# taz.de -- Altmaiers Kontakte zu Windkraftgegnern: Kaffeekränzchen beim Minis… | |
> Am Donnerstag verhandelt Peter Altmaier wieder über die Zukunft der | |
> Windkraft. Mit deren Gegnern pflegte er früher intensiven Austausch. | |
Bild: Keine Berührungsängste mit Windkraftgegnern: Peter Altmaier im Wirtscha… | |
Berlin taz | Mit ihrem Versuch, den US-Autobauer Tesla in Brandenburg | |
auszubremsen, betraten die Aktivisten aus Bayern Neuland – und kassierten | |
eine Watschn: Ein Gericht verwarf im Februar den Eilantrag des Vereins für | |
Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern (VLAB), der die „überfallartig | |
begonnene Rodung“ des angeblich für den Artenschutz wichtigen Waldgebietes | |
stoppen sollte. | |
Bis dahin hatte der Verein aus der Oberpfalz vor allem gegen die „Auswüchse | |
der Energiewende“ gekämpft, insbesondere gegen Windparks – und das war | |
deutlich erfolgreicher. Der Bau neuer Windräder ist auch aufgrund von | |
Klagen von Windkraftgegnern eingebrochen, an diesem Donnerstag suchen | |
Bund und Länder nach Lösungen, um ihn wieder in Gang zu bringen. | |
Doch während Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) beim Thema | |
Tesla auf der Gegenseite der Energiewendegegner stand, pflegte er zu ihnen | |
in Sachen Windkraft bislang enge Beziehungen, die bis ins Private reichen: | |
Im Juli 2017 empfing Altmaier, damals Bundesminister für besondere Aufgaben | |
und Chef des Bundeskanzleramts, ein halbes Dutzend Rotorgegner ganz ohne | |
offizielles Tamtam. Das Treffen wenige Wochen vor der Bundestagswahl stieg | |
in Altmaiers Garten in Rehlingen-Siersburg. | |
„Bei schönem Wetter, guter Bewirtung und in angenehmer Atmosphäre nahm sich | |
Peter Altmaier während seines Urlaubs gut 2 1/2 Stunden Zeit, um unsere | |
Fragen zu beantworten und seine Sicht von Klimawandel und der weiteren | |
Entwicklung der Energiewende darzulegen“, heißt es unter dem Bild, das das | |
gemütliche Zusammensein zeigt. Zu finden ist es auf der [1][Webseite von | |
Gegenwind Saarland] (GWS), einen Zusammenschluss mehrerer | |
Anti-Windkraft-Initiativen. | |
Bei Altmaiers Kaffeekränzchen mit dabei war Edgar Jungmann von der BI | |
Primsbogen, die kurz zuvor den Windpark Hüttersdorf des Energiekonzerns | |
EnBW zu Fall gebracht hatte. Der dem Land Baden-Württemberg und | |
oberschwäbischen Landkreisen gehörende Versorger musste seine Pläne für | |
acht Rotoren im Landkreis Saarlouis begraben, nachdem zwei | |
Standortgemeinden ihre Zustimmung zum Bau zurückgezogen hatten. | |
Vorangegangen waren hitzige Debatten vor Ort, angefacht durch Jungmanns BI. | |
Rechter Hand von Altmaier saß Ulrich Leyhe, Vorsitzender des Kreisverbands | |
Saarlouis Dillingen des Naturschutzbunds (Nabu). „Klimahysterie ist kein | |
Unwort mehr – sie ist zur Realität geworden“, verharmlost Leyhe auf der | |
Facebook-Seite des Nabu die Erderwärmung. Auf seinem privaten | |
[2][Facebook-Account] postet der Funktionär Verschwörungstheoretisches, | |
etwa ein altes Video vom Ex-ZDF-Meteorologen Wolfgang Thüne, der den | |
Klimawandel leugnet. Thüne trat mit seinen Thesen bei der AfD und dem | |
Klimaleugner-Verein EIKE auf. | |
Dennoch besaß Leyhe die Chuzpe, im April 2019 bei einer | |
Fridays-for-Future-Demo in Saarlouis [3][zu reden]. Den Schülern freilich | |
