Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Anwärter auf den CDU-Vorsitz: Drei nach Merkel
> Nach dem Verzicht von AKK auf den CDU-Parteivorsitz stehen drei
> Kandidaten in den Startlöchern. Wir stellen das Trio vor.
Bild: Spahn, Laschet und Merz (v.li.) bei einer Sitzung des NRW-CDU-Präsidiums…
Markus Söder dürfte schon mal raus sein. Der Bayer, sonst sehr von sich
überzeugt, beteuert glaubhaft, nicht Kanzlerkandidat der Union werden zu
wollen. In Bayern sei sein Standort und er sei bei den bayerischen
WählerInnen im Wort, betonte er. Und: „Ich bin der festen Überzeugung, es
wird sich jemand finden in der CDU, der unbedingt will.“ Solche Äußerungen
wird Söder später nur schwer revidieren können. Wobei, im Moment ist in der
Union alles möglich.
Doch zudem spricht ein formales Argument gegen Söder. Die große CDU hat
gerne die Hosen an. So soll es bleiben, darauf wies Noch-CDU-Chefin
Annegret Kramp-Karrenbauer hin, die allerdings in dem nun anstehenden
Machtkampf nicht mehr viel zu sagen hat. Es sei offensichtlich, dass
Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur in eine Hand gehörten, sagte sie im
Parteipräsidium der CDU. Söder aber, bekanntlich Vorsitzender der
bayerischen CSU, kann nicht Chef der CDU werden.
Es bleiben also – nach Stand der Dinge – drei Kandidaten, die für
Kramp-Karrenbauers Nachfolge und die Kanzlerkandidatur gehandelt werden.
[1][Alle drei sind Männer], und alle bleiben erst mal in der Deckung. „Die
Entscheidung von AKK verdient Respekt“, [2][twitterte Friedrich Merz] nach
Kramp-Karrenbauers Ankündigung kreuzbrav. [3][Jens Spahn betonte], bei
allem, was nun komme, gelte: „Entschlossenheit, Zusammenhalt und Klarheit
machen uns stark.“ Und Armin Laschet, Ministerpräsident in
Nordrhein-Westfalen, [4][gab sich bedrückt]: „Wir bedauern den heutigen
Rückzug.“
Selten wird so viel geheuchelt wie nach Rücktritten von ChefInnen. Allen in
der Union ist klar: Der Kampf um die Nachfolge begann in dem Moment, als
Kramp-Karrenbauer ihre resigniert klingende Erklärung im
Konrad-Adenauer-Haus verlas. Genau genommen hatte er schon lange vorher
begonnen. Wer es wird, ist entscheidend für die Republik. Die Union hat die
besten Chancen, den nächsten Kanzler zu stellen. Und ein Friedrich Merz
würde anders regieren als ein Armin Laschet. Wer sind die drei?
## Armin Laschet
Kurzbio: Armin Laschet, 58, wirkt in Talkshows harmlos wie ein
Gute-Laune-Bär, hat es aber faustdick hinter den Ohren. Ministerpräsident
Nordrhein-Westfalens, des bevölkerungsreichsten Bundeslandes, und dann noch
mit der FDP – das zählt viel in der Machtlogik der CDU. Laschet hat
schließlich bewiesen, dass er eine Wahl gewinnen kann. Was gegen die
beliebte Sozialdemokratin Hannelore Kraft nicht einfach war.
Inhaltlich steht er am ehesten für die Fortsetzung des mittigen
Merkel-Kurses. [5][Er forderte früh ein Einwanderungsgesetz] und
unterstützte die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin vorbehaltlos – womit er
sich im konservativen Flügel viele Feinde machte. Unter dem ehemaligen
CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers wurde Laschet 2005 der erste
Integrationsminister Deutschlands, suchte den Dialog mit Muslimen und
vertrat progressive Positionen in der Integrationspolitik.
Laschet weiß natürlich, dass er auch den Konservativen Zucker geben muss,
um in seiner Partei eine Chance zu haben. Im NRW-Wahlkampf 2017 holte er
sich den Haudegen Wolfgang Bosbach zur Hilfe und warf Kraft Versäumnisse
bei der inneren Sicherheit vor. Seit einiger Zeit zieht er verdächtig
polemisch über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk her, der keinen
Erfolgsdruck habe und seinen Redakteuren überdurchschnittliche Gehälter
zahle. Botschaft: Laschet kann auch populistisch, wenn es der Sache nutzt.
Stärke: Ein CDU-Kanzlerkandidat Laschet würde die Räume in der Mitte eng
machen. Ökoaffine Bürgerliche würden vielleicht davon abgehalten, zu den
Grünen überzulaufen. Auf einem CDU-Parteitag, der die Entscheidung über den
Kandidaten wohl fällen muss, hätte er gute Chancen, allein deshalb, weil
sich der starke Landesverband Nordrhein-Westfalen hinter ihm versammeln
würde.
