# taz.de -- Kriegerdenkmal in Biesdorf: Von rechts vereinnahmt | |
> Für einen AfD-Antrag, das Denkmal originalgetreu zu sanieren, stimmten im | |
> Bezirksparlament von Marzahn-Hellersdorf auch CDU und SPD. | |
Bild: Das Kriegerdenkmal auf dem Dorfanger in Biesdorf an der Straße Alt-Biesd… | |
Berlin taz | Ein Schmuckstück ist das Denkmal auf dem Dorfanger in Biesdorf | |
im Bezirk Marzahn-Hellersdorf nicht. Es wurde 1922 errichtet und sollte die | |
86 gefallenen Soldaten aus Biesdorf ehren, die im Ersten Weltkrieg ihr | |
Leben ließen. Für Volk und Vaterland, wie es damals hieß. | |
Der sozialdemokratisch regierte Bezirk Lichtenberg von Groß-Berlin, dem das | |
ehemalige Dorf Biesdorf 1920 zugeschlagen wurde, hatte die Errichtung von | |
Kriegerdenkmälern seinerzeit auf öffentlichem Grund abgelehnt, weil es | |
häufig deutschnationale Kriegervereine waren, von denen die Initiative dazu | |
ausging. Die Evangelische Kirchgemeinde sprang in die Bresche. Sie erlaubte | |
das Denkmal auf Kirchengrund. Fast 100 Jahre später müssen sich ihre | |
Nachfolger mit dem Denkmal herumschlagen. | |
Der Obelisk unterscheidet sich wenig von denen, die in den 1920er Jahren in | |
großer Zahl überall in Deutschland für die toten Soldaten aus dem | |
jeweiligen Ort errichtet wurden. In Berlin gibt es solche Denkmäler am | |
Stadtrand, überwiegend in Ortsteilen, die bis zur Schaffung von Groß-Berlin | |
1920 noch eigene Dörfer waren und sich auch danach ihren dörflichen | |
Charakter bewahrten. 14 solcher Steine stehen unter Denkmalschutz, etwa in | |
den Ortsteilen Niederschönhausen, Dahlem und Baumschulenweg. | |
Die Jahrzehnte hinterließen Spuren an dem Biesdorfer Denkmal. Die | |
Inschriften und das Eiserne Kreuz sind verblasst. Eine eiserne Kette, die | |
das Denkmal umrundete, und ein preußischer Adler, der ganz oben auf dem | |
Denkmal eine Weltkugel in ihren Krallen hielt, kamen in den 1970er Jahren | |
abhanden. | |
## Am Volkstrauertag ein Wallfahrtsort | |
Nach der Jahrtausendwende hatten rechte Kräfte begonnen, das Kriegsdenkmal | |
für sich zu vereinnahmen. Zum Volkstrauertag und Totensonntag wurde es ihr | |
Wallfahrtsort. Davon zeugen Trauergebinde, die dort abgelegt wurden. „Sie | |
opferten Jugendglück und Zukunft. Für uns“ stand beispielsweise 2015 auf | |
einem Gebinde, das die Kirchengemeinde entfernen ließ. | |
In den letzten Jahren gedachte eine Denkmalinitiative gemeinsam mit der AfD | |
am Volkstrauertag laut einem Redebeitrag „der gefallenen Soldaten beider | |
Weltkriege“, denen „das Volk und somit auch wir“ ein ehrendes Gedenken | |
schuldig seien. | |
Seit 2012 bemüht sich die fragwürdige Denkmalinitiative um eine | |
originalgerechte Instandsetzung des Denkmals. „Die Schrift soll nach ihrem | |
Willen vergoldet werden. Der Adler, der mit seinen Schwingen den | |
Weltherrschaftsanspruch verkörpert, soll vergoldet auf eine ebenfalls | |
vergoldete Weltkugel gesetzt werden, die er umkrallt“, sagt Gemeindepfarrer | |
Justus Schwer der taz. „Die Leute, die zum Teil aus unserer Kirchengemeinde | |
kommen, aber auch von außerhalb, wollen einen Heldengedenkort. Doch den | |
wird es mit unserer Gemeinde nicht geben. Wir haben eine andere Vorstellung | |