verschwieg er seine Überzeugungen. Nach der Audienz bei Altmaier zeigten | |
sich die Gäste aus der Provinz zufrieden. Am Ende „dieses sehr | |
konstruktiven Gesprächs“ vereinbarte man, „die Diskussion nach der | |
Bundestagswahl fortzusetzen“. | |
Das Treffen fand am 7. Juli 2018 statt, diesmal im Altmaiers Wahlkreisbüro | |
in Saarlouis. Rund anderthalb Stunden [4][nahm er sich Zeit,] um „Fragen | |
zur Energiepolitik zu beantworten“. | |
## Mehr Redezeit | |
Mit Detlef Ahlborn war diesmal auch die „Bundesinitiative Vernunftkraft“ | |
vertreten, die sich als Dachorganisation von rund 1.000 | |
Anti-Windkraft-Vereinen versteht. Der „Vernunftkraft“-Vize tingelt seit | |
Jahren mit Black-out-Szenarien durch die Republik, um Stimmung gegen die | |
Energiewende zu machen. Zum Treffen mit Altmaier hatte Ahlborn eine | |
Tischvorlage „Rechtsrahmen für den Bau von WKA“ erstellt. Darin ging es | |
etwa um Öffnungsklauseln für Gemeinden, um Windparkprojekte blockieren zu | |
können. | |
Auch für die Begrenzung des Kostenrisikos für klagende Bürger wollte | |
Ahlborn den Minister gewinnen. Zu Zusagen ließ sich Altmaier offenbar nicht | |
bewegen. „Leider stand nach dem intensiv diskutierten Punkt Energiewende | |
nicht mehr genug Zeit zur Verfügung, um mit dem Wahlkreis-Abgeordneten das | |
Thema Rechtsrahmen und auch das Thema Infraschall durchzusprechen“, heißt | |
es im GWS-Bericht. | |
Am 5. September 2019 trafen die Aktivisten erneut auf Altmaier. Diesmal im | |
Berliner Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) [5][beim Akzeptanzgipfel | |
Windkraft]. Das Spitzentreffen mit 70 Teilnehmern wurde angesetzt, nachdem | |
der Zubau von Rotoren zuvor eingebrochen war. Als Hauptgründe gelten | |
fehlende Flächen, lange Genehmigungsverfahren und Klagen von | |
Windkraftgegnern. „Die Windenergienutzung stößt vor Ort zunehmend auf | |
Kritik“, formulierte der Minister die „herzliche Einladung“. Deshalb wolle | |
er „ein offenes Gespräch“ mit Windenergiebranche, Verbänden, Vertretern d… | |
Länder und den Bürgerinitiativen vor Ort führen. Mit am Tisch saßen sieben | |
Anti-Initiativen aus verschiedenen Bundesländern, die alle „Vernunftkraft“ | |
angehören. | |
Ganze zwei Stunden hatte Altmaier für den Gipfel eingeplant, bei dem es um | |
nichts weniger als ums Überleben einer deutschen Leitbranche gehen sollte, | |
die in zwei Jahren rund 40.000 Arbeitsplätze verloren hatte. Viel zu wenig | |
Zeit, wie Teilnehmer rückblickend berichten. „Es kamen nicht alle zu Wort – | |
bis auf die Windkraftgegner, die ihre Positionen breit darlegen durften“, | |
sagt Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie. Dass | |
„Vernunftkraft“ zum Gipfel eingeladen war, verwundert Franz Untersteller | |
bis heute. „Schließlich sollte es dabei um den Ausbau der Windkraft gehen, | |
nicht darum, ihn weiter zu verhindern“, so der baden-württembergische | |
Umweltminister (Grüne), der die Südländer vertrat. | |
## Direkter Zugang zum Ministerium | |
In einer „Keynote“ zum Gipfel hatte GWS-Sprecher Jacob Fuhrmann betont, | |
dass „Akzeptanz in erster Linie mehr Distanz erfordert“. Eine Forderung, | |
die beim Gastgeber offenbar verfing. Am 20. September 2019 schrieb | |
