# taz.de -- Gesetzesreform gegen Corona-Folgen: Chiles Rechte strauchelt | |
> Chiles Kongress stimmt für eine Zahlung aus privaten Rentenfonds – gegen | |
> den Willen von Präsident Piñera. Die Regierungsallianz steckt in der | |
> Krise. | |
Bild: Schon vor der Coronakrise kriselte es bei Chiles Regierungschef Sebastiá… | |
BUENOS AIRES taz | Chiles Präsident Sebastián Piñera muss erneut eine | |
schwere Schlappe einstecken. Gegen den Willen des rechten Präsidenten hat | |
sich der Kongress für eine [1][Einmalzahlung aus den privaten Rentenfonds] | |
ausgesprochen. Nach dem Abgeordnetenhaus stimmte am Mittwoch auch der Senat | |
für die Hilfe zur [2][Abmilderung der Corona-Pandemiefolgen]. | |
Bei beiden Abstimmungen kamen die entscheidenden Ja-Stimmen aus der | |
Regierungskoalition. Von den 43 Senator*innen stimmten 29 dafür, 13 | |
votierten dagegen, einer enthielt sich. Zwei Ja-Stimmen kamen aus der | |
rechtsliberalen Renovación Nacional (RN), drei aus der pinochettreuen Unión | |
Demócrata Independiente (UDI) und damit aus den zwei stärksten | |
Koalitionsparteien. | |
Das Ergebnis treibt die Regierungsallianz und den Präsidenten noch tiefer | |
in die Krise. Bis zuletzt hatte sich Piñera für die Ablehnung der | |
Gesetzesreform eingesetzt, die vorsieht, dass sich alle | |
Beitragszahler*innen bis zu 10 Prozent ihrer bisherigen Einlagen auszahlen | |
lassen können. Die privaten Rentenfonds wurden 1982 während der | |
Militärdiktatur von Augusto Pinochet von dessen Arbeits- und | |
Sozialminister, José Piñera, eingerichtet – einem Bruder von Präsident | |
Sebastián Piñera. Eine staatliche Rentenversicherung gibt es nicht. | |
Politisch geht es um einen Grundpfeiler des in der Verfassung | |
festgeschriebenen neoliberalen Modells. Innenminister Gonzalo Blumel | |
erklärte: „Wir wissen, dass es bei diesem Projekt um etwas ganz anderes | |
geht, um das Scheitern der Regierung oder das Ende des derzeitigen | |
Rentensystems.“ So ähnlich sieht es auch der linke Senator Alejandro | |
Navarro. „Das ist der Anfang vom Ende der privaten Rentenfonds“, | |
prophezeite Navarro. | |
## Piñeras Rückhalt schwindet | |
Dass das private System mit den Stimmen aus dem Regierungslager angegangen | |
wird, ist ein Dammbruch bei Chiles Rechten. Dabei schwindet der Rückhalt | |
für den Präsidenten nicht nur in der Regierungsallianz. Nach der jüngsten | |
Umfrage des eher regierungsfreundlichen Meinungsinstitut Cadem unterstützen | |
nur noch 16 Prozent der Bevölkerung seine Amtsführung. | |
Noch stehen dem Präsidenten zwei Wege offen, die Reform zu kippen. Er kann | |
das Gesetz vom Verfassungsgericht auf seine Verfassungskonformität prüfen | |
lassen. Dieser Schritt hat wenig Aussicht auf Erfolg, da die | |
Parlamentarier*innen penibel darauf achteten, dass auch die für die | |
Umsetzung des Reformgesetzes notwendige Verfassungsänderung beschlossen | |
wurde. Oder der Präsident legt sein Veto ein. | |
„Ein Veto wäre Suizid“, warnte der sozialdemokratische Senator Ricardo | |
Lagos Weber bereits während der Debatte. Damit riskiere Piñera, dass die | |
[3][sozialen Unruhen vom vergangenen Oktober] wieder aufflammen. Damals | |
hatten Hunderttausende auch für bessere Renten und eine grundlegende Reform | |
des privaten Rentenmodells protestiert. | |
Die Gesetzesreform liegt nun noch einmal im Abgeordnetenhaus – der Senat | |
hatte kleine Änderungen eingefügt. Die notwendige Zustimmung der | |
Abgeordneten am heutigen Donnerstag gilt als sicher. Die ersten | |
Vorbereitungen für eine mögliche Auszahlung sind bereits angelaufen, teilte | |
die staatliche Rentenaufsichtsbehörde mit. Sollten alle Berechtigten eine | |
10-prozentige Auszahlung beantragen, müssten innerhalb von 40 Tagen knapp | |
20 Milliarden Dollar bereitgestellt werden, erklärte Behördenchef Osvaldo | |
Macías. | |
23 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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