# taz.de -- Neuer taz-Podcast „Nur Mut“: Saugen gegen Corona | |
> Im neuen taz-Podcast „Nur Mut“ spricht Psychotherapeutin Petra Muth über | |
> häufige Probleme in einer Krisensituation, und was dagegen hilft. | |
Bild: Psychotherapeutin Petra Muth ist im taz-Podcast „Nur Mut“ immer diens… | |
KÖLN taz | Coronapandemie, Isolationsleben, Wirtschaftsschmelze: Viel los | |
gerade. Nicht nur um uns herum, auch innerlich. Denn in einer Krise ändert | |
das Gehirn seine Arbeitsweise: Plötzlich funktioniert es anders. Das merken | |
viele daran, dass sie sich nicht wie gewohnt konzentrieren können. Manche | |
haben einen grummelnden Bauch, oder gähnen schon nachmittags und könnten | |
nur noch schlafen, andere liegen nachts ewig wach, manche ärgern sich | |
schneller als sonst, fühlen sich trauriger, oder einfach anders, irgendwie. | |
Eine Krise ist eine Stresssituation – und Stress verändert, was im Körper | |
passiert, wann es passiert, und wie. Im neuen taz-Podcast „Nur Mut – | |
Anleitung für den Krisenkopf“ [1][sprechen die Therapeutin Petra Muth und | |
die Journalistin Anett Selle] jetzt immer dienstags und freitags über die | |
Auswirkungen der Krise auf den Alltag. Was so eine Situation kurz- und | |
langfristig mit unserem Gehirn macht und was sich tun lässt, um gut | |
durchzukommen. | |
Frau Muth ist eine sogenannte psychologische Psychotherapeutin: Sie hat | |
eine Praxis im Ruhrgebiet, lange Zeit stationär in Kliniken gearbeitet und | |
tut das nach wie vor ambulant. Muths Fachgebiet ist Verhaltenstherapie, mit | |
Schwerpunkten Klinische, Organisations- und Arbeitspsychologie, sowie | |
Trauma-Arbeit. | |
„Eine Stressreaktion ist eine ganz schnelle Reaktion“, sagt Muth. „Aber: | |
Verhalten umzustellen, sich auf Veränderungen längerfristig einzustellen – | |
das braucht Übung. Und Übung ist lang.“ Die Pandemie und die Maßnahmen zu | |
ihrer Bekämpfung haben den Alltag vieler Menschen umgeworfen, sowohl | |
beruflich als auch privat. | |
## Mal Kaffee kochen | |
Sich aber neue Routinen zu erfinden und auch einzuhalten, sich Gewohnheit | |
um Gewohnheit einen neuen Alltag zu bauen: Das sei für das Gehirn wie | |
Fahrradfahren lernen, sagt Muth. „Das hat auch was mit Versuch und Irrtum | |
zu tun. Mal hinzufallen. Wieder aufzusteigen. Bis das neue Verhalten | |
irgendwann automatisiert ist.“ Was mit viel Stress nahezu immer einhergeht, | |
ist Grübeln. | |
Das unterscheidet sich grundlegend von problemorientiertem Denken. „Da | |
können Sie einen Selbsttest machen“, sagt Muth. „Wenn Sie Ihre Gedanken | |
beobachten, über einen Zeitraum von drei bis fünf Minuten.“ Reihten sich | |
zusammenhangslos Sorgen aneinander, aber eine Lösung rücke nicht näher, | |
sondern es nähmen eher Gefühle zu wie Hilflosigkeit, Angst oder Ärger, dann | |
handle es sich um Grübeln. Doch es gibt Mittel gegen Grübelschleifen. | |
Gähnen, zum Beispiel. Das entspanne das Gehirn sehr, sagt Muth. Oder: | |
Bewegung. Sich strecken, Liegestütze, Hanteltraining, Trampolin springen. | |
Eine Runde gehen oder rennen. „Ich glaube, es gibt in der Psychologie keine | |
Forschung, die so gut erwiesen ist, wie dass Ausdauersport eine | |
antidepressive Wirkung hat.“ | |
Auch Ablenkung kann helfen: Den Raum kurz zu verlassen. Eine (!) andere | |
Aufgabe zu erledigen: Einen Kaffee zu kochen, den Abwasch zu machen oder zu | |
saugen – und dann weiterzumachen. Sich Grübelzeiten zu legen, nicht morgens | |
nach dem Aufwachen, nicht abends vor dem Einschlafen: Sondern über den Tag | |
verteilt, von vor- bis nachmittags für je wenige Minuten die Gedanken | |
schweifen lassen. „Wir sind gewohnt, unsere Gedanken laufen zu lassen. Und | |
normalerweise klappt das auch gut.“, sagt Muth. „Das hier ist eine neue | |
Form, mit sich umzugehen. Also geht es auch darum, da wirklich nicht zu | |
streng mit sich zu sein.“ Das heiße auch, Ansprüche an sich selbst zu | |
senken. „Wir brauchen Kapazitäten, um uns mit dieser neuen Situation | |
auseinander zu setzen. Die müssen irgendwo herkommen. Wir können nicht wie | |
bisher funktionieren.“ | |
Und: Rückschläge – ob beim Aufbau des neuen Alltags oder beim Umgang mit | |
Grübelschleifen – gehören dazu, vor allem am Anfang, sagt Muth. „Nicht | |
jeder Tag ist gleich. Es kann Tage geben, da kommen mehrere Sachen zusammen | |
und dann ist es umso schwieriger.“ Steter Tropfen höhlt den Stein. „Man | |
braucht ungefähr acht Wochen für einen neuen Verhaltensaufbau. Mal kürzer, | |
mal länger. Das heißt, wirklich gnädig mit sich sein. Nicht den Anspruch an | |
sich haben, 'Ich muss genauso produktiv sein wie vorher’. Wir sind im | |
Moment in einer Krisensituation. Die gut zu überstehen, ist schon ein gutes | |
Ziel.“ | |
10 Apr 2020 | |
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[1] /Podcast-Tipps-fuer-die-Coronakrise/!170688/ | |
## AUTOREN | |
Anett Selle | |
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