# taz.de -- Tourismus nach Corona: Ansturm aus Berlin erwartet | |
> Das Brandenburger Gastgewerbe fordert Lockerungen und hofft, dass der | |
> regionale Tourismus profitiert, sagt Ellen Rußig von Seenland Oder-Spree. | |
Bild: Noch ist es am Scharmützelsee bei Bad Saarow leer | |
taz: Frau Rußig, das Seenland Oder-Spree war 2019 mit 2,2 Millionen | |
Übernachtungen noch vor dem Spreewald Brandenburgs erfolgreichste | |
Tourismusregion. Jetzt leiden Sie unter dem Shutdown. Welche Rückmeldungen | |
bekommen Sie aus dem Gastgewerbe? | |
Ellen Rußig: Die schlimmste Erfahrung ist die, dass der Tourismus komplett | |
auf Null gefahren ist. Von einem Tag auf den anderen ist die Branche | |
weggebrochen. Gerade in einer Wachstumsbranche ist damit schwer umzugehen. | |
Wir waren immer gewöhnt, eine positive Entwicklung zu haben und mit Urlaub | |
auch positive Dinge zu verkaufen. | |
Sie bekommen derzeit viele Anrufe von Anbietern. Sind Sie auch eine Art | |
Seelsorgerin? | |
Wir haben viele Anrufe, wo es darum geht: Wie stellt man sich weiter auf? | |
Viele Unternehmer, sehen das ja als ihr Lebenswerk, die haben viel Herzblut | |
in die Region gesteckt. Da gibt es nicht nur die Fragen, ob die Gäste | |
überhaupt wieder kommen, sondern da gibt es auch Existenzängste. Für uns | |
kommt es da erst einmal darauf an, zuzuhören und Rat zu geben. Wir haben | |
für die Aktion „Brandenburghelfen“ eine Auflistung aller Restaurants und | |
Hofläden mit Liefer- und Abholservice für Gäste erstellt. | |
Laut DIHK droht 40 Prozent der Betrieben die Insolvenz. Reichen die | |
Rettungsschirme von Bund und Land nicht aus? | |
Für Gastronomie und Hotellerie reichen sie nicht aus. Am Anfang ist zwar | |
die Existenzsicherung bezahlt worden, einige Betriebe haben es bekommen, | |
einige warten noch darauf. Kurzarbeitergeld, ja, aber man muss auch weiter | |
seine Miete, die Pacht und die Fixkosten zahlen. Aber der Zeitraum dauert | |
nun schon sehr lange. Viele haben gesagt, über vier oder acht Wochen können | |
wir das aushalten. Aber jetzt kommen wir in eine Zeit, wo es ziemlich lang | |
wird für die Unternehmer. Ich bin fest der Meinung, dass wir einen | |
Rettungsschirm brauchen, also Unterstützungs- und Liquiditätshilfen. | |
Viele Betriebe sind auch unterschiedlich betroffen. Manche Gastronomen | |
verkaufen außer Haus, Hoteliers können das nicht. Welche Möglichkeiten gibt | |
es da? Die Unterbringung von Erntehelfern? | |
Keines unserer Unternehmen kann von Außerhausverkauf leben oder überleben. | |
Es ist ein Zubrot. So ist es auch mit den Erntehelfern. Das ersetzt nicht | |
die 2,2 Millionen Übernachtungen. Die Schließung kam genau zu Beginn der | |
Saison, wo viele einen langen Winter hinter sich gehabt und die Reserven | |
aufgebraucht haben. | |
Seit Mittwoch dürfen Geschäfte in Brandenburg wieder öffnen, Hotels und | |
Restaurants aber nicht. Können Sie das nachvollziehen? | |
Es ist schwer nachzuvollziehen. Ich kann verstehen, dass der | |
Gesundheitsschutz der Menschen im Vordergrund steht. Aber auch Tourismus | |
und Ausflüge sind ein wichtiger Faktor für die Gesundheit. Ich habe mein | |
Büro in Bad Saarow. Warum kann man das nicht so einrichten, dass die Gäste | |
auf der Terrasse sitzen und die Hygienevorschriften und Abstände | |
eingehalten werden? Auch in den Hotels können die Vorschriften eingehalten | |
werden. Es ist doch so, dass wir die Tagesausflügler ohnehin schon haben, | |
das sehen wir jeden Tag. Die Wochenenden werden länger, der 1. Mai, | |
Himmelfahrt und Pfingsten stehen vor der Tür. Deswegen ist es wichtig, dass | |
man mit der Branche zusammen Angebote unterbreitet. | |
Haben Sie Signale aus der Politik, dass es diese Angebote demnächst geben | |
wird? | |
Wir stehen in engem Dialog mit dem Wirtschaftsministerium. Da gibt es auch | |
Ansätze. Ich bin optimistisch, dass man unsere Stimme hört. | |
Derzeit ist nicht absehbar, wann die Grenzen in Europa wieder geöffnet | |
werden. Auslandsreisen sind also nicht planbar. Wird der Sommerurlaub | |
dieses Jahr in Deutschland stattfinden? | |
Davon gehe ich auch aus. Alleine die Grenzen zu Polen werden bis Mitte Juni | |
geschlossen bleiben. Ich hoffe also, dass wir in Deutschland bis Mitte Mai | |
und Pfingsten die entsprechenden Angebote machen können. | |
Wird der regionale Tourismus mittel- und langfristig gestärkt aus der Krise | |
hervorgehen? | |
Wir gehen davon aus, dass der Tourismus weniger in den Städten als im | |
ländlichen Raum wieder losgehen wird. Vor den Toren Berlins wird es also | |
einen Tourismusansturm geben. Aber in der Branche wird gerade kontrovers | |
darüber diskutiert, welches Angebot wir in Zukunft überhaupt noch | |
unterbreiten können und welches Angebot nachgefragt wird. Ich bin mir | |
sicher, dass die deutschen Reiseziele mittel- und langfristig eine hohe | |
Nachfrage haben werden. Aber das hängt auch davon ab, wie die Wirtschaft | |
aus der Krise kommt und welche Mittel unseren Zielgruppen zur Verfügung | |
stehen. Und auch, wofür sie bereit sind, das Geld auszugeben. | |
Kann es auch sein, dass die Unternehmen die Preise erhöhen, weil die | |
Nachfrage größer ist als das Angebot. | |
Über die Preispolitik der Unternehmen kann man im Moment keine Vorhersagen | |
machen. Sie sind aber klug genug, das Richtige zu entscheiden. Wir waren | |
noch nie ein Land, das sich über den Preis verkauft hat. In Deutschland hat | |
Urlaub seinen Preis. Aber wir arbeiten auch daran, die entsprechende | |
Qualität anbieten zu können. | |
23 Apr 2020 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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