# taz.de -- Mediale Vorurteile gegen die Provinz: So blöd ist kein Mensch | |
> Wenn Hauptstadtjournalisten ins Umland helikoptern, hagelt es Klischees. | |
> Die Realität wird dann zurechtgebogen, bis sie ins Bild passt. | |
Bild: RBB-Werbebotschaft | |
Es ist ein Ding, einen Sachverhalt einer Bewertung zu unterziehen. Ein | |
anderes, die Beteiligten kraftvoll mit einer fettigen Sauce aus | |
Geringschätzung zu übergießen. Nazis zum Beispiel. Nerven rum und rauben | |
einen Teil jener Kraft, mit der man doch lieber das Land zum Besseren | |
verändern würde. Aber ist das ein Grund, sich über ihre Rechtschreibung | |
lustig zu machen? Eher nicht. Wer Distinktionsgewinn daraus zieht, in der | |
Schule besser aufgepasst zu haben oder bei Manufactum einzukaufen, sollte | |
sein Demokratieverständnis mal einer strengen Prüfung unterziehen. | |
„Wovon redet die Frau?“, werden Sie sich möglicherweise fragen. Konkret | |
also: In meinem weitläufigen Brandenburger Landkreis haben | |
GemeindevertreterInnen eines Speckgürtelstädtchens jüngst beantragt, den | |
örtlichen Wohnungsbau auf Einfamilienhäuser zu begrenzen. Außerdem will man | |
die 30 Jahre lang erkämpfte und mittlerweile bewilligte S-Bahn-Anbindung | |
nach Berlin stoppen. Begründung: Es sei bereits „eine zunehmende | |
Entfremdung der Einwohner festzustellen“. Zudem drohe der Stadt „ein | |
Identitätsverlust“. | |
Wer hier bei Inhalt und Form astreine Fremdenfeindlichkeit ausmacht, liegt | |
goldrichtig. Das Städtchen hat zwar eine fitte SPD-Bürgermeisterin. Doch um | |
das ganze | |
Wir-wollen-hier-keine-Fremden-aber-dafür-ganz-viele-Schottergärten-Geschwaf | |
el durchzukriegen, hat die örtliche CDU gemeinsam mit einer rechts | |
drehenden Wählergemeinschaft dem Antrag auf Fremdenfeindlichkeit zur | |
Mehrheit verholfen. Übrigens gemeinsam mit AfD und NPD. | |
Da staunen Sie vielleicht, [1][weil bekanntlich die CDU so viel Wert darauf | |
legt, nicht mit der AfD zu kooperieren]. Gut möglich, dass die sich als | |
Christdemokraten gedacht haben: Ach scheiß drauf, wenn auch die NPD was | |
gegen Zuzug hat, wirkt die AfD gleich harmloser. | |
## Schön in Moll | |
So weit, so verstörend. Aber was tut nun mein Heimatsender, [2][also der | |
Rundfunk Berlin-Brandenburg?] Er schickt einen superironischen Reporter | |
raus nach Brandenburg, auf dass er die Trostlosigkeit nämlicher Gemarkung | |
Bild und Ton werden lasse. Es gibt viel kalten Märzwind da draußen bei den | |
Wilden, es gibt Rollatoren und alte Leute, die in rauem Dialekt zu | |
Protokoll geben, dass es hier nicht viel Sehenswertes gebe. Der Kollege | |
Reporter nickt zu allem bestätigend, als Tonspur hat er sich was in Moll | |
rausgesucht. Ach herrlich, diese Brandenburger! So schön doof. | |
Kann man so machen. Es lebt sich gleich viel ungenierter, wenn man stets | |
Leute zur Hand hat, über die man sich mokieren kann. Warum aber der Kollege | |
im weiteren Verlauf des Beitrags so lustig mit dem rechtsdrehenden | |
Antragsteller geplaudert hat, will sich mir nicht erschließen. Was ist die | |
Botschaft: Populisten sind gar nicht so übel? Oder: Mir doch egal, was die | |
in Brandenburg so treiben – fühlt sich eh wie Ausland an? Man wüsste es | |
gern. Doch der Reporter ist bereits abgereist Richtung Berlin, um dort an | |
seinem nächsten superironischen Beitrag über dumme Provinzler zu schrauben. | |
10 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Die-Werteunion-nach-Thueringen/!5660291 | |
[2] https://www.rbb-online.de/abendshow/archiv/20200305_2015/velten-brandenburg… | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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