verschwörungsmystiker bekehren zu wollen. Felix Klein | |
| empfiehlt, gegenüber den Mitläufern „Druck zu machen“. Es müsse für sie | |
| unangenehm werden, ihre Hassbotschaften zu verbreiten. Gegen die Ideologen | |
| dagegen helfe „nur Repression“. | |
| 20 May 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
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