Altmaiers Ministerium einen Mindestabstand von 1.000 Metern von | |
Windkraftanlagen zu Siedlungen ins Klimaschutzprogramm. Am 9. Oktober | |
tauchte der Passus im „Aktionsplan zur Schaffung von Akzeptanz und | |
Rechtssicherheit für Windenergie an Land“ des Wirtschaftsministeriums auf. | |
Eine Vorgabe, die laut Umweltbundesamt den Zubau neuer Rotoren sowie | |
„Repowering“ von Altanlagen völlig ausgebremst und damit die deutschen | |
Klimaschutzziele unerreichbar gemacht hätte. | |
Doch das genügte „Vernunftkraft“ noch nicht. Dem Minister warf sie laut | |
Tagesspiegel einen „Kniefall“ vor der Windkraft-Lobby vor. Altmaier nahm | |
die Anwürfe offenbar nicht persönlich: Ende Oktober empfing das Ministerium | |
erneut eine „Vernunftkraft“-Delegation in Berlin. Vertreten ist der | |
Anti-Windkraft-Verband dort ohnehin permanent: Der 1. Vorsitzende Nikolai | |
Ziegler arbeitet dort als Referent für Digitalisierung. [6][Wie die taz | |
aufdeckte], vertrat er zudem zeitweise den persönlichen Referenten des | |
Parlamentarischen Staatssekretärs Thomas Bareiß, der für den Bereich | |
Energiepolitik verantwortlich ist. | |
Auch im „Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern“, ebenjenem | |
Verein, der gegen die Tesla-Ansiedlung in Grünheide vorging, ist Ziegler | |
nach Recherchen des RBB Mitglied; sein Verband „Vernunftkraft“ wiederum | |
gehört zu den institutionellen Mitgliedern des bayerischen Vereins. | |
Umgekehrt ist der VLAB Mitglied der Bundesinitiative. | |
## Keine Erklärung | |
Den jüngsten Erfolg feierte der VLAB übrigens kurz vor der Tesla-Watschn: | |
Ende Januar musste der Energieversorger EnBW ein Repowering-Projekt bei | |
Pfettrach im Landkreis Landshut aufgeben, nachdem der VLAB dagegen | |
vorgegangen war. Der Konzern wollte dort zwei ältere Rotoren durch eine | |
größere 3,4 MW-Anlage ersetzen. Die hätte 40 Prozent mehr Strom erzeugt, | |
leiser gearbeitet und Vögel weniger gefährdet. Auf Antrag des VLAB | |
kassierte ein Gericht eine frühere Genehmigung aus dem Jahr 2014. | |
Altmaier verteidigte seine Kontakte gegenüber dem Handelsblatt mit den | |
Worten, es brauche „einen Konsens mit den Windkraftgegnern, wenn der Ausbau | |
von Windparks wieder in Gang kommen soll“. Doch muss man dazu wirklich | |
Menschen zum Kaffeekränzchen einladen, die Klimawandel leugnen und | |
Energiewende bekämpfen? Dazu sagt das Ministerium nur: „Bitte haben Sie | |
Verständnis dafür, dass wir uns zu nicht presseöffentlichen Terminen – wie | |
üblich – nicht äußern.“ | |
Andere werden deutlicher. „Minister Untersteller verschließt sich nicht der | |
Diskussion mit Windkraftgegnern“, antwortet das Stuttgarter | |
Umweltministerium auf Nachfrage. „Im privaten Umfeld hat der Minister sie | |
noch nie bewirtet.“ | |
12 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] http://www.gegenwind-saarland.de/170722-GWS-bei-Peter-Altmaier.html | |
[2] https://www.facebook.com/ulrich.leyhe | |
[3] https://youtu.be/32iNUyT8ekg | |
[4] http://www.gegenwind-saarland.de/180707-GWS-bei-Peter-Altmaier.html | |
[5] http://www.gegenwind-saarland.de/190905-BMWi---Vernunftkraft-auf-dem-Akzept… | |
[6] /Vernunftkraft-Chef-im-Ministerium/!5644860 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Lessat | |
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