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# taz.de -- Polizeigewalt in Chile lässt nicht nach: Granaten auf die Köpfe
> Gummigeschosse darf Chiles Polizei kaum mehr einsetzen. Jetzt zielt sie
> mit Tränengasgranaten direkt auf die Protestierenden. Ein Mensch stirbt.
Bild: In Chiles Hauptstadt Santiago am Mittwoch: Ein verletzter Demonstrant wir…
Santiago de Chile taz | Die Demonstrant*innen am Plaza Italia, den sie auf
Plaza Dignidad (Platz der Würde) umgetauft haben, tragen mittlerweile nicht
mehr nur eine Gasmaske und eine Schutzbrille, sondern auch einen Helm beim
Protest. Der [1][Einsatz von Gummigeschossen] durch die Polizei wurde zwar
eingeschränkt, nachdem innerhalb weniger Monate hunderten Menschen [2][in
die Augen geschossen] wurde. Dafür schießen die Carabineros jetzt aber mit
Tränengasgranaten auf die Körper und vor allem die Köpfe und Gesichter der
Protestierenden.
Der 48-jährige Cristián Valdebenito ist das erste Todesopfer, das die
Tränengasgranaten der Polizei verursacht haben. Er protestierte am
vergangenen Freitag am Plaza Dignidad, als er von einer Granate am Kopf
getroffen wurde. Anschließend behandelten ihn freiwillige Ersthelfer*innen
und brachten ihn mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma in die Notaufnahme
des naheliegenden Krankenhauses. Am Samstagmorgen starb er an den schweren
Verletzungen.
Beim selben Protest wurden neun weitere Personen durch Tränengasgranaten
verletzt, drei erlitten [3][Augenverletzungen.] Einer von ihnen ist der
24-jährige [4][Dante Davagnino,] der von einer Granate im Gesicht getroffen
wurde und jetzt auf einem Auge blind ist. Er studiert Musik an der
Universidad Academia Humanismo Cristiano, die auch der 22-jährige Gustavo
Gatica besuchte, der im November komplett erblindete, nachdem ein Polizist
ihm mit Gummigeschossen in beide Augen schoss.
„Es ist ungeheuerlich, dass wir erneut Zeugen einer Situation von maßloser
Polizeigewalt werden, der die Jugendlichen zu Opfer fallen. Es handelt sich
um eine systematische und illegale Aktion in einem Kontext der
Straflosigkeit, die die Gewalt durch den Staat seit dem 18. Oktober
charakterisiert“, sagte der Rektor der Universität Álvaro Ramis, nachdem
der Fall von Davagnino bekannt wurde.
## Gehirnerschütterungen und Knochenbrüche
Das Nationale Institut für Menschenrechte (INDH) erklärte: „Wir verurteilen
und bedauern den Todesfall und die neuen Fälle von Augenverletzungen, die
uns zwingen, die Polizeikräfte daran zu erinnern, dass der Einsatz von
Gewalt proportional sein und die internationalen Menschrechtsstandards
respektieren muss.“
Dem INDH zufolge wurden bisher 271 Personen durch Tränengasgranaten
verletzt, die Zahl sei in den letzten Wochen stark angestiegen. Beim
Aufprall auf dem Körper können die Granaten nicht nur schwere Verbrennungen
und Verätzungen, sondern auch Gehirnerschütterungen und Knochenbrüche
verursachen, abgesehen von Atemwegserkrankungen und Hautkrankheiten durch
das Gas. „Die Trängengasbomben sollten das letzte Mittel sein, dass die
Polizei einsetzt, nicht das erste. Es ist unverantwortlich, diese chemische
Waffe willkürlich einzusetzen“, heißt es in einem [5][Bericht] der Fakultät
für Chemie der Universidad de Santiago.
Zugenommen haben auch die Fälle von Prügelattacken durch Polizist*innen.
Auch Journalist*innen, Menschenrechtsbeobachter*innen und Ersthelfer*innen
werden immer wieder angegriffen.
Am vergangenen Sonntag wurde der 69-jährige Patricio Bao während der
Proteste zum Weltfrauentag von einer Gruppe Polizist*innen mit
Schlagstöcken brutal verprügelt. Der Fall wurde durch ein Video sofort auf
sozialen Netzwerken verbreitet. „Die Polizisten handeln maßlos und ohne
jegliche Kriterien. Niemand sagt ihnen, dass ihre Vorgehensweise schlecht
ist. Als ich versucht habe, aufzustehen, haben sie grundlos weiter auf mich
eingeschlagen“, sagte Bao anschließend in einem Interview [6][im
Nationalfernsehen TVN.]
Innenminister Gónzalo Blumel sagte zu der Prügelattacke: „Es handelt sich
um eine Aktion der Polizei, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen.“
Obwohl Organisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch, die
Interamerikanische Kommission für Menschenrechte sowie die Vereinten
Nationen bereits mehrfach auf die Verletzung der Menschenrechte durch die
Polizei in Chile aufmerksam gemacht haben, streitet die Regierung ihre
Verantwortung ab und spricht von Einzelfällen.
Abgeordnete der Opposition planen deshalb eine Verfassungsklage gegen den
Innenminister Blumel. Eine Gruppe von Senatoren arbeitet an einem Bericht,
um Piñeras Amtsenthebung wegen „körperlicher und geistiger Unfähigkeit“ …
fordern.
12 Mar 2020
## LINKS
[1] /Gewalt-gegen-Proteste-in-Chile/!5643053
[2] /Proteste-in-Chile/!5642451
[3] https://www.meganoticias.cl/nacional/294044-indh-denuncia-tres-lesionados-h…
[4] https://www.cnnchile.com/pais/estudiante-uahc-pierde-ojo-lacrimogena_202003…
[5] https://www.biobiochile.cl/noticias/sociedad/debate/2019/11/27/estudio-usac…
[6] https://www.24horas.cl/nacional/adulto-mayor-denuncia-golpiza-de-carabinero…
## AUTOREN
Sophia Boddenberg
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Protest
Chile
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