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# taz.de -- Von der Liebe zum Pürierstab: Der Zauberstab des Savoir-vivre
> Unser Autor reist ins Land der Grande Cuisine und entdeckt dort die Magie
> eines besonderen Küchengeräts: der Stabmixer.
Bild: Er ist wie die Welt, die sich auch zu schnell dreht, um sie verstehen zu …
Wozu der Stabmixer uns nicht schon alles verhalf. Zu feinsämigen
Kartoffelsuppen, zu Salsa aus flambiertem Gemüse, zu einer schaumig
gequirlten Soße im Blanquette de Veau oder zu würzigen Oliventapenaden, die
sehr munden zu altem Brot, das durch Rösten wiederaufbereitet wird.
[1][Upcycling] quasi. Doch dieses wundervolle Gerät besitzt noch andere
Zauberkräfte, wie mir mein Freund Stephan mal verriet. Seine Idee hatte
nichts Weltbewegendes, und sie war wahrscheinlich auch nicht mal neu. Mir
aber hat sie die Augen geöffnet.
Wenn ich eine Mayonnaise mit dem Schneebesen aufschlage, kann ich dabei
zugucken, wie sich eine Emulsion bildet, wie Eigelb, Senf und Öl sich
miteinander verbinden. Wenn ich eine Sauce béarnaise mache, dann ist das
eigentlich das Gleiche, nur muss ich ein Wasserbad aufsetzen, separat einen
Sud aus Estragon, Weißweinessig, Wein, Pfeffer und Schalotten reduzieren,
die Eigelbe mit dem Sud auf dem Wasserbad verquirlen und peu à peu die
Butter hinzufügen. Eine holprige Angelegenheit!
„Mit dem Stabmixer funktioniert das immer!“, ist Stephan überzeugt. „Du
musst nicht mal das Eiweiß vom Eigelb trennen, kannste alles
zusammenschmeißen“, prahlt er über seine Entdeckung. Wer einmal versucht
hat eine Mayo mit ganzen Eiern zu schlagen und nicht verzweifelt ist, der
ist kein Mensch. Aber Stephan ist äußerst klug und äußerst faul. So gelangt
er immer an einfache Lösungen. „Eine Abkürzung zu kulinarischen
Hochgenüssen!“
Nun sitze ich Ende Juli im Land der kulinarischen Hochgenüsse, im Land der
Grande Cuisine und des Savoir-vivre, in [2][Frankreich] also, und während
ich froh bin, den Schwarzbrotgesichtern Deutschlands entflohen zu sein, an
meinem Pastis schlürfe und eine Honigmelone löffle, bekomme ich mächtigen
Hunger. Steak soll es sein und dazu eine Sauce béarnaise, Pommes de terre
fondantes und ein Salat mit einer Vinaigrette.
## Es geht um Sauce béarnaise
Die Zutaten sind schnell besorgt. Während man in Deutschland seinen
Biosalat mit dem SUV einkaufen geht, sieht man in der Bretagne jede Menge
alte, verbeulte Renaults. Die Preise für Lebensmittel sind gepfeffert,
dafür benutzen die Franzosen keinen 1.000-Euro-[3][Weber-Grill] für den
2,50-Euro-Schweinenacken. Hier macht man sich das Entrecôte zur Not auf
einem umgestülpten Einkaufswagen.
Und ich stehe im Super U und bin auf der Suche nach einem Stabmixer, finde
aber nur den „Esge-Zauberstab“, gewissermaßen die Mutter dieses
Küchengeräts. Erfunden hatte ihn der Schweizer Roger Perrinjaquet und 1950
das Patent dafür angemeldet, einige Jahre später ging das Patent an die
neugegründete Firma Esge. Heute schneidet der Esge-Zauberstab bei Stiftung
Warentest leider am schlechtesten ab. Und am teuersten ist er mit 160 Euro
auch noch. Ich frage einfach die Nachbarn, ob sie mir einen Pürierstab
leihen können.
Und dann fange ich an zu kochen. Wie man ein [4][Steak] zubereitet, muss
ich nicht erklären. Die Pommes de terre fondantes – sechseckige
Kartoffelsäulen, die erst in Öl angebraten und dann in Butter geschwenkt
werden, bevor sie sich im Bräter mit kräftiger Gemüse- oder Rinderbrühe
vollsaugen – sind interessant und irgendwie aristokratisch anmutend, das
Rezept kann man aber einfach im Internet nachschlagen. Hier hingegen geht
es um die Sauce béarnaise. Hier geht es um die Magie des Rührstabs.