Schwäche: Laschet wäre Merkel in männlich. Viele in der CDU fragen sich,
wie sie mit Laschet an der Spitze die AfD kleinhalten sollen. Wobei das
Projekt „Wähler von der AfD zurückgewinnen“ fragwürdig ist: Wie gewinnt …
Leute mit hermetisch geschlossenem Weltbild zurück, die den Klimawandel für
eine Lüge, Europa für einen bösen Kraken und Höcke nicht für einen Nazi
halten?
Schwarz-Grün-Verträglichkeit: Sensationell. Laschet, Baerbock und Habeck
wären das doppelte Lottchen der ökosozialen Wende, nur eben zu dritt.
## Jens Spahn
Kurzbio: Jens Spahn, 39, ist ein Tausendsassa. Der Freund markiger Sprüche,
die in seiner Homebase im Münsterland für Begeisterung sorgen, vereint
lässig all die Widersprüchlichkeiten der Moderne in seiner Person. Schwul
und konservativ, wirtschaftsliberal und sozial, gut gelaunt und
staatstragend, jung und schon ewig dabei. Spahn ist irgendwie alles
gleichzeitig.
Früher liebte Spahn es, die Linken mit starken Sprüchen auf die Palme zu
bringen. Er [6][lästerte über Englisch sprechende Hipster] in Berliner
Cafés. Oder gab den Armen der Republik ein paar Tipps aus dem Dienstwagen:
„Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort unserer
Solidargemeinschaft auf Armut“, das kam nicht so gut an. Große Aufregung,
tagelange Diskussion. So etwas liebte Spahn. Aber Spahn ist wandlungsfähig.
Seitdem er Gesundheitsminister ist, gibt er eher den sozialen Kümmerer. So
sorgte er zum Beispiel dafür, dass Angehörige der Mittelschicht die
Pflegekosten ihrer Eltern nicht mehr übernehmen müssen.
Spahn gilt als verlässlich. Und wird auch von politischen Gegnern gelobt.
Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kommt zum Beispiel gut mit ihm
klar. Wenn es ihm in den Kram passt, ist Spahn zu erstaunlich progressiven
Vorstößen fähig. Er war für die Ehe für alle, obwohl die übergroße Mehrh…
in der CDU dagegen war. Er verbot Konversionstherapien, bei denen
Pseudoheiler Homosexualität „kurieren“. Nicht unwichtig: Er versteht sich
wirklich gut mit führenden Grünen.
Stärke: Humor. Schicke Brille – und auch sonst stylemäßig vorne in dem
Trio. Spahn steht als einziger für einen Generationenwechsel. Seine
Kandidatur könnte junge Leute eher begeistern als die eines Friedrich Merz.
Denn ja, mit 39 ist man in der CDU noch jung. Thematisch breit aufgestellt,
könnte Spahn konservative und mittige WählerInnen ansprechen.
Schwäche: Rückhalt in der CDU eher so: puh. Spahn trat schon im Herbst 2018
an, als es beim Bundesparteitag um die Merkel-Nachfolge im CDU-Vorsitz ging
– und landete abgeschlagen auf dem dritten Platz. Hinter Kramp-Karrenbauer
und Merz.
Schwarz-Grün-Verträglichkeit: Gut. Spahn würde ohne mit der Wimper zu
zucken mit den Grünen koalieren. Und die Grünen auch mit ihm.
## Friedrich Merz
Kurzbio: Friedrich Merz, 64, ist die Sehnsuchtsfigur vieler Konservativer,
die sich das Gestern zurückwünschen – oder das Vorgestern. Ein katholischer
Sauerländer, klar marktliberal, erfolgreich in der Wirtschaft, der ein
Steuerkonzept auf dem Bierdeckel skizziert. Merz’ Ansage, mit ihm könne die
CDU die AfD halbieren, weckt Träume von alter 40-Prozent-Dominanz.
Dass das wenig realistisch ist, spielt dabei kaum eine Rolle. Merz ist ein
Redner, der Säle mitreißen und zuspitzen kann. Sein umstrittener Begriff
der „deutschen Leitkultur“ ist bis heute ein Renner in Diskurszirkeln am
Berliner Ku’damm. Noch ein Plus: Liberalkonservative Medien schreiben ihn
hoch. Und sein Selbstbewusstsein ist fast so groß wie das von BlackRock
verwaltete Vermögen. Jenes, nur zur Orientierung, lag 2018 bei 5,98
Billionen US-Dollar.
Seine politische Bilanz ist durchwachsen. Merz schaffte es nie in ein
Ministeramt, er verfügt über keinerlei administrative Erfahrung. Die
Unionsfraktion führte er nur zwei Jahre lang, bevor er den Vorsitz 2002 an
Angela Merkel abgeben musste. 2004 zog er sich frustriert aus der
CDU-Spitze zurück, wechselte 2005 in die Wirtschaft – und tauchte erst
wieder auf der politischen Bühne auf, als Merkel ihren Rückzug vom
Parteivorsitz verkündete.
