# taz.de -- 125 Jahre Berliner Gedächtniskirche: Vorsichtige Annäherung | |
> Die Gedächtniskirche wird 125 Jahre alt. Bisher war dieser Ort für unsere | |
> Autorin nicht mehr als ein Touri-Hotspot. Jetzt schaut sie mal genauer | |
> hin. | |
Bild: Westberliner Wahrzeichen: Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Breitsc… | |
An der [1][Gedächtniskirche am Breitscheidplatz] bin ich als gebürtige | |
Berlinerin schon so oft vorbeigegangen und -gefahren – und jedes Mal habe | |
ich sie vor allem als einen Ort für Selfies sammelnde Tourist*nnen | |
wahrgenommen. Und doch wissen diese Touris vielleicht viel mehr über das | |
Gebäude als ich, denke ich an diesem Montag auf meinem Weg zu diesem | |
Westberliner Wahrzeichen: Heute wird der 125. Geburtstag der | |
Gedächtniskirche gefeiert, und das ist Anlass und Beginn einer sechstägigen | |
Reihe von Führungen, Vorträgen und Andachten – und für mich, diese Kirche | |
endlich mal aus der Nähe zu betrachten. | |
Auf dem Platz vor der Kirche ist an diesem Vormittag, am Vortag des | |
Jubiläums, aber kaum etwas los – nur rundherum lärmen Autos und Lkws. Zum | |
ersten Mal besuche ich sie wirklich. Das Erste, auf das ich treffe, ist ein | |
Bauzaun, der im Moment den Gedenksaal und die anliegende Baustelle umgibt. | |
Dann auch: [2][ein paar wenige Tourist*nnen]. Die sind sichtlich irritiert, | |
als man sie nach einem 125-jährigen Jubiläum fragt. Auch eine | |
alteingesessene Besucherin weiß nichts von dem Programm. | |
In seinen 125 Jahren hat das Gebäude im Übrigen einiges mitgemacht. Ich | |
mache mich schlau, bei dieser Gelegenheit: Die Kirche musste nicht nur | |
aufgrund der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg um seine Existenz fürchten. | |
Ob die Kirche bleiben und wiederaufgebaut werden würde, stand daraufhin | |
lange nicht fest. Doch schon vor dem Krieg wurde ein Abriss diskutiert, | |
schlicht weil die Kirche an Aufmerksamkeit und Bedeutung verloren hatte. | |
## Rasantes Tempo | |
Viereinhalb Jahre brauchte man für den Bau der 1895 eingeweihten Kirche, | |
für die damalige Zeit ein rasantes Tempo. Bis heute trägt sie außerdem den | |
Namen des Kaisers Wilhelm I., der mit dem Bau der Kirche geehrt werden | |
sollte. Früher einmal war ihr vormals 113 Meter hoher Turm der höchste der | |
Stadt. Heute würde das Gebäude, wäre der Turm erhalten geblieben, | |
vielleicht nicht mal mehr die umliegenden Hochhäuser überragen können. | |
Von blauem Licht wird man eingehüllt, wenn man den Altarraum betritt, der | |
zu den 1961 rund um die Ruine der alten Kirche hinzugefügten Bauten gehört. | |
Eine angenehme Stille macht sich breit, der Verkehrslärm verstummt. Schon | |
nach wenigen Augenblicken möchte ich nicht mehr zurück nach draußen und in | |
die U-Bahn. Eigentlich schade, denke ich: Mittendrin im Gewusel könnte der | |
Kirche auch von allen Berliner*innen, die nicht gläubig sind, etwas | |
Beachtung geschenkt werden. Denn von ruhigen Orten wie diesen lebt die | |
Stadt ebenfalls. | |
1 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Greta Rothenpieler | |
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