von Weltherrschaft.“ Der Gemeindekirchenrat hat das Ansinnen bereits 2012 | |
abgelehnt und stehe unverändert zu seinem Beschluss, so der Pfarrer. | |
Doch die AfD brachte letztes Jahr einen entsprechenden Antrag in die | |
Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf ein. CDU und SPD haben | |
ihm dort zu einer Mehrheit geholfen, wenn auch mit redaktionellen | |
Änderungen. Laut Beschluss soll das Bezirksamt sich dafür einsetzen, dass | |
der Stein in die Landesdenkmalliste Berlins aufgenommen und originalgetreu | |
rekonstruiert wird. | |
## „Nach Thüringen überfällig“ | |
Es dürfte einer der wenigen AfD-Anträge sein, die in einem Berliner | |
Bezirksparlament je angenommen wurde. Für den aus Marzahn-Hellersdorf | |
stammenden grünen Abgeordneten Stefan Ziller ist es „nach Thüringen | |
überfällig, dass sich Demokraten einigen, Anträge der AfD grundsätzlich | |
nicht mitzustimmen, geschweige denn, ihnen mit kleinen Änderungen zu einer | |
Mehrheit zu verhelfen“. | |
Die bezirkliche SPD-Fraktionschefin Jennifer Hübner macht allerdings den | |
Eindruck, mit dem Abstimmungsverhalten überfordert gewesen zu sein. „Wir | |
haben nicht dem AfD-Antrag zur Mehrheit verholfen, sondern einer | |
Neuformulierung durch die CDU. Als SPD würden wir niemals der AfD Türen | |
öffnen. Aber wir haben mal versucht, uns um einen stärker konsensualen | |
Dialog im Bezirksparlament zu bemühen.“ Kriegerdenkmäler seien ihr als | |
Pazifistin kein Anliegen, fügt Hübner hinzu. | |
Kulturstadträtin Juliane Witt (Linke), die den Beschluss umsetzen musste, | |
berichtete diesen Monat, dass eine Realisierung nicht möglich sei. Der | |
gesamte Dorfanger und somit auch das Kriegerdenkmal stünden bereits seit | |
DDR-Zeiten auf der Denkmalliste. Dem widerspricht Daniel Bartsch, Sprecher | |
von Kultursenator Klaus Lederer (Linke): „Dort wird der Biesdorfer Anger | |
ausführlich gewürdigt. Das Kriegerdenkmal findet keine Erwähnung.“ | |
## Aller Opfer gedenken | |
Witt führt weiter aus, Geld für die Sanierung sei nicht vorhanden. Die | |
zuständige Kirchengemeinde hätte keines beantragt und hätte das auch nicht | |
vor. | |
Pfarrer Justus Schwer, dem die Stadträtin den Ball zugespielt hat, merkt | |
man an, dass er mit dem Denkmal nicht glücklich ist. Elf Monate im Jahr | |
würde die Gemeinde es kaum bemerken. Aber zum Volkstrauertag und | |
Totensonntag gäbe es das Heldengedenken „und wir als Gemeinde müssen | |
hinterher die verwelkten Blumen entsorgen“. | |
Die Gemeinde hätte den Stein vor Jahren so weit saniert, dass die | |
Standfestigkeit gegeben ist. „Ich würde mich aber über ein Schülerprojekt | |
freuen, neben das Denkmal ein anderes für die anderen Opfer des Ersten | |
Weltkrieges zu stellen“, sagt Schwer der taz. „Für Russen, Franzosen, Polen | |
und Engländer.“ Dann, aber nur dann könne er auch mit einer vergoldeten | |
Schrift leben. Mit dem Adler mit den ausgestreckten Schwingen aber nicht. | |
Sollte der Bezirk darauf bestehen, so der Pfarrer, dann „sollen sie das | |
Denkmal woanders aufstellen, dann sind wir es los“. | |
19 Feb 2020 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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