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# taz.de -- Tourismus-Rückgang wegen Corona: Berlin ist wieder arm, aber sexy
> Corona wirft den Berlin-Tourismus um Jahre zurück: So wenig Besucher wie
> dieses Jahr gab es zuletzt 2004 – kurz nach Wowereits prägendem Satz.
Bild: Wer jetzt Berlin besucht, hat die Stadt fast für sich allein
Berlin taz | Die Zahlen sind krass. Im ersten Halbjahr 2020 kamen wegen der
Corona-Einschränkungen nicht einmal mehr [1][halb so viele Besucher nach
Berlin] wie im Vorjahreszeitraum. Das Amt für Statistik sprach am Montag
von 2,7 Millionen Gästen – ein Minus von 59 Prozent. So wenig Besucher
kamen zuletzt 2004.
Kurz zuvor, im November 2003, hatte Klaus Wowereit (SPD), der damalige
Regierende Bürgermeister, die Stadt als „arm, aber sexy“ beschrieben. Drei
Wörter, die erstens korrekt waren, zweitens Furore machten und drittens den
Berlin-Tourismus überhaupt erst in Schwung brachten. Die Stadt wurde hip,
und zwar global.
Viele heute schmerzhaft spürbare Folgen sind zumindest teilweise auf den
Tourismusboom zurückzuführen: die hohe Zahl von Ferienwohnungen; die
Attraktivität bei weltweit agierenden Immobilienkonzernen und damit die
steigenden Mieten; die gänzliche Vereinnahmung einiger Kieze und
Kneipenmeilen durch schiere Ströme von Berlin-BesucherInnen; die Haufen von
E-Tretrollern an Kreuzungen; die Entfremdung, die manche BerlinerInnen
spüren, wenn sie auf der Straße anscheinend nur noch Englisch und Spanisch
hören.
Gerade bei ausländischen UrlauberInnen war der aktuelle Rückgang massiv:
Zwei Drittel von ihnen blieben laut dem Amt für Statistik weg. In ähnlichem
Maße sanken die Übernachtungszahlen: Sie erreichten insgesamt noch 6,5
Millionen. Anfang 2020 hatte es danach noch nicht ausgesehen: Nach zwei
erfolgreichen Monaten habe es mit dem Lockdown im März einen Absturz bis
fast auf null gegeben, sagte Burkhard Kieker, Chef der
Tourismusgesellschaft Visit Berlin, der dpa. Die Krise hat Berlin stärker
getroffen als Deutschland insgesamt. Bundesweit ging die Übernachtungszahl
im ersten Halbjahr laut Statistischem Bundesamt um 47 Prozent zurück.
Und nun? Ist jetzt alles wieder wie Ende 2003, in gefühlt grauer Vorzeit?
Damals war die Stadt tatsächlich trister, [2][weniger international, wohl
auch weniger aufgeschlossen] gegenüber Neuem. Gleichzeitig gab es viele
Freiräume, im wörtlichen und übertragenen Sinn. Ein Wort, das heute ähnlich
mystisch wirkt wie Wowereits Diktum.
Diese Räume sind gefüllt worden von Kreativen, aber auch von Konzernen, die
ihre eigenen (Geld-)Träume verwirklichten. Die Stadt ist derzeit vor allem
leerer, etwa an gruppentouristischen Hotspots wie dem Checkpoint Charlie
oder in vielen Museen. In manchen Ecken etwa von „Kreuzkölln“ merkt man
hingegen kaum einen Unterschied: Die jungen Menschen, sie kommen noch. Ein
Zeichen dafür, dass die Stadt zumindest noch ein bisschen „sexy“ im
Wowereit’schen Sinne ist.
Die Entwicklung bedeutet aber auch, dass die Stadt ärmer wird, erst mal
rein finanziell gesehen. Der Tourismus mit seinen lange steigenden
Umsatzzahlen gehört(e) zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen der Stadt:
2018 betrug der Umsatz laut der Senatsverwaltung für Wirtschaft rund 11,6
Milliarden Euro; etwa 235.000 Menschen in Berlin leben rein rechnerisch vom
Tourismus.
## Der Ausblick ist düster
Die Aussichten sind wenig optimistisch. Zwar gebe es wieder internationale
Gäste, vor allem aus Dänemark. „Aber viele europäische Gäste fehlen noch�…
berichtet Kieker. Aus Italien und Spanien etwa reise bisher kaum jemand
wieder nach Berlin. „Der Sommer war ungefähr wie erwartet“, so Kieker. „…
blicken skeptisch in den Herbst.“ Und keiner weiß, wie sich die Pandemie
entwickelt.
Gründe genug, über die Zukunft des Tourismus in der Stadt grundsätzlich
nachzudenken – was dabei gefördert und wer angesprochen werden sollte.
11 Aug 2020
## LINKS
[1] /Staedtetourismus-in-Coronazeiten/!5681376
[2] /Berlin-Tourismus-und-Corona/!5682523
## AUTOREN
Bert Schulz
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