# taz.de -- Kinopremiere im Internet: Aufgeben gilt nicht | |
> Wegen geschlossener Kinos verlegte die Hamburger Produktionsfirma | |
> „Filmtank“ die Premiere ihres Dokumentarfilms „Master of Disaster“ ins | |
> Internet. | |
Bild: Szene aus dem Dokumentarfilm „Master of Desaster“: Eine Katastrophen�… | |
BREMEN taz | Etwa zehn neue Filme kommen pro Woche in die deutschen Kinos. | |
Besser gesagt: Sie kamen, bis zum Virus und dem großen Shutdown – jetzt | |
fallen alle Neustarts erst mal aus. Ein Desaster für die Kinos und für die | |
Verleihfirmen. Filme werden auf unbestimmte Zeit nur zu Hause angesehen, | |
Streaminganbieter wie Netflix zählen zu den wenigen großen Gewinnern der | |
derzeitigen Lage. | |
Für Donnerstag vergangener Woche war auch die Kinopremiere des | |
Dokumentarfilms [1][„Master of Disaster“] geplant. Die nun einfach | |
abzusagen mit unbestimmten Aussichten: Das war Thomas Tielsch zu wenig, dem | |
Leiter der Produktionsfirma „Filmtank“ mit Sitz in Hamburg, die einige | |
ihrer Filme auch selbst verleiht. Also hielt Tielsch fest am ursprünglichen | |
Termin, – nur dass es statt einer Kino- eine Onlinepremiere werden sollte. | |
So stellte Filmtank zum gleichen Datum den Film als Stream online, auf der | |
Plattform [2][„Kino on Demand“]. Seit einigen Tagen ist die | |
Katastrophen-Dokumentation zudem auch im On-Demand-Angebot des bekannten | |
Dienstes [3][„Vimeo“] zu sehen. | |
Kino on Demand, ein Kölner Dienstleister, führte bisher ein Schattendasein. | |
Im Angebot finden sich überwiegend ältere Filme wie „Toni Erdmann“ und �… | |
fabelhafte Welt der Amélie“, die ihre Vermarktung in den Kinos – aber auch | |
in anderen Kanälen – längst hinter sich haben. „Eine kuratierte Auswahl | |
speziell für zu Hause“, so beschreibt es der Dienstleister selbst. | |
Diese Plattform für eine Online-Premiere zu nutzen, ist insofern eine | |
Innovation, mit der Produzent Thielsch zwei Fliegen mit einer Klappe zu | |
fangen hofft: „Kino on Demand“ hat sein Geschäftsmodell in Zusammenarbeit | |
mit einer Reihe von Kinos entwickelt – „über 450“ seien es –, und diese | |
werden an den Erlösen beteiligt. So kann ein Nutzer auf der Homepage der | |
Plattform aus einer Liste ein Kino aussuchen, zum Beispiel in der eigenen | |
Nachbarschaft, und sich den gewünschten Film dann sozusagen dort | |
„ausleihen“. | |
Im Fall von „Master of Disaster“ kostet das 9,99 Euro, die erwähnten | |
älteren Titel sind günstiger. Was auf diesem Weg eingenommen wird, teilt | |
sich die Plattform mit dem Verleih und dem jeweiligen Kino. Für Neukunden | |
gibt es zudem einen Gutschein über fünf Euro, der im gewählten Kino bei | |
Kauf einer Kinokarte eingelöst werden kann – wenn es irgendwann wieder | |
geöffnet ist. Bestandskunden erhalten auch solch einen Gutschein, und zwar | |
für je fünf hier gestreamte (und bezahlte) Filme. | |
Vor diesem Hintergrund hoffte Thielsch, auch die Kinomacher hätten ein | |
Interesse daran, etwa auf ihren Homepages für die Online-Premiere seines | |
Films zu werben. Doch die Reaktionen waren enttäuschend. Für die meisten | |
Kinobetreiber scheint derzeit noch jeder Streamingdienst der Feind – sogar | |
dann, wenn er ein Geschäftspartner ist. | |
Die erhoffte Werbung durch die Kinos blieb also weitgehend aus. Wichtig | |
wäre sie aber auch deshalb gewesen, weil die gesamte Vorbereitung für den | |
Kinostart aufgrund der Kinoschließungen ins Leere gelaufen ist. So eine | |
Kampagne dauert drei bis vier Monate, es müssen etwa Trailer produziert, | |
Plakate entworfen und gedruckt, Pressevorführungen organisiert werden. Da | |
belaufen sich die Kosten selbst bei einem kleinen Film wie „Master of | |
Disaster“ schnell auf fünfstellige Beträge. | |
Geplant war in diesem Fall eine Kinotour mit Vorab-Premieren in Städten wie | |
Hamburg, Berlin und Köln. Und weil einen Schwerpunkt des Films die Arbeit | |
freiwilliger Rettungskräfte bildet, sollte dieses potenzielle Publikum – | |
1,2 Millionen Mitglieder haben die Freiwilligen Feuerwehren in Deutschland | |
– mit Sonderveranstaltungen gezielt angesprochen werden. | |
Mit der Online-Premiere war eine auch nur annähernde vergleichbare | |
Aufmerksamkeit kaum zu erreichen, und die Klickzahlen am ersten Wochenende | |
blieben dreistellig. Zumal die eigentlich parallel vorgesehene | |
Veröffentlichung auf der bekannteren – aber nicht mit den Kinos | |
verbandelten – Streamingplattform Vimeo erst am Montag dieser Woche gelang: | |
Vimeo litt am Wochenende an Störungen in Folge von Überlastung. Inzwischen | |
wird „Master of Disaster“ aber auch dort angeboten, und das zum etwas | |
günstigeren Preis von 5,99 Euro. | |
Die Verluste, die eine ausgefallene Kinoauswertung mit sich bringt, wird | |
„Filmtank“ kaum ausgleichen können. Aber wenigstens kann der Film in diesen | |
Tagen, in die er so gut passt, tatsächlich angesehen werden. | |
2 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://masterofdisaster-film.de/ | |
[2] https://www.kino-on-demand.com/movies/master-of-disaster | |
[3] https://vimeo.com/ondemand/masterofdisaster | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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