Stärke: Merz hat eine große Fanbase. Viele Mitglieder und Funktionäre
lieben ihn. Er unterlag im Wettrennen mit Kramp-Karrenbauer nur knapp. Der
Wirtschaftsflügel der Union findet ihn toll, die knallrechte Werteunion,
eine lautstarke Splittergruppe, auch. Praktisch: Merz besitzt ein
Kleinflugzeug und den Pilotenschein. Er könnte kostengünstig und fotogen zu
CDU-Parteitagen anreisen.
Schwäche: Mäßige Frustrationstoleranz. Ungeduld. Merz neigt manchmal dazu,
unbedacht vorzupreschen. Und viele in der Union halten einen merkeligen
Mittekurs gegen die starken Grünen für erfolgversprechender als
Konservatismus pur. Eine Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock gegen Merz –
da klingt ein Sieg der Grünen gar nicht mehr so unwahrscheinlich, oder?
Schwarz-Grün-Verträglichkeit: Mäßig. Bei den Grünen gibt es Vorbehalte
gegen Merz. Mit ihm würde es schwierig, heißt es. Aber wäre das so? Unser
Tipp: Beide Seiten wären biegsam genug, um das Liebenswerte aneinander zu
entdecken.
11 Feb 2020
## LINKS
[1] /CDU-nach-dem-Ruecktritt-von-AKK/!5663275
[2] https://twitter.com/_FriedrichMerz/status/1226863155273457669
[3] https://twitter.com/jensspahn/status/1227129233480257538
[4] https://www.pscp.tv/w/1OwGWQREpnNxQ
[5] /Einwanderungspolitik-der-CDU/!5214916
[6] /Kommentar-zu-Englisch-in-Restaurants/!5434016
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
CDU
Jens Spahn
Armin Laschet
Friedrich Merz
Annegret Kramp-Karrenbauer
Schwerpunkt Angela Merkel
Sauerland
Annalena Baerbock
Friedrich Merz
Friedrich Merz
IG
CDU
Schwerpunkt Angela Merkel
Chaos
Schwerpunkt AfD
CDU
## ARTIKEL ZUM THEMA
Friedrich Merz kandidiert für Bundestag: Endlich mal gewonnen
Wenigstens im Sauerland klappt's: Merz schlägt seinen Nachfolger und wird
Bundestags-Direktkandidat. In Berlin will er für einen Rechtsruck kämpfen.
Grüne und Union: Bereit für Größeres
Merz? Spahn? Oder doch lieber Laschet? Die Grünen beobachten aufmerksam den
Machtkampf in der CDU – und ziehen ihre Schlüsse für Schwarz-Grün.
Klimapolitik der Union: Mutti Erde & Ökoschweine
Die Kandidaten für den CDU-Chefposten haben keine Idee zum Zukunftsthema
Klimaschutz. Da haben andere in der Partei mehr zu bieten.
CDU-Kandidatur von Friedrich Merz: Biedermeier im Vormerz
Er gibt sich rebellisch, doch in Wirklichkeit ist Friedrich Merz ein echter
Reaktionär. Wofür steht der Mann, der CDU-Chef werden will?
Kandidatur von Friedrich Merz: Ein Geschenk mit Schleife
An Friedrich Merz knüpfen sich Hoffnungen: Er soll die CDU zu neuem Ruhm
führen. Profitieren würden andere.
Nachfolge von AKK: Zügige Entscheidung gefordert
Unionspolitiker drängen auf eine rasche Klärung der Machtfrage. Offenbar
hat Friedrich Merz bereits seine Kandidatur für den Vorsitz angekündigt.
Zukunft der Großen Koalition: Regierung der Angst
Die SPD war lange die Dramaqueen in der Großen Koalition. Die Union läuft
ihr diesen Rang nun ab. Muss die Groko wirklich noch durchhalten?
Rücktritte, gebt uns Rücktritte!: Die K-Frage
Es sind Chaostage in good old Deutschland. Einige immerhin können noch
Verantwortung übernehmen und hauen in den Sack.
Parteienforscher über CDU: „Führungsvakuum schnell beenden“
Nach Thüringen und Kramp-Karrenbauers Rücktritt ist die CDU in der Krise.
Der Politologe Oskar Niedermayer spricht über die Folgen für die
Demokratie.
CDU nach dem Rücktritt von AKK: Die Stunde der Jungs
Gleich drei Männer aus Nordrhein-Westfalen bringen sich in Stellung für
Kramp-Karrenbauers Nachfolge. Die Zeit der starken CDU-Frauen geht zu Ende.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.