Wichtig ist wie immer das Timing. Wenn die Kartoffeln fast fertig sind und
die Steaks nur noch ruhen, sollte der Estragon-Essig-Sud der Béarnaise
schon fertig reduziert sein. Die Butter muss nun wirklich heiß aus der
Mikrowelle oder dem Topf kommen, denn man braucht mit Stephans Methode ja
kein Wasserbad mehr.
## Nichts kalt werden lassen
Regel 17 aus den „Grundzügen des Gastronomischen Anstands“ von Grimod de la
Reynière: „Wenn ein Gast dem andern eine Schüssel reicht, muß man sich
beeilen, sie ohne Zögern anzunehmen; denn jeder Wettstreit um den
lächerlichen Vorrang, wer von Zweien zuerst zugreifen soll, führt zum
Erkalten der Speisen, wodurch man sich gegen sich selbst, wie gegen alle
Andern so hart versündigt, daß Niemand dafür Dank weiß.“ Soll heißen: Es…
lässt man nicht kalt werden. Niemals.
Ich mixe den Sud und die Eigelbe für die Sauce béarnaise schaumig, kippe
währenddessen die heiße Butter in das Gefäß und schaue, was passiert. Mit
dem Pürierstab ist der Prozess unwirklich. Aus verschiedenen Flüssigkeiten,
die sich eigentlich gegenseitig abstoßen, wird auf einmal eine perfekte
Soße, und ich habe nicht verstanden, wie. Zu schnell dreht sich der
Stabmixer. Er ist wie die Welt, die sich auch zu schnell dreht, um sie
verstehen zu können.
So funktioniert auch, was Stephan schon gesagt hat. Man kann die Sauce
béarnaise, die Mayonnaise oder auch eine Sauce Hollandaise sogar mit ganzen
Eiern machen. Aber ich rate davon ab. Leckerer wird sie, macht man sich die
Arbeit, das Eiweiß vom Eigelb zu trennen. Das übrige Eiweiß kann am
nächsten Morgen ins Rührei, oder man mengt es seinem Hund ins Essen. Geht
auch.
## Sauce béarnaise
Zutaten: 50–60 ml Weißweinessig, 120–130 ml Weißwein, 1 gewürfelte
Schalotte, 8–10 Pfefferkörner, 1 Zweig frischer Estragon, 4 Eigelb, 200 g
Butter, 1 EL gehackter frischer Estragon, Salz und evtl. eine Prise Zucker
Zubereitung: Den Estragonzweig kleinhacken und einen EL zur Seite legen.
Wein, Essig, die gewürfelte Schalotte, die Pfefferkörner und den Rest des
Estragons in einem Topf einkochen, bis nur noch 3 bis 4 EL Flüssigkeit
übrig sind. Vom Herd nehmen und absieben. Die Butter richtig heiß machen,
man darf ihr schon ein bisschen beim Köcheln zusehen. Die Eigelbe mit der
Estragonreduktion in einem hohen Gefäß mit dem Mixstab schaumig schlagen,
dann die kochend heiße Butter hinzufügen und mit dem Mixstab untermixen.
Den EL frischen Estragon unterrühren. Mit Salz und ggf. Zucker abschmecken
und anrichten.
## Mayonnaise
Zutaten: 1 Eigelb, 1 knapper TL Senf (hinterher kann man immer noch was
drantun), ca. 150 ml geschmacksneutrales Öl (am besten Distelöl), Ein
Spritzer Zitrone (nach Geschmack), Salz zum Abschmecken, 1 Zehe Knoblauch
(wer es mag), 1–3 TL Crème fraiche
Zubereitung: Eigelb und Senf verrühren, dann das Öl dazu. Mit dem Mixstab
alles vermengen. Die Crème fraiche unterrühren – sie macht die Mayonnaise
etwas leichter und frischer, man braucht sie aber nicht zwingend.
## Sarholz’sche Vinaigrette
Zutaten: 200 ml geschmacksneutrales Öl (Sonnenblumenöl ist nicht
geschmacksneutral!), 100 ml Balsamicoessig (rot oder weiß, ist wurscht), 2
TL Senf (ich nehme am liebsten Dijonsenf),1 TL Salz, 2–3 TL Honig oder
Zucker (Honig ist natürlich leckerer), 1 – 2 Zehen Knoblauch (wenn man’s
mag)
Zubereitung: Ist der Honig nicht flüssig, sollte er ein paar Sekunden in
die Mikrowelle. Ist er flüssig, vermengt man ihn mit dem Essig, Senf und
dem Salz, dann kommt das Öl dazu. Vermixt man das alles mit einem Stabmixer
hat man eine recht dicke, sämige Salatsoße, die sich für ein paar Wochen im
Kühlschrank, für ein paar Tage auch außerhalb hält. Man braucht den Mixstab
nicht zwingend, ist aber geiler.
6 Aug 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Clemens Sarholz
## TAGS
Kochen
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