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# taz.de -- Dysfunktionales Küchengerät: Was dieser Tage wirklich schält
> Hat eine einzige Person jemals einen funktionierenden Gemüseschäler in
> den Händen gehalten? Nein. Eine Klagelied – mit Hoffnungsschimmer.
Bild: Finde den Fehler!
Wenn man tagsüber nicht wie sonst das Muster der Bussitze analysieren kann,
weil man nicht mehr rausgehen oder gar Bus fahren soll, dann wendet man
(ich spreche einfach mal ganz offensiv für uns alle) – dann wenden wir alle
uns also anderem zu. Telefonieren, stricken, die Wände zählen. Früher oder
später bekommen wir Hunger.
Da entdeckt man, also wir alle entdecken Dinge in unseren für gewöhnlich
nur zu einem Bruchteil benutzten Schränken, [1][die einst wohl der
Zubereitung von Nahrung gedient haben mögen], nun aber vom Verfall alles
Irdischen zeugen. Einen Wok mit zerkratzter Beschichtung, verwurmte
Süßkartoffeln, antiallergische Brotbackautomaten. Nicht zuletzt:
verrottete, vermottete, aussortierte, weil dysfunktionale Gemüseschäler.
Die Nudel zählt erfahrenermaßen zu den deutschen Leibspeisen. Wie
Hackfleisch, Gewürzgurke und Schokopizza ist sie geschält zu erwerben.
Etwas anderes aber steht laut Professor Christian Springinsfeld Drosten in
der Ernährungspyramide ganz oben: frisches Gemüse. Und da kommt der Schäler
ins Spiel.
Hat eine einzige Person in der Menschheitsgeschichte jemals einen
funktionierenden Gemüseschäler in den Händen gehalten? Wir alle noch nie.
Immer nur Ärger mit den Dingern. Ständig rutschen wir ab und verletzen uns,
selbst wenn wir sie nicht zur Rasur verwenden, sondern zum Gemüseschälen.
Unsauberes Schälergebnis, dauernd müssen wir neu ansetzen, Kinder weinen,
alle traurig.
Weil wir alle uns nicht mit einem derart bedrückenden Ende in den
ungeschlachten Quarantänealltag entlassen möchten und wollen, wollen und
möchten wir den Fetzen Hoffnung nicht verschweigen, der an der Frucht
unseres Daseins nichtsdestoeisenach – denn auch hier wieder war der Schäler
unbrauchbar – hängt. Vielleicht nämlich wird er ja doch in den nächsten
Wochen oder Monaten des Ausnahmezustands in das öde Taufbecken Realität
plumpsen wie eine junge Kartoffel: der eine einzig wahre, der eine
brauchbare, gute, ja, formidable Gemüseschäler.
Und dann, ja, dann werden wir schälen, so viel, dass der Name Flotte Lotte,
auch wenn er etwas völlig anderes bezeichnet, wie eine müde Werbebehauptung
aus einem Fahrschulprospekt klingen wird. Elegant und mühelos wie ein auf
einem Block Butter durch die Eingangshalle eines 3-Sterne-Hotels
schlitternder Vagabund schälen wir uns einen Wolf, Bär oder Hammel. Und
manchmal sogar einen Moschusochsen.
Bloß unsere Haut, die lassen wir dran. Hände schälen statt waschen, sagt
Drosten, das wäre wohl zu viel des Guten.
30 Mar 2020
## LINKS
[1] /Verwenden-statt-wegschmeissen/!5615860
## AUTOREN
Adrian Schulz
## TAGS
Kolumne Ungenießbar
Gemüse
Küchengerät
Kochen
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