# taz.de -- taz-Podcast „Nur Mut“: Krisenjammer im Klopapierbunker | |
> Im neuen taz-Podcast spricht die Psychotherapeutin Petra Muth über | |
> Bewältigungsstrategien, warum Jammern gut tut und was wir von Aladin | |
> lernen können. | |
Bild: Eine Sorge weniger: Die Bewältigungsstrategie „Klopapier-Hamstern“ i… | |
KÖLN taz | Unsere Stimmung pendelt immer. Auch im Alltag: Mal fühlen wir | |
uns super, mal ganz ok, mal völlig durch. In einer Krise ist das nicht | |
anders – nur dass die Ausschläge des Pendels unter Umständen weiter werden, | |
schneller, belastender. Warum das so ist, woran es liegen kann, dass manche | |
besser klarkommen als andere und wie wir dafür sorgen, dass wir uns wieder | |
einpendeln: [1][Das erklärt die Therapeutin Petra Muth in der zweiten | |
Folge] des neuen taz-Podcasts „Nur Mut – Anleitung für den Krisenkopf“ | |
Frau Muth ist eine sogenannte psychologische Psychotherapeutin: Sie hat | |
lange stationär in Kliniken gearbeitet und tut das nach wie vor ambulant, | |
neben dem Betrieb ihrer eigenen Praxis im Ruhrgebiet. Muths Fachbereich ist | |
Verhaltenstherapie, mit Schwerpunkten Klinische, Organisations- und | |
Arbeitspsychologie, sowie Trauma-Arbeit. | |
„Ob die aktuelle Situation als eine Krisensituation erlebt wird, hängt viel | |
von äußeren Faktoren ab“, sagt Muth. „Damit meine ich zum Beispiel: Hat d… | |
aktuelle Situation Auswirkungen auf meine finanzielle Situation? Welche | |
räumlichen Ressourcen habe ich?“ Wo äußere Bedingungen widrig sind, sei es | |
umso wichtiger, innerliche Bewältigungsstrategien anzuwenden. „Es gibt da | |
verschiedene Bewältigungsstrategien. Zum einen, Lösungsorientierung. Bin | |
ich in der Lage, die Situation zu analysieren und mir was zu überlegen, das | |
konkret hilft“, sagt Muth. Ein Beispiel dafür sei eine Kosmetikerin, deren | |
Geschäft gerade geschlossen ist und die Soforthilfe beantragt. | |
Eine weitere Strategie ist emotionsorientierte Bewältigung. „Es kann sein, | |
dass der emotionale Druck so groß ist, dass wir uns da erst einmal | |
Erleichterung verschaffen müssen, bevor wir Lösungen angehen können“, sagt | |
Muth. Wir sorgen dafür, dass wir uns besser fühlen. Zum Beispiel, indem wir | |
etwas tun, das wir mögen. Musik hören. Lesen. Serien oder Filme anschauen. | |
Was spielen. Einen Bunker graben und ihn mit Klopapier und Nudeln füllen. | |
Oder mal ordentlich Jammern. „Es hilft, uns emotional abzureagieren“, sagt | |
Muth. „Und Jammern hat eine soziale Akzeptanz. Es führt oft dazu, dass wir | |
bestätigt werden und Solidarität erfahren: Kein Wunder, dass es dir damit | |
schlecht geht – ist ja auch kacke. Zum Beispiel.“ etwas anderes zu | |
probieren. | |
## Endlich tun, was schon man schon lange plante | |
Die dritte Strategie, sagt Muth, ist die Bewertung. Der Sache einen Sinn | |
geben. „Das heißt, die Situation, so wie sie ist, als Herausforderung zu | |
betrachten. Auch wenn ich viel lieber mein gewohntes Leben fortführen würde | |
– das ist im Moment nicht möglich. Also gucke ich, was kann ich aus einer | |
Situation mit ganz vielen negativen Aspekten bestmöglich machen.“ Dieser | |
Schritt komme oft zuletzt, könne aber auch als erstes erfolgen, je nach | |
Mensch. „Wenn wir einen Sinn in der Krise finden, gewinnen wir auch ein | |
Gefühl der Kontrolle zurück und das ist sehr gut für unsere Gesundheit.“ | |
Zum Beispiel ließe sich etwas angehen, das man schon lange tun wollte. Eine | |
Fremdsprache lernen, oder ein Instrument. Endlich die gesamte Reihe | |
„Verfall und Untergang des römischen Reiches“ lesen – eine | |
Gesamtbetrachtung von fast 1.500 Jahren römischer und byzantinischer | |
Geschichte in sechs Bänden. Sich via Videoanruf treffen und zusammen | |
zeichnen. Oder auch: Die Videospiele spielen, die man schon lange spielen | |
wollte. Die Serien durchsuchten. | |
„Es kommt nur darauf an, was es für die Person bedeutet. Wenn es gut tut | |
und der Situation Sinn gibt, dann ist das wunderbar“, sagt Muth. Wichtig | |
sei, sich die Zeit zu nehmen, durch Ausprobieren das Passende zu finden, | |
und es für den Spaß an der Sache zu tun. Nicht zu viel von sich zu erwarten | |
– und nicht nur eine der drei Strategien zu verfolgen. „Nicht zu sagen: Das | |
eine ist der Weg, den geh ich jetzt und der rettet mich. Wenn Sie nämlich | |
bei einer Sache verharren, und dann einen hohen Druck entwickeln, erzeugt | |
das ja nur noch mehr Stress.“ | |
Nörgeln über die Situation. Aber etwas finden, das wir ihr abgewinnen | |
können. Was zum Mitnehmen. So wie Aladin, als der Zauberer ihn in die Grube | |
sperrt: Aladin fängt an zu suchen und kommt raus mit einem fliegenden | |
Teppich und dem Dschinn aus der Lampe. Miese Grube. Geiler Dschinn. | |
14 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] http://Therapeutin%20Petra%20Muth | |
## AUTOREN | |
Anett Selle | |
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