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# taz.de -- Provinz probt Normalität: Rebellierende Biker-Brüder
> Langsam bewegt man sich auf dem Brandenburgischen Land wieder in Richtung
> Alltag. Im Eiscafé wagen ein paar Senioren ein Abenteuer.
Bild: Oh, wie schön ist Brandenburg – Postkartenidylle gibt es inklusive
Langsam stellt sich wieder so etwas wie Normalität ein. In der
zurückliegenden Woche habe ich nach mehr als zwei Monaten meine erste Reise
mit der Berliner S-Bahn von der [1][Brandenburger Provinz] in die
Hauptstadt unternommen. Und was soll ich sagen? Es war okay. Und schön
ruhig.
Wegen des Sicherheitsabstands gibt es gerade keine Hakeleien mit
sitznachbarlichen Zeitgenossen, die es sich vor und nach Feierabend auf
schmalen Sitzen erst mal richtig gemütlich machen wollen. Lediglich ein
Mitreisender, Angehöriger der jüngeren Generation, fand es offenbar
unzumutbar, seinen Mund-Nase-Schutz zu tragen. Die Strafe in Person eines
Ticketkontrolleurs folgte auf dem Fuße – mit dem hatte ehrlich gesagt auch
ich nicht gerechnet. Bezahlt hatte ich trotzdem. Ich war auch schon mal
wagemutiger.
Sei’s drum, die Reise verlief störungsfrei. In der taz-Redaktion
angekommen, traf ich auf wenige versprengte KollegInnen. Wir erfreuten uns
unseres Wiedersehens, der angenehm aufgeräumten Teeküche sowie der
summseligen Stille im Großraumbüro. Kaum vorstellbar, dass es hier mal
wieder so wuselig sein wird wie vor neun Wochen. Aber das wird. Das wird.
Am Wochenende machten der Mann und ich dann einen Ausflug in die
Schorfheide. Das weitläufige Waldstück in Brandenburg kennt man – wenn
überhaupt – von Erzählungen der Art, dass hier zu DDR-Zeiten die Mitglieder
des [2][SED-Politbüros] der Jagd fröhnten. Und tatsächlich, bei der Anreise
durch knallgrüne Buchenwälder schien es uns gar nicht mal abwegig, dass
jeden Moment Erich Honecker aus der Schonung treten könnte. Das Gewehr über
der Schulter, die Tschapka auf dem lichten Haar und gut gelaunt über eine
kurze Ansprache an die Jagdhelfer sinnierend, die ihm zuverlässig den
Rothirsch vor den Lauf schieben.
## Erdbeereis und Abenteuer
Aber Honecker ist längst gestorben, und auch Schüsse waren keine zu hören.
Stattdessen Motorräder, die mit voller Dezibelzahl durch die
sonnendurchflutete Schorfheide brausten. Am Parkplatz neben dem Eiscafé
angekommen, dauerte es eine kleine Weile, bis die Fahrer sich von ihren
Gefährten gewuchtet hatten. Kein Wunder, es waren sieben Senioren, deren
archaische Erscheinung sich vor allem den Protektoren an ihrer schwarzen
Kluft verdankte. Auf den Hinweis der Bedienung, im Café doch bitte den
Corona-Abstand einzuhalten, erwiderten sie lauthals lachend, sie seien
sämtlich miteinander verwandt. Höhö! Echte Corona-Rebellen also, die sich
bei Cappuccino und Erdbeereis für neue Abenteuer stärkten.
Der Mann und ich saßen am Nebentisch dabei und erfreuten uns ebenfalls
unserer wiedergewonnenen Leichtigkeit. Nicht auszudenken, sagte ich, die
Coronapandemie wäre, sagen wir, Ende Oktober ausgebrochen, um dann direkt
in den grauen November und den lichtlosen Dezember überzugehen. Spätestens
im Januar wären alle ausgetickt. Aber hör nur, wie dröhnend die
Biker-Brüder lachen. Hoffen wir das Beste.
19 May 2020
## LINKS
[1] /Kolumne-Bauernfruehstueck/!5582232
[2] /Ausstellung-ueber-DDR-Siedlung-Wandlitz/!5304596
## AUTOREN
Anja Maier
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