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# taz.de -- Zum Kinderheim „Neustart“: Das Vertrauen ist aufgebraucht
> Nachdem das Brandenburger Jugendministerium bestätigt, dass es in dem
> Heim unerlaubte Freiheitsentziehung gab, sollte man das Heim ganz
> schließen.
Bild: Kinderheim Jänschwalde: Die Fenster der Aufnahmezimmer waren mit Milchfo…
Der gestrige Mittwoch war ein guter Tag für die Jugendhilfe in Brandenburg.
Das Jugendministerium sieht die im September [1][von Jugendlichen in der
taz erhobenen Vorwürfe] an das Heim Neustart in Jänschwalde bestätigt. Es
wurden nach Feststellung des Ministeriums Türen verschlossen, Fenster
verklebt, Möbel angeschraubt, die Jugendlichen wurden bei jedem
Toilettengang entwürdigenden Frageritualen unterworfen, der Alltag war von
einem sanktionierenden Punktesystem dominiert. Das galt für die Neuen in
den ersten Monaten. Und ist nun nicht mehr erlaubt. Ministerin Britta Ernst
(SPD) hat die [2][Betriebserlaubnis für dieses Konzept entzogen].
Doch es ist Zufall, dass die Sache publik wurde. Man bedenke, nur wenige
Monate zuvor war Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zu
Besuch in dem Heim und voll des Lobes. Auch das örtliche Jugendamt
Spree-Neiße verteidigte auf taz-Anfrage die Methoden. Fachkräfte des
Jugendamtes seien „regelmäßig vor Ort“ und Beschwerden seien nicht bekann…
Niemand hinterfragte, wozu denn die Schlüssel am Band benutzt werden, mit
denen die Mitarbeiter auch auf Pressefotos deutlich zu sehen waren.
Nun stellt das Ministerium fest: Hier wurden „freiheitentziehende Maßnahmen
ohne richterliche Beschlüsse praktiziert“. Das ist starker Tobak. Dem
Träger, dem ASB Lübben, wird die Zuverlässigkeit abgesprochen, für das Wohl
der Kinder mit intensivpädagogischen Förderbedarf sorgen zu können. Deshalb
gibt es eine halbe Heimschließung. Die Gruppen 1 und 2 verlieren die
Betriebserlaubnis. Doch im Nachbarhaus dürfen Gruppe 3 und 4 mit einem
nachgebesserten Konzept weitermachen. Und mit neuem Konzept könnte der
Träger sogar eine neue Betriebserlaubnis für Gruppe 1 und 2 beantragen.
Dabei sind dort vor Ort dieselben Erzieher, dieselbe Leitung, es herrscht
derselbe pädagogische Geist vor. Jugendliche, die [3][noch im Januar dort
waren], berichteten der taz, dass sie dort unglücklich sind. Auch zeigt
sich der Betreiber wenig einsichtig. ASB-Lübben-Geschäftsführer Sven Meier
kündigte inzwischen an, er sei mit der Entscheidung nicht einverstanden und
werde sie „gerichtlich überprüfen lassen“.
Das Kindeswohl sei in dem Heim nicht gefährdet gewesen, da man lediglich
„freiheitsbeschränkende“ und nicht „freiheitsentziehende“ Maßnahmen
durchführe. Auch habe das Ministerium Sachverhalte zum sogenannten
„Anklopfverfahren“ und „Token-System“ falsch dargestellt und „fehlerh…
gewürdigt“. Noch wenige Tage zuvor klang der Träger-Chef defensiver, als er
in der Lausitzer Rundschau sagte, vielleicht habe man „rückblickend
betrachtet, auch Fehler gemacht“ und um eine „faire Chance zur Korrektur“
bat.
Doch die Ministerin handelt richtig. Ihr [4][Bericht] legt ausführlich dar,
weshalb die angewendeten Maßnahmen eben doch unzulässiger Freiheitsentzug
waren. Jugendhilfe ist kein Feld für Versuch und Irrtum. Die Jugendlichen,
die die taz sprach, haben unter dem Heim gelitten und keine Chance, ihre
verlorene Jugendzeit zurück zu bekommen. Sie vertreten entschieden die
Meinung, dass das Heim ganz dicht gemacht gehört, weil sich die Haltung der
Betreuer nicht änderte. Deshalb muss aufmerksam geguckt werden, wie es in
Jänschwalde weiter geht. Es wäre fatal, wenn sich die alten Verhältnisse
wieder einspielen.
Anmerkung der Redaktion: Der Kommentar wurde nachträglich durch den Hinweis
auf den Abschlussbericht ergänzt.
12 Mar 2020
## LINKS
[1] /Misshandlungen-im-Kinderheim/!5624827
[2] /Kinderheim-in-Brandenburg/!5667365
[3] /Kinderheim-in-Brandenburg/!5654774
[4] https://mbjs.brandenburg.de/media_fast/6288/35-20_anhang_mbjs-abschlussberi…
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Bildung
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Brandenburg
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Kinderheim
30 Jahre friedliche Revolution
Lesestück Recherche und Reportage
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