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# taz.de -- Corona und die Stadt-Schwätzer: Ein bisschen Ruhe
> Dieses Land scheint in den Städten überwiegend aus Virologen zu bestehen.
> Gut, wenn diese nervenden Brüder und Schwestern nicht am Gartenzaun
> stehen.
Bild: Lieber den Vögeln lauschen als den mannigfachen Wehklagen im Radio
Ganz herzliche Grüße aus dem ländlichen Bereich. Wir hier draußen haben uns
eingerichtet. Wir winken uns von Weitem zu und erkundigen uns nach dem
werten Befinden ([1][unverändert so lala]), kaufen füreinander ein
(Rhabarber ist hier die aktuelle Bückware), versorgen uns gegenseitig mit
Tomaten-Setzlingen und auch Covid-19-Masken.
Erst gestern radelte eine Freundin an meinem Gartentürchen vorbei. Wir
erzählten einander, was so anliegt. Nicht viel. Laut sprechen mussten wir
trotz Social Distancing nicht, hier herrschen Ruhe und das Ordnungsamt.
Denn nachdem unsere Landesregierung selbst das Wasser-„Sport“ genannte
Bootfahren untersagt hat, fehlt seeseitig erfreulicherweise der Lärm von
Dieselmotoren und Kindertechno aus der jeweiligen Bordanlage.
Tatsächlich schwant mir immer mal wieder, wie angenehm beschaulich mir
diese Coronawochen erinnerlich sein könnten, sobald sie vorbei sind. Werden
sie doch, oder? Jede Menge Futur.
Noch aber ist es still. Auf der großen Baustelle im Ort fehlen die
osteuropäischen Bauarbeiter, um die „Stadtvillen“ genannten Plattenbauten
für Besserverdiener in den märkischen Grund zu rammen. Stattdessen lausche
ich den mannigfachen Vogelstimmen. Sie singen so ausdauernd und
leidenschaftlich, dass ich gleich wieder das Radio ausschalte, aus dem mir
nichts als Wehklagen entgegenschallt.
## Überall Experten
Dieses Land scheint – vorzugsweise in den Städten – überwiegend aus
Virologen zu bestehen, deren Expertise sich grob gesagt auf ihr jeweils
persönliches Anliegen bezieht. Mal sollen [2][ältere und beeinträchtigte
MitbürgerInnen weggeschlossen werden], um ökonomischen Vorhaben nicht
unnötig im Weg zu stehen.
Mal sollen ganze Bundesländer zum Experimentierfeld werden, indem die
Kinder der anderen gerne austesten dürfen, ob und wie das klappt mit dieser
Herdenimmunität. Mal möchte man sich in großem Stil versammeln, [3][weil
Covid-19 lediglich eine Erfindung der Reptiloiden ist]. Dann wieder geben
PolitikerInnen Interviews, in denen sie so tun, als läge die Lösung für
einfach alles auf der Hand. Präziser werden sie dann zuverlässig nicht. Es
ist die Zeit der Schwätzer.
Erfreulich verhalten sich hingegen die Eltern. Jedenfalls wenn sie keine
JournalistInnen oder PolitikerInnen sind. Sie bleiben mit dem Nachwuchs zu
Hause, sie müssen ja. Ich bewundere sie. Es ist sicher nicht
vergnügungsteuerpflichtig, unter diesen Bedingungen 24/7 beisammenzuhocken
und Ferien oder Schule oder Kindergarten zu simulieren. Bindungen werden
auf eine harte Probe gestellt. Pläne müssen jeden Tag neu gemacht und
geschrottet werden.
Wenn Eltern und Kinder frischlufthalber an meinem Gartenzaun vorbeiradeln,
herrscht überwiegend familiäre Eintracht. Ganz offensichtlich haben sie
weder Zeit noch Nerven, ihre Umwelt großräumig mit ihrer Covid-Expertise zu
behelligen. Sie seien gepriesen in diesen Zeiten.
21 Apr 2020
## LINKS
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[3] /Corona-Verschwoererinnen-demonstrieren/!5677960
## AUTOREN
Anja Maier
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