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# taz.de -- Corona-Pandemie in Bayern: Wir müssen drin bleiben
> In Bayern gelten seit Freitag die bundesweit strengsten
> Ausgangsbeschränkungen. Wie ist die Stimmung im Freistaat?
Bild: Wer aus dem Haus will, braucht triftige Gründe – und die Polizei kontr…
Schliersee taz | Freitagnachmittag, herrliches Frühlingswetter. Ein paar
Stunden vor der Ausgangssperre, die ja nur eine sogenannte
Ausgangsbeschränkung sein soll, ist in der idyllischen Gemeinde südlich von
München kaum noch jemand unterwegs – vereinzelt ein paar Jogger, Pärchen
und Familien. Im Kurpark sitzen zwei ältere Damen beim Picknick. Eine gießt
sich auf der Parkbank gerade Tee aus der Thermoskanne ein, während sie
ihrer Freundin etwas erzählt. Sie muss laut sprechen, die Freundin sitzt
eine Parkbank weiter. Drei Meter Abstand. Das müsste reichen.
Einen Tag später, am Samstag, reicht das jedoch nicht mehr. Ob der Plausch
im Park nun gefährlich ist oder nicht, seit 0 Uhr ist er verboten, denn ihm
fehlt der „triftige Grund“. Nur bei seinem Vorliegen ist es mittlerweile
noch erlaubt, die eigene Wohnung zu verlassen – etwa, um zur Arbeit zu
fahren, Lebensmittel einzukaufen, den Lebenspartner zu besuchen oder zum
Arzt zu gehen. Auch Sport und Bewegung sind erlaubt – allerdings nur allein
oder mit Menschen, die im selben Haushalt leben.
So sieht es die [1][„Vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der
Corona-Pandemie“] vor, über die die Landesregierung auch auf ganzseitigen
Anzeigen in den Samstagsblättern informiert. Und wo immer möglich, sei ein
Mindestabstand von 1,5 Metern zu den Mitmenschen einzuhalten. „Bleiben Sie
gesund“, endet der Text der Anzeige. Und: „Gott schütze unsere Heimat.“
Gezeichnet, klar, Markus Söder.
Der bayerische Ministerpräsident hat sich an die Spitze der
Anti-Corona-Bewegung gestellt, erlässt für sein Bundesland ohne Absprache
die [2][schärfsten Maßnahmen im Kampf gegen das Virus]. Manchen
Bundespolitikern prescht er damit zu sehr vor – doch seine Botschaft ist
klar: Die Lage ist zu ernst, als dass man auch nur einen Tag für weitere
Diskussionen verlieren dürfe.
Es ist nur der Anfang
Freilich ist nicht jede einzelne Maßnahme nachvollziehbar: warum
beispielsweise noch bis Dienstag Clubs öffnen durften, als die Schulen und
Kindergärten längst geschlossen hatten. Oder warum noch am Freitag
Friseure, die ihren Kunden nun wirklich nahe kommen, ihre Geschäfte öffnen
durften, Buchläden aber geschlossen bleiben mussten.
„Es geht wirklich um Leben und Tod“, rechtfertigt Söder am Samstag die
bayerischen Maßnahmen. 3695 Menschen sind zu dieser Zeit in Bayern bereits
positiv auf das Virus getestet worden. Die Zahl der Toten liegt bei 21. Und
natürlich weiß jeder: Das ist nur der Anfang. „Die ganze Welt reagiert“,
sagt Söder dem Sender Antenne Bayern. „Dann muss auch Deutschland letztlich
reagieren. Ich hoffe, dass wir so besser durch die Krise kommen als
andere.“
Die Menschen im Freistaat halten sich an die Regeln. Sowohl in den Städten
wie auch auf dem Land trifft man kaum jemand. Auf den Autobahnen waren wohl
seit den autofreien Sonntagen während der Ölkrise nicht mehr so wenige
Autos unterwegs. Innenminister Joachim Herrmann erzählt im Bayerischen
Rundfunk, die Polizei habe nach Mitternacht ein paar Grüppchen zumeist
Jugendlicher auseinandertreiben müssen, ansonsten keine größeren Verstöße.
Trotzdem trauen die Behörden der Ruhe offenbar nicht. Im Netz kursieren
schon bald Videos von 15 Feuerwehr- und Polizeiautos, die Oberbürgermeister
Dieter Reiter in München durch die Straßen fahren lässt. Via Lautsprecher
werden die „Mitbürgerinnen und Mitbürger“ gewarnt: „Derzeit gelten stre…
Ausgangsbeschränkungen. Bleiben Sie zu Hause! Der Gang zur Arbeit, zum Arzt
oder zum Lebensmitteleinkauf ist weiterhin möglich. Zuwiderhandlungen
werden hart bestraft.“
Punkt. Aus. Klingt bedrohlich, und kommt nicht bei jedermann gut an – zumal
die Straßen und Plätze in München am Samstag ohnehin leer sind. Auf Twitter
kritisieren nicht wenige User, dass man doch gerade so erst Angst
verbreite. „Kann mich mal jemand aus diesem Endzeitthriller abholen bitte?“
twittert eine Nutzerin. Am Sonntag geht die Beschallung dennoch weiter,
jetzt auch auf Englisch.
Die Ausgangsbeschränkungen sollen bis 3. April gelten – zunächst. Auch
Gastronomiebetriebe dürfen während dieser Zeit nicht mehr öffnen.
Allerdings können sie einen Lieferservice oder Speisen zum Mitnehmen
anbieten. Wer außerhalb seines Hauses unterwegs ist, muss jederzeit mit
Polizeikontrollen rechnen. Passierscheine sind allerdings nicht nötig, es
genügt, wenn man plausibel erklären kann, was man außerhalb der eigenen
vier Wände zu suchen hat.
Andernfalls drohen Geldbußen bis zu 25.000 Euro. Sogar Haftstrafen sind für
den Fall möglich, dass tatsächlich eine andere Person zu Schaden gekommen
ist. Strafanzeigen bekommen nach diesem Wochenende schon mal fünf
Jugendliche im unterfränkischen Landkreis Bad Kissingen. Sie wurde von der
Polizei in einem Bauwagen aufgestöbert, wo sie einen Geburtstag feierten.
Ebenso ging es drei Personen im selben Landkreis, die nach Mitternacht
gemeinsam an einem Lagerfeuer saßen.
22 Mar 2020
## LINKS
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[2] /Diskussion-ueber-Ausgangssperren/!5672980
## AUTOREN
Dominik Baur
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