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# taz.de -- Vom Ekel des Nachgeschmacks: Supernova von ganz unten
> Man isst. Man genießt. Man schluckt. Man verdaut. Und dann kommt er: der
> Nachgeschmack. Engstirnig und ungewaschen, streng wie ein Sportlehrer.
Bild: Der Teller ist leer. Doch das Essen ist noch nicht vorbei
Das Erdbeben schockt; das Nachbeben tötet. Die Rede ist silbern; die
Nachrede übel. Der Tisch wackelt; der Nachtisch ist Wackelpudding. So ist
das mit uns Menschen: In uneinholbarer Nachträglichkeit werden wir durch
den Äther geworfen und denken uns dabei nichts Böses.
Hier geht es um Geschmack – und Nachgeschmack. Wenn ich, der ich ja zum
Großteil aus Bakterien bestehe, wobei, was heißt dann überhaupt noch
„bestehen“, na ja; wenn jedenfalls ich, und Sie sicher auch, wenn wir also
unseren Schlündern etwas zur Digestion angedeihen lassen, das seinerseits
wiederum zum Großteil aus Bakterien besteht, die sich ihrerseits sicher
auch nichts Böses dabei denken; wenn wir das also tun, dann geht dieses
Etwas, obwohl zum Zeitpunkt seiner Einverleibung kein bisschen übel
riechend oder schmeckend, uns nach besagter Digestion, sprich: Verdauung,
manchmal vor Gestank quer durch den Hals, und wir haben das Gefühl, unser
eigener Körper verwandelt sich unter unseren Augen in einen Komposthaufen –
was er, siehe oben, durchaus ist.
Zum Beispiel Gyros. Total lecker! Sonst würde ich es doch gar nicht
Geschmackessen. Halten Sie mich nicht für blöd, bitte! Ich verstehe schon
einiges. Ich verstehe mehr, als Sie denken. Ich kratze mich mehr hinterm
Ohr, als Sie denken. Und das tue ich wirklich sehr selten. Sie denken,
ergo, ziemlich wenig. Zum Glück haben Sie mich, der Ihnen dabei hilft. Wo
waren wir?
Ach ja: Gyros. Total lecker! Wie gesagt: Sonst würde ich es doch gar nicht
essen. Genau das Richtige nach einem harten Tag, der sich sicher auch
nichts Böses dabei gedacht hat. Genau da hilft Gyros. Döner. Vergorene
Hirse. Ein Spiegelei auf ex. So was.
Anschließend legt man sich in die Badewanne, hört einen Podcast über
Podcasts [1][über True-Crime-Podcasts] und dem Bauch beim Verdauen zu und
führt eine gepflegte Konversation mit dem Haushälter, der im selben Wasser
getauft wurde wie Hildegard von Bingen, was man so auch noch nicht gehört
hatte.
Und dann kommt er: der Nachgeschmack. Und ist da und es ist so, als ob er
nie nicht da gewesen wäre. Als ob das vergorene
Knoblauch-Stracciatella-Hirse-Gyros schon zu Lebzeiten exakt so geschmeckt
hätte: engstirnig und ungewaschen. Streng wie ein Sportlehrer.
Das verblüfft einen, obwohl man das doch kennt, dieses Phänomen. Immer
wieder. Zur Genüge eigentlich. Und man überlegt und probiert: ob, und wenn
ja, wie der jemals weggehen wird, dieser Geschmack. Man versucht, ihn zu
überdecken. Haut sich rein: Apfel, Schokolade, Nussschorle,
Rhabarberschnitte oder noch ein Spiegelei auf ex – doch nichts hilft.
Nichts hilft.
10 Mar 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Adrian Schulz
## TAGS
Kolumne Ungenießbar
Schmecken
Essen
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